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FC Chelsea: Mit dem Projekt „Jugend forscht“ zur neuen Blues-DNA?

20. Oktober 2023 | Spotlight | BY Steven Busch

Unter Neu-Coach Mauricio Pochettino ist der FC Chelsea durchwachsen in die Premier-League-Saison 2023/24 gestartet und rangiert derzeit lediglich auf dem elften Tabellenplatz. Dennoch haben die „Blues“-Verantwortlichen die Probleme der Vergangenheit erkannt und wollen mit dem Projekt „Jugend forscht“ eine neue DNA entwickeln.

FC Chelsea: Unvermeidbarer Umbruch nach erfolgreicher Abramovich-Ära

Am 29. Mai 2021 sorgte Kai Havertz im Estadio do Dragao zu Porto für frenetischen Jubel, denn der 1:0-Siegtreffer des deutschen Nationalspielers gegen das favorisierte Manchester City öffnete die Tür zum zweiten Champions-League-Triumph des FC Chelsea nach 2012 – Stichwort: „Finale dahoam“. Seit diesem glanzvollen Abend in der portugiesischen Hafenstadt ereignet sich beim 1905 gegründeten Klub aus London innerhalb kürzester Zeit ein fundamentaler wie unvermeidbarer Umbruch. Beleg gefällig? Von der erfolgreichen Endspiel-Startelf streifen lediglich drei Akteure (Thiago Silva, Ben Chilwell und Reece James) noch das traditionsbehaftete blaue Trikot über.

(Photo by Manu Fernandez – Pool/Getty Images)

Überdies endete nach 19 Jahren (1. Juli 2003 bis 30. Mai 2022), begründet durch staatliche Sanktionen gegen russische Oligarchen infolge des Angriffskrieges auf die Ukraine, die Regentschaft des omnipräsenten Milliardärs Roman Abramovich. Als Nachfolger schwingt seitdem der nicht weniger finanziell potente 50-jährige US-Amerikaner Todd Boehly mit dessen Konsortium BlueCo das Zepter des Vereins. Unter dem neuen Besitzer blieb der sportliche Erfolg jedoch bislang aus und die vergangene Premier-League-Spielzeit wurde auf dem indiskutablen 12. Platz – inklusive 16 (!) Niederlagen im englischen Oberhaus – abgeschlossen. In unmittelbarer Konsequenz verpasste der ambitionierte Klub erstmals seit 2016/17 das internationale Geschäft.



Im Sommer präsentierten die Funktionäre den Fans an der altehrwürdigen Spielstätte Stamford Bridge einen neuen Übungsleiter – Mauricio Pochettino. Unter dem 51-jährigen Argentinier bilanziert der FC Chelsea allerdings bislang weiterhin bescheidene Resultate und rangiert derzeit auf Rang elf. Bereits drei Niederlagen in acht Begegnungen stehen für den sechsfachen englischen Meister zu Buche. Viel zu wenig für die hohen Ansprüche der Vereinsoberen. Negativ potenziert durch etliche Rekonvaleszenten (Fofana, Nkunku, Lavia etc.) taumeln die „Blues“ wankelmütig durch das fußballerische Alltagsgeschäft.

FC Chelsea – Routiniers als Kitt des Projekts „Jugend forscht“

Einige Profis – stellvertretend Moisés Caicedo, Mykhaylo Mudryk oder Weltmeister Enzo Fernández – können zudem die Vorschusslorbeeren nicht (vollends) bestätigen und werden, durch die an astronomische Ablösesummen verknüpfte Erwartungshaltung, förmlich erdrückt. In der jüngeren Vergangenheit verpflichtete der FC Chelsea naiv wie blauäugig zumeist klangvolle Namen ohne großen Wiederverkaufswert. Trotz des anvisierten Umbruchs und der Neuorientierung – vermeintliches Motto des Projekts: „Jugend forscht“ – sind hohe Ausgaben für das kickende Personal weiter evident. 462,10 Millionen Euro investierte der Verein allein im zurückliegenden Sommer für frische Kräfte.

