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Fabian Hürzeler und Brighton – Ein Match made in Heaven?

14. August 2024 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Mit Fabian Hürzeler (31) hat im Sommer der jüngste Trainer in der Geschichte der Premier League den Cheftrainerposten bei Brighton & Hove Albion übernommen. Die Seagulls gehen damit durchaus ein Wagnis ein, gerade wenn man die nicht gerade geringe Ablösesumme von 7,5 Millionen Euro bedenkt, die nötig war, um den Deutsch-Amerikaner vom FC St. Pauli loszueisen.

Doch für den Trainer dürfte dieser Schritt der goldrichtige sein. Nicht nur ist Brighton dafür bekannt, Trainern lange Zeit zu geben, sondern auch sportlich passt er zum Verein an der Südküste Englands. Im Folgenden wollen wir erläutern, wie Hürzeler spielen lassen will und wie gut die Spielweise nach Brighton passt:

Fabian Hürzeler – Mit dem Ball dominant, ohne Ball stabil

Der Deutsch-Amerikaner steht für eine klare Spielphilosophie. Seine Mannschaften sollen mit dem Ball ebenso kreativ wie dominant auftreten, ohne dabei die defensive Stabilität aus den Augen zu verlieren. So hatte der FC St. Pauli in der letzten Saison auf der einen Seite den zweithöchsten Ballbesitz (57,2%) und die beste Passquote (85,4%) der Liga, auf der anderen Seite auch die beste Abwehr, sowohl was die Gegentore wie auch die erwarteten Gegentore betraf.



Offensiv löste Brighton sehr viele Situationen mit gutem Passspiel auf, nur sehr selten mussten die Spieler in Dribblings gehen (nur die neuntmeisten Dribblings der Liga) oder gar lange Bälle spielen. Diese Spielweise mit dem Ball hatte sich Hürzeler sehr von seinem Vorgänger in Brighton abgeschaut – Roberto De Zerbi (45). Immer wieder wird in den Druck hinein gespielt, der Gegner dazu verleitet, ins Pressing zu gehen. Dieses wird dann durch schnelle Flachpasskombinationen überspielt, weshalb konterähnliche Situationen entstehen.

Gegen den Ball ist Hürzeler hingegen deutlich konservativer als sein Vorgänger. Pressing ja, aber nicht überspielen lassen. Vor allem beim Gegenpressing legt es Hürzeler sehr darauf an, schnell genug Spieler hinter dem Ball zu haben. Die Konterabsicherung ist wichtiger als der direkte Ballgewinn. Folgerichtig ließ St. Pauli in der abgelaufenen Saison mit 9,5 die mit Abstand wenigsten Schüsse pro 90 Minuten zu (Platz 2: 11,6 Schüsse/90 Minuten).

Ruhende Bälle als wichtige Stärke

Ein Punkt, der erstmals seit Aufstiegstrainer Chris Hughton (65) wieder eine größere Rolle bei Brighton spielen dürfte, sind Standardsituationen. Der Ire hat damals mit einem sehr altertümlichen Fußball zweimal die Klasse gehalten. Bereits in der Vorstellungs-Pressekonferenz, aber auch danach betonte Hürzeler immer wieder die Wichtigkeit von ruhenden Bällen. Ausdrücklich mitgemeint sind dabei auch Einwürfe.

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Folgerichtig entließ Brighton noch vor der Vorbereitungsreise nach Japan den bisher für die Standardsituationen verantwortlichen Co-Trainer Nick Stanley (34), der inzwischen bei Norwich City arbeitet. Jonas Scheuermann (38), den Hürzeler vor allem für das Eintrainieren neuer Eckballvarianten mit nach Brighton brachte, konnte auch bereits in der Vorbereitung erste Erfolge feiern. So fielen in beiden Tests auf der Vorbereitungstour in Japan jeweils ein Treffer nach einem Eckball. Entsprechend freute sich Scheuermann auch ausgiebig.

