Spotlight

„Final Whistle“: Das fehlt dem FC Arsenal zum Titel

29. Dezember 2023 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Der FC Arsenal hat sich zu einem ernsten Titelanwärter entwickelt, hat aber ein großes Manko. Was, das verrät Chris McCarthy in seiner Premier-League-Kolumne „Final Whistle“. 

Arsenal: Dominanz, aber keine Tore

Der FC Arsenal hat ein gewaltiges Problem: Die Gunners schießen mit Platzpatronen. Am Donnerstag verspielte das Team von Mikel Arteta beim 0:2 gegen West Ham aus diesem Grund  – nicht zum ersten Mal – wichtige Punkte im Kampf um den Titel.



Dabei spielten die Nordlondoner die Hammers 90 Minuten an die Wand: 71 Prozent Ballbesitz, 30:6 Abschlüsse und 2,79 zu 1,6 expected Goals. Es war die pure Dominanz. Doch was bringt Dominanz, wenn man sie nicht in Tore ummünzen kann?

Kein Team der Premier League hatte seit Datenerfassung (2008) in einem Spiel so viele Ballkontakte (77) im gegnerischen Strafraum, ohne ein Tor zu erzielen. Sicher, das Glück war Arsenal an diesem Tag nicht hold. Zwei Schüsse gingen ans Aluminium, der Rückstand war strittig.

Und dennoch entblößte dieses Spiel schonungslos die Defizite im Angriffsdrittel: Kein Team der Top fünf hat nach 19 Spielen weniger Tore erzielt (36).

Mehr News und Storys rund um die Premier League

Arsenal fehlt ein Vollstrecker

Dabei hat Arsenal im Vergleich zur Vorsaison einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Damals ging den Gunners im Titelkampf mit Manchester City die Puste aus. Das war absehbar. Der Kader war für einen Marathonlauf mit einer der besten Mannschaften in der Geschichte des Sports nicht bereit. Er war zu dünn, zu unerfahren. Und: zu wild. Im Sommer wurden all diese Punkte adressiert. Letzteres, indem Arteta nun einen anderen Fußball spielen lässt.

Die Spiele der Gunners sind zwar nicht mehr so mitreißend wie in der Vorsaison, dafür deutlich kontrollierter. Gegner werden erdrückt, ihnen mit langen Ballbesitzphasen die Luft ausgesaugt. Ähnlich wie ManCity. Anders als ManCity aber fehlt zu oft der Gnadenstoß. Denn Arsenal hat keinen kaltschnäuziger Vollstrecker der Marke Erling Haaland im Sturmzentrum. Im Gegenteil: Kein Gunner hat mehr als fünf Tore auf dem Konto. Haaland dagegen hat 14 (in 15 Spielen), Liverpools Mohamed Salah zwölf. Arsenals Speerspitze ist stumpf: Gabriel Jesus hat lediglich dreimal das Tor getroffen.

Dabei war der Brasilianer vor 18 Monaten der perfekte Transfer für eine Mannschaft, die die Transition zu einem Titelanwärter machen wollte. Seine fußballerische Klasse, sein Arbeitspensum hievten die Offensive auf ein neues Level. Das Problem? Arsenal hat sich zu schnell weiterentwickelt. Denn für eine Mannschaft, die den Titel tatsächlich auch holen will, fehlt Jesus die Effizienz.

In 199 Premier-League-Spielen hat der feine Techniker mit der leidigen Mine 25,24 Tore weniger (!) erzielt als er gemessen an expected Goals eigentlich hätte müssen – 72. Zum Vergleich: Haaland (+12,99) und Salah (+10,09) treffen häufiger als sie eigentlich dürften.

Mikel Arteta (FC Arsenal)

(Photo by HENRY NICHOLLS/AFP via Getty Images)

Arteta und Co. müssen kreativ werden

Sicher, ManCity hatte bei den beiden Meisterschaften vor Haaland auch keinen 20-Tore-Stürmer in den Reihen. 2020/21 aber gab es nicht die schlagfertige Konkurrenz, der Arsenal heute begegnet, und 2021/22 produzierten die Cityzens trotzdem 99 Tore. Davon sind die Gunners bei hochgerechneten 72 Treffern derzeit meilenweit entfernt: Bukayo Saka (5 Tore) wird jedes Spiel mindestens gedoppelt, Gabriel Martinelli (2 Tore) hinkt seiner Vorjahresform gewaltig hinterher und Eddie Nketiah (5 Tore) bietet für das Gesamtspiel deutlich zu wenig. Also was nun?

Das fehlende Puzzleteil im Sturm wäre ein Victor Osimhen. Seine Verpflichtung wäre nach der Vertragsverlängerung (samt Ausstiegsklausel) – wenn überhaupt – allerdings wohl erst im Sommer zu realisieren. Für B-Lösungen wie Ivan Toney (Brentford, aktuell gesperrt / letzte Saison 20 Tore) oder Dominik Solanke (Bournemouth / aktuell bei 12 Toren) müsste man im Winter deutlich über Wert zahlen. Hinzu kommen Limitierungen durch das Financial Fair Play und die Gefahr, im Sommer nicht das nötige Kleingeld für den Wunschspieler übrig zu haben.

Der FC Arsenal muss also kreativ werden und kompromissbereit sein. Auf dem Transfermarkt – sei es ein unbekannterer Stürmer oder vielleicht sogar ein torgefährlicher Flügelspieler. Und auf dem Reißbrett, um mehr Torgefahr zu entwickeln, ohne die Stabilität zu opfern. Denn so überzeugend die Entwicklung der Gunners unter Mikel Arteta auch ist, so fragil und selten sind die Titelfenster in der Premier League.

Chris McCarthy

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


Ähnliche Artikel