Jürgen Klopp hört in Liverpool auf: Echte Liebe auf Englisch
31. Januar 2024 | Spotlight | BY Philipp Overhoff
Es ist sein vorerst letzter Tanz. Im Sommer wird sich Jürgen Klopp nach fast neun Jahren beim FC Liverpool eine Auszeit vom Trainer-Dasein nehmen. Dabei prägte er den Klub von der Anfield Road wie kaum ein Coach zuvor.
Jürgen Klopp – Das Gesicht eines Weltvereins
Als Jürgen Norbert Klopp im Oktober 2015 beim FC Liverpool aufschlug und ein kriselndes Reds-Team auf Tabellenplatz zehn übernahm, da rechneten wohl nur die kühnsten Optimisten damit, dass der Schwabe mit dem etwas eigenwilligen Kleidungsstil beim Welt-Klub von der Anfield Road eine der erfolgreichsten Ären in der Vereinsgeschichte prägen würde. Doch genau das sollte er tun. Und wie er das tat.
Schon bei seiner Vorstellungs-PK eroberte Klopp alle Liverpooler Fan-Herzen im Sturm, als er den Mourinho-Claim „The special one“ humorvoll antagonisierte uns sich als „The normal one“ vorstellte. Seine offene und emotionale Art, seine Bodenständigkeit und sein zugegeben recht gebrochenes Englisch brachten ihm im kalten Norden des Königreichs ein schier unendliches Maß an Sympathie-Punkten ein. Von diesen sollte „Kloppo“ dann auch zehren, als es anfangs noch nicht gänzlich rund lief.
Die erste Spielzeit auf der Insel beendete der erst zweite deutsche Premier-League-Trainer nach Felix Magath auf einem durchwachsenen achten Platz. Doch die Art seines Auftretens, seine bereits damals klar erkennbare Spielphilosophie und zwei Finalteilnahmen im Ligapokal und in der Europa League sorgten dafür, dass der ursprünglich bis 2018 datierte Vertrag des Übungsleiters nur wenige Monate nach seiner Ankunft bis 2022 verlängert wurde.
Klopp macht Liverpool zum besten Team der Welt
Klopp verlor darauf hin keine Zeit und krempelte den Reds-Kader nach seinen Vorstellungen um, wie er dies einst beim BVB tat. Im Sommer 2016 tätigte der Trainer und Kadermanager in Personalunion einige für die nächsten Jahre richtungsweisende Transfers, holte Sadio Mané, Georginio Wijnaldum und Joel Matip in die Geburtsstadt der Beatles. Alle drei Spieler sollten beim LFC absolute Schlüsselrollen einnehmen.
Die Transferperiode, die den FC Liverpool dann endgültig zurück in den europäischen Fußball-Olymp hieven sollte, ereignete sich ein Jahr später. Im für nordenglische Verhältnisse äußerst heißen Sommer des Jahres 2017 tütete Klopp die Transfers von Virgil van Dijk, Mo Salah und Andrew Robertson ein. Außerdem machte er den jungen Trent Alexander-Arnold zum Stammspieler auf der Rechtsverteidiger-Position.
Mit dem neuen Spielermaterial war Klopp dann vollständig dazu in der Lage, den von ihm so heiß geliebten Heavy-Metal-Fußball spielen zu lassen. Eine absurd hohe Intensität, gepaart mit einem für den Gegner zermürbenden Gegenpressing und blitzschnellem Spiel in die Spitze machten die Reds zur Mannschaft mit dem vielleicht höchsten Wiedererkennungswert in ganz Europa.
Auch die Erfolge in Form von Titelgewinnen ließen danach nicht mehr lange auf sich warten: Champions-League-Sieger und Klub-Weltmeister 2019, englischer Meister 2020, Pokal- und Ligapokalsieger 2022. So liest sich die beeindruckende Trophäensammlung der jüngsten Liverpooler Vergangenheit. Dazu kommen noch zwei weitere Champions-League-Finals (2018 und 2022), sowie zwei Premier-League-Vizemeisterschaften mit der recht absurden Ausbeute von mehr als 90 Punkten.