(Photo by George Wood/Getty Images)

Durch massive Transferaktivitäten auf der Zu- wie Abgangsseite (Saldo: -195,10 Millionen Euro) reduzierte sich das Durchschnittsalter des Kaders auf 23,1. Damit stellen die „Blues“ das mit Abstand jüngste Ensemble der Premier League. Wenige routinierte Stützen wie Raheem Sterling oder das 39-jährige brasilianische Innenverteidiger-Urgestein Thiago Silva unterstützen die zahlreichen hochbegabten Talente in ihrer Entwicklung. Der progressive Ansatz respektive Prozess mit unerfahrenen Profis benötigt jedoch Zeit und impliziert etwaige Rückschläge.

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Beim Blick auf die nackten Zahlen lässt sich jener prophezeite steinige Weg unter dem neu installierten Chefcoach Pochettino erahnen. Doch trotz in Summe vermeintlich magerer elf Punkte aus acht Premier-League-Partien gibt es auch Lichtblicke rund um das Trainingsgelände in Cobham.

FC Chelsea – Rückkehr zum „Blues“-Bollwerk?

Da wäre zuvorderst der aktuelle sportliche Trend. Wenngleich nicht die größten Kaliber konnte der FC Chelsea zuletzt zwei Auswärtssiege in der Beletage des englischen Fußballs im West-London-Derby beim FC Fulham (2:0) und im Gastspiel bei Aufsteiger FC Burnley (4:1) einfahren. Zudem offenbaren die „Blues“ in der Saison 2023/24 ihre traditionellen Bollwerk-Fähigkeiten. Mit erst sieben Gegentreffern stellt die veranlagte Belegschaft, welche das von Pochettino favorisierte 4-3-3-System zunehmend verinnerlicht, nach den Titelaspiranten Manchester City sowie Stadtrivale FC Arsenal (jeweils sechs Gegentore) die bislang drittbeste Defensive der Eliteklasse.

(Photo by Bryn Lennon/Getty Images)

Auf individueller Ebene verkörpern exemplarisch Eigengewächs Levi Colwill, Cole Palmer, Nicolas Jackson oder bereits erwähnter Mudryk – nach seinem 70-Millionen-Euro-Transfer im Januar unlängst beim FC Fulham mit dem ersten Treffer im Trikot des neuen Arbeitgebers – den strategischen Kurswechsel des FC Chelsea. Allesamt haben zudem ihr volles Potenzial längst nicht erreicht beziehungsweise können es noch nicht konstant abrufen.

Auch im statistischen Bereich lässt sich eine fußballerische Renaissance des Klubs in der Saison 2023/24 belegen. Unter Pochettino möchten die „Blues“ das Spielgeschehen wieder aus Eigeninitiative heraus diktieren. 63,5 Prozent Ballbesitz werden nur vom amtierenden Meister Manchester City knapp überboten (64,5 Prozent). Mit dieser Zahl liegen die Londoner zudem deutlich über dem vereinsspezifischen Vorjahreswert von 58,5 Prozent. In puncto Passgenauigkeit (88,7 Prozent angekommene Zuspiele) wird das Ensemble nur von Brighton & Hove Albion sowie abermals den „Guardiola-Cityzens“ übertrumpft.

In schöner Regelmäßigkeit berauscht sich der FC Chelsea jedoch über die Maßen an der optischen Überlegenheit und verliert die Stringenz in Richtung des gegnerischen Tores. 13,9 Schüsse pro 90 Minuten sind biederer Premier-League-Durchschnitt. Schlussendlich sieht Trainer Pochettino seine Mannschaft respektive das Projekt „Jugend forscht“ aller Unwägbarkeiten zum Trotz auf einem guten Weg und konstatiert bereits signifikante Fortschritte hinsichtlich der anvisierten frischen wie nachhaltigen „Blues“-DNA. Im Nachgang des 4:1-Erfolges beim FC Burnley ließ sich der ehemalige Abwehrspieler (unter anderem Espanyol Barcelona, Girondins Bordeaux, Paris Saint-Germain) wie folgt zitieren:

Mit der Zeit und den richtigen Maßnahmen können wir das bekommen, was wir brauchen, um stabiler zu werden und den Spielern die Möglichkeit zu geben, Leistung zu bringen. Wir sind auf einem guten Weg. Auch wenn wir keine guten Ergebnisse erzielt haben, waren wir zuversichtlich. Es wird positiv sein, es wird gut sein.

(Photo by Matt McNulty/Getty Images)

Steven Busch

Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.


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