Kader gut vorbereitet

Der Kader passt dabei optimal zur Spielidee von Hürzeler. Das liegt vor allem daran, dass sich der Trainer wie bereits angesprochen große Teile seiner grundsätzlichen Spielidee mit dem Ball von seinem Vorgänger als Coach von Brighton, De Zerbi, abgeschaut hat. Die Spieler kennen die Art, wie Hürzeler spielen lassen will, also schon recht gut.

Für die Anpassungen, die Hürzeler vor allem in der Formation gegenüber De Zerbi vornehmen dürfte – der Italiener spielte am liebsten im klassischen 4-2-3-1 -, hat Brighton auch bereits vorgesorgt. Nur fünf Tage nach dem Amtsantritt des Deutsch-Amerikaners verpflichteten die Seagulls den perfekten Spieler für die Rolle als Verbindungsspieler zwischen Innenverteidigung und Mittelfeld: Mats Wieffer (24).

Mats Wieffer wird eine Schlüsselrolle in Brighton einnehmen

(Photo by Warren Little/Getty Images)

Der Niederländer kam für 30 Millionen Euro von Feyenoord Rotterdam. Wieffer kann sowohl im defensiven Mittelfeld als auch in der Innenverteidigung spielen, ist taktisch sehr diszipliniert, gegen den Ball hervorragend und mit gutem Passspiel ausgestattet. Er dürfte ein absoluter Schlüsselspieler von Hürzeler werden.

Anders als noch in Deutschland agierte das Team in den ersten Vorbereitungsspielen in einer neuen Grundformation. Gegen den Ball stand man in einem klassischen 4-4-2. Mit Ball schob einer der Außenverteidiger hoch, der andere ins Zentrum. Dazu ordneten sich die zentralen Mittelfeldspieler voreinander an. So entwickelte sich ein 2-1-2-5 Aufbau.

Außenverteidiger essentiell

Diese Möglichkeit hat Hürzeler, da Brighton auf der Außenverteidigerposition perfekt für diesen Spielstil aufgestellt ist. Auf der rechten Seite hat man trotz des Abgangs von Pascal Groß (33) zu Borussia Dortmund – der deutsche Nationalspieler wäre wohl vor allem auf dieser Position zum Einsatz gekommen, da ihm die physische Komponente fehlt, die Hürzeler im Mittelfeld haben will – eine Vielzahl an gelernten Mittelfeldspielern. Besonders zu nennen sind hier Jack Hinshelwood (19) und James Milner (38), aber auch das Eigengewächs Andrew Moran (20) wurde in der Vorbereitung hier aufgestellt und machte seine Sache ordentlich.

Auf der linken Seite zeigte sich Valentin Barco (20) in der Vorbereitung von seiner besten Seite. Der junge Argentinier kam im letzten Winter aus seiner Heimat nach Brighton, musste sich unter De Zerbi jedoch noch hinter Pervis Estupinan (26) anstellen. In der neuen Saison dürfte der Zeitkampf um den Platz deutlich umkämpfter sein. Zum einen hat sich Barco inzwischen an das Tempo der Premier League gewöhnt, zum anderen ist Estupinan – einer der besten Linksverteidiger der Liga – im letzten Jahr sehr oft verletzt gewesen und scheint etwas an Tempo verloren zu haben. Dazu ist Barco ein hervorragender Eckenschütze, das könnte letztlich den Ausschlag für ihn geben.

Pedro mit dem nächsten Schritt?

Offensiv ist Brighton inzwischen sehr breit aufgestellt. Gab es in der letzten Saison noch regelmäßig große Probleme aufgrund verletzungsbedingter Ausfälle vor allem auf dem Flügel, sind nun alle offensiven Positionen gleich mehrfach stark besetzt. Im Gegenteil, durch gleich drei Neuverpflichtungen und zwei Leihrückkehrer dürfte noch der ein oder andere Spieler den Verein verlassen. Gerade den Talenten Ibrahim Osman (19) – der bereits kurz vor einer Leihe zu Feyenoord Rotterdam steht – oder Amario Cozier-Duberry (19) könnte eine Leihe gut tun. Facundo Buonanotte (19) wurde am vergangenen Wochenende bereits zum Ligakonkurrenten Leicester City verliehen.

