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Direktes Duell, unterschiedliche Voraussetzungen: Was Chelsea von Arsenal lernen kann

21. Oktober 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Am Samstagabend trifft der FC Chelsea im London-Derby auf den FC Arsenal. Beide Klubs befinden sich derzeit an komplett unterschiedlichen Punkten in ihrer Entwicklung. Für Chelsea geht es darum, die Lücke zu Arsenal und anderen Topteams in der Premier League zu schließen. Dafür wurde viel Geld investiert. Dass das nicht alles ist, zeigt der Gegner. 

Chelsea in der Rolle des Herausforderers

Wenn an der Stamford Bridge der Anpfiff des Derbys zwischen Chelsea und Arsenal (Samstag, 18:30 Uhr) ertönt, dann befinden sich die Blues gegen die Gunners in der Rolle des Herausforderers und Außenseiters. Das ist eine Gemengelage, die man bei Chelsea in dieser Deutlichkeit nicht wirklich kennt. Und auch nicht mag. Fehlende Klarheit bei der Frage nach der Identität des Klubs, fehlende Kontinuität auf dem Transfermarkt und der Trainerposition sind dabei nur einige Gründe, warum der einst so große Klub derzeit strauchelt und nicht einmal im Europapokal vertreten ist. Seit der Übernahme durch Todd Boehly wurde bisher viel Geld investiert, über eine Milliarde Euro, um genau zu sein, doch eine klare Verbesserung der Mannschaft lässt sich noch nicht erkennen.



Der Chelsea-Umbruch ist nach einer eher chaotisch anmutenden ersten Transferphase unter dem neuen Eigentümer nun aber auf dem Weg, vor allem junge Spieler wurden im vergangenen Sommer zum Kader hinzugefügt. Moises Caicedo, Nicolas Jackson, Cole Palmer, Romeo Lavia, Lesley Ugochukwu und Angelo sind alle 22 Jahre alt oder jünger. Der Konkurrenzkampf wird belebt, alte Muster werden aufgebrochen. Das kann für den Klub nur gut sein. Dennoch fehlt dem Kader noch immer die finale Homogenität, nicht alles passt zusammen und von einer klaren Spielidee unter Mauricio Pochettino ist auch nur im Nuancenbereich etwas zu sehen. Doch wie kann es gelingen, die einzelnen Mosaiksteine zu einem klaren Bild zusammenzufügen? Dafür lohnt der Blick in den roten Teil der Stadt. 

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Arsenal als Vorbild für Chelsea

Damit ein Umbruch auch gelingen kann, benötigt es mehrere Zutaten. Das gesamte Unterfangen ist nämlich nicht ganz einfach, vor allem dann nicht, wenn Kader und Strukturen über einen längeren Zeitraum heruntergewirtschaftet wurden. Das traf auch auf den FC Arsenal zu, ehe Mikel Arteta das Ruder übernahm und die Gunners als Steuermann in Richtung Spitze der Premier League manövrierte. Im ersten Schritt wurde ausgemistet. Spieler mit teuren (oder zu teuren) Verträgen, als Beispiel Mesut Özil, aber auch Sokratis, Henrikh Mkhitaryan oder Shkodran Mustafi, gab man ab. Das Gehaltsniveau sank deutlich, was Spielraum schaffte, um selbst tätig zu werden.

Die zweite Zutat, die dann erforderlich ist: Ein klares Ziel. Der gesamte Klub muss als Einheit ein Ziel formulieren, wissen, wo man genau hin will und anschließend daran arbeiten, dieser Idealvorstellung sukzessive näher zu kommen. Arteta implementierte bei Arsenal einen Stil, der nicht von jetzt auf gleich erkennbar war, zumindest nicht in der aktuellen Ausprägung. Im Gegenteil. Es war eher ein Mehrphasenkonzept, ein Schritt der Verbesserung wurde nach dem anderen gegangen. Der Transfermarkt stellt nämlich Zutat Nummer drei dar.

