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Kai Havertz und Arsenal: Wie sinnvoll ist ein Transfer?

15. Juni 2023 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Der FC Arsenal ist angeblich an einer Verpflichtung von Chelsea Kai Havertz interessiert. Macht das für die Gunners Sinn?

Der FC Arsenal buhlt um Chelseas Kai Havertz

Seriösen Medienberichten zufolge (u.a. Guardian, The Athletic) ist der FC Arsenal an einer Verpflichtung von Kai Havertz vom FC Chelsea interessiert. Über 60 Millionen Euro könnte die Gunners der Transfer des 24-jährigen Nationalspielers kosten. Dabei sind sie in der Offensive gut besetzt. Ergibt die Verpflichtung für den Vizemeisterschaft der Premier League überhaupt Sinn? Wir wägen ab.



Contra: War die Zeit von Havertz bei Chelsea nicht eher durchwachsen?

Zugegeben, trotz des Siegtors im Champions-League-Finale gegen Manchester City 2021 (1:0) hatte sich der FC Chelsea wohl etwas mehr erhofft, als Kai Havertz 2020 für 80 Millionen Euro von Bayer 04 Leverkusen verpflichtet wurde.

In 139 Pflichtspielen für die Blues steuerte er 32 Tore und 15 Vorlagen bei – also nur einen Scorer alle drei Spiele. Insbesondere seine Abschlussschwäche wurde zum Thema: In seinen drei Jahren bei Chelsea erzielte er stets weniger Tore als gemäß expected Goals zu erwarten gewesen wären (insgesamt -10,8).

Auch wenn sein Raumverständnis und seine Spielintelligenz nicht immer als solche wahrgenommen werden und er daher unterschätzt wird: Es gab insgesamt wohl zu viele unauffällige und unglückliche Auftritte, um einen 60-Millionen-Transfer zumindest bedenkenlos zu rechtfertigen.

Pro: Havertz hat Arsenal deutlich bessere Voraussetzungen

Havertz‘ Formschwankungen bei Chelsea, sie liegen auch an den Begleitumständen. In drei Jahren hatte er mit Thomas Tuchel, Frank Lampard und Graham Potter insgesamt drei Trainer. Mit Interimslösung Bruno Saltor (ein Spiel) sogar vier. Darüber hinaus war auch die Fluktuation in der Mannschaft an der Stamford Bridge erheblich, zuletzt regelrecht chaotisch. Die Folge: Ständig wechselnde Spielphilosophien, Formationen und Mitspieler. Die angespannte Stimmung auf (Platz zwölf) und abseits des Rasens (Besitzerwechsel) tat ihr Übriges.

Bis auf die beste Phase seiner Karriere bei den Blues unter Tuchel – und selbst hier musste er aufgrund mangelnder Alternativen oft im Sturm ran – war die Mannschaft unbeständig bis dysfunktional. Das hemmt einen kreativen Spieler wie Havertz, auch im Abschluss. Denn dieser war vor seiner Zeit bei den Blues kein Problem (+7,27 über xG bei Leverkusen).

Havertz

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Bei Arsenal findet Havertz das krasse Gegenteil vor: Ein euphorisiertes Umfeld nach der überraschenden Vizemeisterschaft. Vor allem aber eine homogene, eingespielte und hungrige Mannschaft in einem funktionierendem System mit festen Automatismen und viel offensiver Kreativität und Qualität. Das Kombinationsspiel ist flüssig, jeder Spieler beherrscht Aufgaben und Position wie im Schlaf.

Im Norden Londons herrschen die idealen Voraussetzungen für einen technisch versierten und spielstarken Akteur wie Havertz, um sein Potential zu erfüllen. Insbesondere für einen verbesserungsfähigen 24-Jährigen, der erst auf die Blüte seine Karriere zusteuert.

Contra: Hat Arsenal nicht andere Baustellen?