Ein ganz wichtiger Spieler im System Hürzelers dürfte Joao Pedro (22) werden. Der Brasilianer kam 2023 als Rekordeinkauf aus Watford und hat bereits in seiner ersten Saison gut geliefert. Wettbewerbsübergreifend traf Pedro starke 20 Mal. Und das, obwohl er selbst einige Zeit verletzt fehlte und aufgrund der vielen anderen Ausfälle zu oft auf für ihn nicht optimalen Positionen ran musste. Aufgrund der angesprochenen dazugewonnenen Breite wird Pedro nun durchgängig im Sturmzentrum aufgeboten werden.

Joao Pedro dürfte unter Hürzeler den nächsten Schritt machen

(Photo by Bryn Lennon/Getty Images)

Der Brasilianer ist dabei der perfekte Stürmer für den neuen Trainer. Der Nationalspieler vereint so ziemlich alle Fähigkeiten, die man sich von einem Offensivspieler wünscht. Er ist technisch stark, hat einen guten Abschluss, ist durch seine Größe (1,88 Meter) auch im Zweikampf durchaus gut. So ist er sehr schwer vom Ball zu trennen. Durch sein gutes Passspiel findet Pedro auch immer wieder seine Nebenleute. Das Gesamtpaket rundet eine hohe Geschwindigkeit ab.

Und so ist er perfekt als Mittelmann zwischen den dribbel- und abschlussstarken Flügelspielern Yankuba Minteh (20) und Kaoru Mitoma (27) und dürfte in der neuen Saison den nächsten Schritt machen. Vielleicht kann er sogar ein Wörtchen im Kampf um die Torjägerkrone mitsprechen.

Weitere Neuzugänge geplant

Und noch ist das Transferfenster ja nicht geschlossen. Brighton ist nach wie vor auf der Suche nach der ein oder anderen Verstärkung. Für die Innenverteidigung ist vor allem Mats Hummels (35) im Gespräch. Den Weltmeister von 2014, dessen Vertrag in Dortmund im Sommer auslief, kennt Hürzeler persönlich aus seiner Zeit in München, der Trainer versucht im Moment, Hummels von einem Engagement in Brighton zu überzeugen. Der Transfer gilt jedoch als eher unwahrscheinlich, da Hummels zum einen wohl (zu) viel Gehalt verlangt, zum anderen Brighton bereits fünf Innenverteidiger auf Erstliganiveau im Kader hat, von denen Stand jetzt niemand den Verein verlassen wird.

Auf den Außenverteidigerpositionen ist der Wunschspieler Ferdi Kadioglu (24). Der türkische Nationalspieler ist sehr variabel, kann auf beiden Seiten verteidigen und auch im Mittelfeld spielen und wäre somit der perfekte einrückende Außenverteidiger für Hürzelers System. Laut einigen Medien kam es bereits zu einer Einigung. Die Tatsache, dass Kadioglus bisheriger Verein Fenerbahce am gestrigen Dienstag in der Qualifikation zur Champions League gegen Lille ausschied (2:3) dürfte einen Transfer nochmal deutlich wahrscheinlicher machen. Im Mittelfeld ist der aktuell gehandelte Kandidat Matt O’Riley (24). Der in England geborene dänische Nationalspieler ist derzeit bei Celtic unter Vertrag. Der ärgste Konkurrent um den Spieler ist Atalanta Bergamo, O’Riley würde aber wohl die Premier League der Serie A vorziehen.

Ein Transfer, der bereits unmittelbar bevor steht ist der von Brajan Gruda (20). Der hochtalentierte Offensivspieler soll aus Mainz nach Südengland kommen, mit dem Spieler ist man sich laut mehreren Quellen bereits einig. Gruda passt ebenfalls perfekt in das System Hürzelers. Gegen den Ball dürfte der Deutsche als hängende Spitze neben oder hinter Pedro agieren, im Spiel mit dem Ball rückt er dann in den rechten Halbraum zwischen Minteh und Pedro. Dort fühlt sich das Megatalent am wohlsten.

(Photo by Masashi Hara/Getty Images)

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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