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Tottenham: Fragen und Antworten zum Conte-Beben

27. März 2023 | Trending | BY Manuel Behlert

Tottenham Hotspur hat sich am Sonntagabend offiziell von Trainer Antonio Conte getrennt. Das war das Resultat einiger Differenzen, die am letzten Spieltag vor der Länderspielphase ihren Höhepunkt fanden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Conte-Beben. 

Am späten Sonntagabend veröffentlichten die Tottenham Hotspurs eine Pressemitteilung. In den sozialen Medien war karg von einem „Club announcement“ die Rede. Der Inhalt dieser Mitteilung kam am Ende nicht mehr überraschend, denn die Trennung von Trainer Antonio Conte (52) vor dem Endspurt der Saison 2022/23 wurde offiziell bekannt gegeben.



Conte und Tottenham: Was waren die Gründe für die Trennung?

Es gab weder nur den einen Grund für die Entlassung des italienischen Trainers, noch gab es eine Person, die allein dafür verantwortlich zu machen ist, dass es zwischen Conte und den Spurs nicht richtig funktionierte. Das Arbeitsumfeld im Norden Londons ist seit jeher nicht das einfachste. Der Klub hat große Ambitionen, ist finanziell nach dem Bau des neuen Stadions aber eingeschränkt. Präsident Daniel Levy (61)  hat seine Eigenheiten und ließe sich guten Gewissens als sturer Mensch bezeichnen. Möglichkeiten zur Aneckung mit dem exzentrischen Trainer gab es also einige.

Und in der Tat war die Amtszeit des Italieners bei den Spurs ein Schauspiel in mehreren Akten. Conte forderte Verstärkungen, wollte den Kader nach seinem Gusto verändern. Levy gestattete dem Italiener zwar einige neue Spieler, den größeren Investitionen stimmte er aber nur zähneknirschend zu. Es entstand nie das Gefühl, dass im Klub alle handelnden Personen am gleichen Strang ziehen. Das wusste der Trainer für sich zu nutzen, gab über die Medien mehrfach bekannt, dass seine Zukunft über den Vertrag 2023 hinaus noch unsicher ist, weil ohne die notwendigen Maßnahmen eine gewisse Stagnation drohen würde.

Conte

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

Jeder Klub weiß, welchen Trainer er bekommt, wenn Antonio Conte unterschreibt. Dass er seine Spielchen auch bei den Spurs spielen würde, um seine Interessen durchzusetzen, stand außer Frage. Wenn ihn jedoch eines auszeichnet, dann, dass er jeder Mannschaft binnen weniger Monate ein gutes Grundgerüst mit auf den Weg geben kann. Was bei Teams wie Chelsea und Inter funktionierte, gelang bei Tottenham nicht. Die Konstanzdellen blieben, schwache Leistungen gab es immer wieder und gerade in den Duellen mit den großen Teams bleiben die Spurs häufig zweiter Sieger.

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Der Dissens mit Levy, die fehlende sportliche Entwicklung und die fragwürdige Kommunikation haben die Entlassung also eingeleitet. Der Italiener selbst hatte aber einen großen Anteil daran, dass die Trennung schon jetzt und nicht zum Saisonende vollzogen wurde. Nach dem 3:3 gegen Southampton platzte ihm mit Aussagen wie „Sie sind es hier genau so gewohnt. Sie spielen nicht um etwas Wichtiges. Sie wollen nicht unter Druck spielen. Sie wollen nicht unter Stress spielen. Die Geschichte von Tottenham ist so. 20 Jahre ist der Besitzer da und sie haben nie etwas gewonnen. Warum?“ der Kragen. Nach dieser Wutrede, einem Rundumschlag, standen die Zeichen auf sofortige Trennung.

Ist die Entscheidung des Klubs die richtige?