Ja. Dass dem FC Arsenal im Titelrennen die Luft ausging, hatte viele Gründe. Die mangelnde Erfahrung (die Gunners hatten die zweitjüngste Mannschaft der Premier League), vor allen Dingen aber die fehlende Tiefe – sowohl was Alternativen als auch Ersatzspieler angeht. Kein Trainer setzte 2022/2023 weniger Spieler in der Startelf ein als Mikel Arteta.

Besonders sichtbar wurden diese Defizite in der Defensive. Innenverteidiger William Saliba war von Rob Holding in Sachen Schnelligkeit, Technik und Zweikampfstärke nicht mal ansatzweise zu ersetzen – das Aufbauspiel litt, die Defensive zerbröselte. Jorginho hatte trotz guter Leistungen nicht die Physis, Laufstärke und Dynamik, um den später formschwachen Anker Thomas Partey zu vertreten.

Die Offensive dagegen, und hier würde Kai Havertz dazu kommen, schoss nur sechs Tore weniger (88) als der beste Angriff der Premier League mit dem besten Stürmer der Welt (94). Als Arsenal im Schlussspurt vier Spiele in Folge nicht gewann, betrug das Torverhältnis 8:11 – zwei Tore pro Spiel sollten eigentlich mehr als drei Punkte zur Folge haben.

Wäre Arsenal also nicht besser beraten, das Geld anderweitig auszugeben?

Pro: Havertz sorgt für mehr Tiefe und mehr Varianz

Havertz bringt viele spannende Stärken mit sich: Fleiß, sowohl läuferisch als auch im Pressing, vor allem aber Spielintelligenz und Flexibilität. Er kann auf der Acht, der Zehn, der Neun, ja sogar auf dem Flügel das Spiel bereichern.

Das führt nicht nur dazu, dass er auf all diesen Positionen eine hochwertige Alternative darstellt. Viel interessanter ist nämlich, welche Möglichkeiten sich für die Varianz des Spiels ergeben würden. Arsenal hatte 2022/2023 einen ausgezeichneten Plan A. Doch wenn dieser mal kränkelnde, fehlte eine überzeugende Alternative. Hier kommt Havertz ins Spiel.

Arteta, der als einer der wenigen Trainer nie seine Formation änderte, könnte je nach Belastung, Gegner und Situation nicht nur personell sondern auch strukturell reagieren bzw. rotieren. Ein Faktor, der durch die zusätzliche Belastung durch die Champions League um so wichtiger wird. Systeme mit zwei Zehnern, einer hängenden- oder gar einer Doppelspitze wären ohne Qualitätsverlust denkbar. Darüber hinaus bringt Havertz mit seiner Kopfballstärke und 1,93 Metern Körpergröße eine andere Dimension in die eher schmächtige Offensive der Gunners.

Fazit: Havertz und Arsenal – viel Potential aber auch viel Risiko

Kai Havertz hat Qualität, die nötige Flexibilität, das Potential, aber auch die nötigen Rahmenbedingungen, um sich als Transfercoup für den FC Arsenal zu erweisen. Gleichzeitig gibt es berechtigte Restzweifel: Was ist, wenn die scheinbar schwierigen Begleitumstände beim FC Chelsea einen geringeren Einfluss auf seine Formschwankungen hatten, als gehofft. Was ist, wenn seine Flexibilität zum Hemmnis wird und ihn zu einem „Jack of all trades and a master of none“ macht – also jemand, der vieles kann aber in nichts brilliert?

Auch wenn die Rekrutierung der Gunners unter Sportdirektor Edu und Trainer Mikel Arteta bislang eine Erfolgsgeschichte ist: Eine Ablösesumme in Höhe von 60 Millionen Euro macht diesen Transfer alles andere als risikoarm. Erst recht in einem Sommer, in dem beim FC Arsenal so ziemlich jeder Handgriff sitzen muss, um die Lücke zu Manchester City zu schließen.

 

 

(Photo by GLYN KIRK/AFP via Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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