Insbesondere zwischen 2018 und 2020 war die Mannschaft von Jürgen Klopp die wahrscheinlich beste Vereins-Fußballmannschaft auf diesem Planeten und machte den englischen Traditionsverein wieder zu der globalen Marke aus bereits verloren geglaubten Tagen.
Die Fußball-Welt verneigt sich vor Klopp
Von den Seinen geliebt, vom Rest der Welt, auch von den Rivalen, geachtet und maximal respektiert: Klopp wurde nach der Bekanntgabe seines Entschlusses aus der ganzen Fußball-Welt mit Hochachtung überschüttet. Der 56-Jährige sei „einer der aller, allerbesten Trainer weltweit und hat die Vereine auf all seinen Stationen auf eine besondere Art und Weise beeinflusst“, so Thomas Tuchel auf den Rücktritt seines Vorgängers in Mainz und Dortmund angesprochen.
Reds-Legende Jamie Carragher ging sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnete den Deutschen im Telegraph als „den geborenen Liverpool-Manager„. „Klopp ersetzen? Viel Erfolg dabei“, schrieb der frühere Innenverteidiger. Auch der als potenzieller Nachfolger gehandelte Xabi Alonso lobte Klopp in den höchsten Tönen: „Was Jürgen in Liverpool gemacht hat, verdient große Bewunderung und großen Respekt.“
Eine besonders spezielle Beziehung baute The normal one während seiner Zeit in England auch zu Pep Guardiola auf. Manchester City und der FC Liverpool lieferten sich in den letzten Jahren Meisterrennen auf einem Niveau, das die Premier League zuvor noch nie gesehen hatte. „Natürlich wird er vermisst werden. Es war für alle ein Schock“, sagte Guardiola nach dem 1:0-Sieg seiner Citizens im FA-Cup gegen die Spurs.
Die grandiosen Anhänger des LFC bereiteten Klopp schon beim Pokalspiel gegen Norwich City ein vorläufiges Abschiedsfest. Mit Gesängen und Plakaten à la „Jürgen, please stay“ brachten die Zuschauer ihre Bewunderung für den Erfolgstrainer zum Ausdruck. Eines ist dabei so sicher wie der Bierkonsum in Liverpooler Pubs: Die Reds-Fans werden Kloppo in den nächsten Monaten eine gigantische Abschiedstournee bescheren.
Klopp ersetzen? Viel Erfolg dabei!
Bei aller, natürlich mehr als berechtigten, Huldigung für den Kult-Coach lohnt es sich, noch einmal auf die Aussagen von Jamie Carragher zu blicken. Wer soll Jürgen Klopp bei Liverpool eigentlich ersetzen? Und wie zur Hölle soll das überhaupt möglich sein? Selten zuvor hat ein Trainer bei einem Verein so große Fußstapfen hinterlassen, wie es der Schwabe am Mersey River getan hat.
Ein Name liegt dabei natürlich sofort auf der Hand: Xabi Alonso. Eine Vergangenheit als Reds-Spieler, eine mehr als beeindruckende Karriere als Jung-Trainer und sicherlich auch das nötige Charisma, um auf der Weltbühne Liverpool bestehen zu können. Noch dazu verlängerte Carlo Ancelotti kürzlich seinen Vertrag bei Real Madrid, ein großer Konkurrent im Werben um Alonso fällt also vorerst weg.
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Durchaus romantisch wäre natürlich auch eine Trainer-Rückkehr von Klub-Legende Steven Gerrard. Der 504-fache Spieler des FC Liverpool begann seine Coaching-Karriere bei den Glasgow Rangers äußerst vielversprechend, bei Aston Villa und aktuell im saudischen Al-Ettifaq überzeugt die Reds-Ikone allerdings nicht. Als weiterer Kandidat kommt zudem Roberto De Zerbi von Brighton & Hove Albion infrage.
Welcher Übungsleiter es auch sein wird, der im Sommer 2024 den Trainerstab von Jürgen Klopp überreicht bekommt, so oder so wird er sich einer gigantischen Herausforderung stellen müssen. Das Erbe, das The normal one beim FC Liverpool hinterlassen wird, ist größer als der Betrag, den die Kinder von Elon Musk eines Tages auf ihrem Konto finden werden.
(Photo by Clive Brunskill/Getty Images)