Arsenal Chelsea Arteta

(Photo by Ryan Pierse/Getty Images)

Es begann mit Spielern wie Thomas Partey, Gabriel Magalhaes oder Martin Ödegaard, die wichtige Lücken füllten. Eine Saison später kamen Aaron Ramsdale, Ben White und Takehiro Tomiyasu dazu. Parallel dazu wurde ein William Saliba verliehen, um sich seinen Möglichkeiten entsprechend zu entwickeln. Jetzt ist der Franzose unangefochtener Stammspieler. Arsenal hat eines hervorragend verstanden, nämlich, dass nicht alles auf einmal zu revolutionieren ist. An einigen Stellschrauben gleichzeitig zu drehen, das ist möglich. Dann muss der Status quo aber neu erhoben werden, ehe zu schauen, was nachgebessert werden kann. 

Gabriel Jesus, Fabio Vieira, Oleksandr Zinchenko und Leandro Trossard gehörten zu den Ergänzungen der Saison 2022/23 und hievten Arsenal endgültig in die Phalanx der absoluten Topplayer in England. Weil es aber noch immer Mängel in der Breite gab und Arsenal weniger ausrechenbar sein wollte, kamen im Sommer diesen Jahres Kai Havertz, Declan Rice, David Raya und Jurrien Timber hinzu. Die Folge: In der letzten Saison konnte ein Arsenal in Bestbesetzung die Topteams schlagen. Dieses Jahr gilt das auch, wenn zwei, drei oder gar vier Schlüsselspieler fehlen. 

Chelsea-Stückwerk gegen ein gefestigtes Arsenal

Herrscht eine klare Zielsetzung, werden die Altlasten abgegeben und wird gleichzeitig strategisch gut und idealerweise auch noch nachhaltig eingekauft, sind die Grundvoraussetzungen geschaffen, um den Spielstil zu verfeinern. Klar, während der gesamten Dauer des Umbruchs wird an der Art und Weise, wie ein Team spielen will, getüftelt. Die neuen Spieler saugen auf, was der Trainer der Mannschaft mit auf dem Weg gibt. Zunächst Basics, dann Feinheiten. Besteht die Grundstruktur im Kader, dann wird die absolute Detailarbeit erledigt. Natürlich immer mit der Frage im Hinterkopf, welche bisher getätigten Veränderungen auch weiterhin zum Erfolg beitragen, damit gegebenfalls gegengesteuert werden kann.

Arsenal hat diese ganzen Gedankenspiele bereits abgeschlossen, hat im Sommer dafür gesorgt, dem Kader noch einmal neue Impulse zu verleihen. Funktioniert Plan A nicht, gibt es mehr Wege, Spiele zu gewinnen. Kein Wunder, dass Arsenal in der Liga noch komplett ungeschlagen ist. Es steht eine Einheit auf dem Platz, die von den Fans angetrieben und vom Trainer zu Höchstleistungen gepusht wird. Der interne Konkurrenzkampf drückt dabei nicht auf die Stimmung, die Charaktere im Team passen zueinander. Und genau deswegen sind die Gunners gegen den vor dem Spieltag Eltfplatzierten der Premier League auch der Favorit.

Chelsea Arsenal

(Photo by Matt McNulty/Getty Images)

Streng genommen steht Chelsea nämlich aktuell da, wo der Konkurrent aus der Hauptstadt einige Monate nach der Amtsübernahme von Arteta stand. Einige Dinge wurden richtig gemacht, der Trainer scheint die Notwendigkeit einer Veränderung der Gesamtstruktur erkannt zu haben und dennoch ist es noch ein weiter Weg, bei dem auch Faktoren, die nicht beeinflussbar sind, eine Rolle spielen. Entscheidet sich Spieler X für den Klub und wenn nein, wie lautet der Plan B? Wie wird mit Verletzungen umgegangen? Wie können Spieler ihre Akklimatisierungsphase so erfolgreich wie möglich bestreiten? Auf all diese Fragen muss sich Chelsea vorbereiten, Antworten zurechtlegen.

Zunächst braucht es aber Antworten am Samstagabend. Noch immer ist das Spiel der Blues fragil, mit Rückschlägen kann die Mannschaft nicht so gut umgehen wie die Arteta-Elf. Es braucht eine Portion Spielglück, einen guten Plan für dieses eine Spiel, der möglicherweise auch von dem abweicht, was langfristig der Zielsetzung entspricht. In einer Partie kann es Chelsea nämlich durchaus schon schaffen, auf Augenhöhe zu agieren. Was die Gesamtparameter angeht, trennen beide im Fußballkosmos noch Welten. Um den Abstand zu verringern, muss die Pochettino-Elf wohl oder übel von Arsenal lernen.

(Photo by Ryan Pierse/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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