Ja. Ohne die angesprochene Wutrede hätte zumindest über den Zeitpunkt der Entscheidung diskutiert werden müssen. Mit dem Angriff des Trainers sowohl auf die Verantwortlichen, die Eigentümer und auch die Spieler, die er als egoistisch bezeichnete, war das Tischtuch endgültig zerschnitten. Intern deutete ohnehin vieles darauf hin, dass am Saisonende Schluss sein würde und das Verhältnis zwischen dem Kader und dem Trainer galt nicht als herausragend. Somit fiel die Entscheidung nicht besonders schwer.

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Im Gegenteil: Vielleicht sorgt die Entlassung und die nun zumindest nicht größer werdende Unruhe noch einmal für etwas Schwung. Die Köpfe der Spieler könnten wieder freier sein, was angesichts der aktuellen Situation in Kampf um die Top-Four von Vorteil sein dürfte. Tottenham steht auf dem begehrten vierten Platz, hat aber Newcastle, Liverpool und Brighton im Nacken, die allesamt noch Nachholspiele absolvieren müssen.

Wer übernimmt nun das Amt des Cheftrainers?

Tottenham hat sich dazu entschieden, dass Cristian Stellini (48) vorübergehend das Zepter in der Hand hält. Unterstützt wird er von Ryan Mason (31). Stellini war unter Conte bereits Co-Trainer bei Inter, unterschrieb gemeinsam mit ihm bei den Spurs. In der Pressemitteilung wurde der Italiener, der in seiner Karriere unter anderem für Genua und Bari spielte, als Lösung bis zum Ende der Saison angekündigt.

Erfahrungen als Cheftrainer hat er indes nur wenige. Die U19 von Genua coachte Stellini von 2015 bis 2017, im gleichen Jahr war er Trainer von Alessandria, holte in 16 Partien aber nur einen Punkteschnitt von 0,94. Ihm wird aber ein gutes Verhältnis zur Mannschaft nachgesagt, was für die tägliche Arbeit ohne eine konkrete Vorbereitung zur Einübung taktischer Inhalte sicher kein Nachteil ist. 

„Wir haben noch 10 Spiele in der Premier League und kämpfen um einen Platz in der Champions League. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Jeder muss seinen Beitrag leisten, um das bestmögliche Ergebnis für unseren Klub und unsere fantastischen, treuen Fans zu erreichen“, zeigte sich Daniel Levy entsprechend optimistisch.

Tottenham: Wer wird langfristig der Nachfolger von Conte?

Vieles deutet also darauf hin, dass ein neuer Trainer, der die langfristige Conte-Nachfolge übernimmt, erst zur neuen Saison seine Arbeit aufnimmt. Das heißt aber nicht, dass dieser Trainer nicht schon in Kürze einen Vertrag bei den Engländern unterschreibt. Da sich der Abgang Contes zumindest für den Sommer andeutete, machten sich die Verantwortlichen viele Gedanken über potenzielle Nachfolger. Oliver Glasner (48) von Eintracht Frankfurt ist einer der Kandidaten, zu denen es offenbar schon eine Kontaktaufnahme gab. Auch Thomas Tuchel (49) stand auf der Liste, unterschrieb aber nun beim FC Bayern.

Und genau dieser Aspekt ist interessant. Durch die Beurlaubung von Julian Nagelsmann (35) beim Rekordmeister ergab sich eine neue Option für die Spurs. Nagelsmann benötigt nämlich offenbar keine lange Pause, ist voller Tatendrang und kann sich ein Engagement in England vorstellen. Erste Gespräche sollen bereits geplant sein. Daneben geistert auch der Name Mauricio Pochettino (51) permanent rund um den Norden Londons. Eine zweite Amtszeit des Argentiniers bei den Spurs gilt nicht als komplett unwahrscheinlich, vor allem, weil sich die Gerüchte seit Wochen und Monaten halten. 

Wahrscheinlich ist, dass die Verantwortlichen die Zeit nun nutzen werden, um intensivere Gespräche mit den Topkandidaten zu führen. Anschließend wird eine Entscheidung fallen. Und bei den Spurs hoffen alle, dass der nächste Trainer endlich wieder für Ruhe im Verein sorgt.

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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