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Macht Romelu Lukaku den FC Chelsea zum Titelfavoriten?

23. August 2021 | Trending | BY Chris McCarthy

Spotlight | Beim 2:0-Erfolg des FC Chelsea über den FC Arsenal war Romelu Lukaku die treibende Kraft. Wird der Belgier nun auch im Titelkampf der Premier League zum X-Faktor?

Es ähnelte einer Situation aus einem Basketball-Spiel. Wie ein NBA-Center lehnte sich der bullige Romelu Lukaku in seinen körperlichen unterlegenen Gegenspieler Pablo Mari und verschaffte sich Platz. Matteo Kovacic spielte ihm den Ball in die Füße, Lukaku schirmte mühelos ab, ließ die Kugel zurück prallen. Während Kovacic auf der rechten Seite Reece James bediente, stürmte der Belgier in Windeseile in den Strafraum, überrannte dabei regelrecht den hilflosen Mari und verwertete das flache Zuspiel zum 1:0 für den FC Chelsea.

Es war eine Szene, die die Überlegenheit der Blues über den FC Arsenal an diesem Tag gut verdeutlichte. Lukaku war dieser eine 13-Jährige in einem D-Jugend-Spiel, der morgens schon zum Rasierer greifen muss, während seine Gegenspieler im Astronautenschlafanzug die Sporttaschen packten.

In seinem ersten Spiel für den FC Chelsea seit acht Jahren zeigte Lukau, wieso die Londoner 115 Millionen in seine Rückkehr investierten und vor allem: warum er die entscheidende Figur im Titelrennen werden könnte.

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Chelsea: Lukaku das fehlende Puzzlestück?

So beeindruckend die Transformation von einem nahezu planlosen Tabellenneunten zu einem perfekt abgestimmten Champions-League-Sieger unter seiner Leitung auch ist, Thomas Tuchel wusste, dass eine wichtige Komponente sein Team von einem Titelanwärter trennt. 36,14 expected Goals – also Chancen im Wert von 36,14 Toren – erspielte sich Chelsea ab Tuchels Ankunft im Januar 2021 bis zum Saisonende: Die drittmeisten der Premier League über diesen Zeitraum. Daraus resultierten allerdings nur 25 Treffer – die zehntmeisten. Um ein Haar verspielten die Blues die Top-Four.

 

Es fehlte eine Speerspitze im Tuchelsystem, ein Vollstrecker. Timo Werner versuchte es, erzielte in einer schwierigen Debütsaison aus 11,5 xG aber nur sechs Tore. Mittelfeldstratege Jorginho war mit sieben Treffern der Top-Torjäger – alle sieben waren Elfmeter. Drüben in Italien hatte derweil Romelu Lukaku, der zwischen 2011 und 2014 das Trikot des FC Chelsea trug, Inter mit 24 Toren aus 23,8 xG Inter zum Meister geschossen. Nach Stationen in Everton und Manchester United ist er unter Trainer Antonio Conte zu einem kompletten Mittelstürmer gereift. Finanzielle Umstände zwangen Inter zur Enttäuschung der Fans nach der Meistersaison zum Verkauf. Chelsea schlug zu.

„Wir erwarten Tore, reden wir nicht drum herum, und er selbst erwartet Tore“, sagte Tuchel nach der Verpflichtung Lukakus. „Ich glaube er ist einzigartig, von seiner Physis, seiner Fähigkeit, mit dem Rücken zum Tor zu spielen“, schwärmte der deutsche Trainer über den zweitteuersten Neuzugang in der Geschichte der Premier League und betonte: „Aber für mich ist er am stärksten, wenn er in den Halbräumen ist, frei, selbst für das Umschaltspiel, wo er seine immense Geschwindigkeit nutzen kann.“

Dominanter Einstand

All diese Qualitäten stellte Lukaku am Sonntag beim 2:0 über den FC Arsenal unter Beweis. Sicher, die krisengeschüttelten Gunners sind derzeit nicht der Maßstab für einen Meisterschaftsanwärter. Die Mannschaft von Trainer Mikel Arteta musste zudem ohne ihre ersten beiden Innenverteidiger und Absicherung Thomas Partey auskommen. Nichtsdestotrotz war es beeindruckend, wie Lukaku das gesamte Spiel über die Defensive beschäftigte.

Zuweilen band der 28-Jährige drei Gegenspieler, nur um mit seinem geschickten Kombinationsspiel den freien Raum zu nutzen. 19 seiner 20 Pässe fanden den Mitspieler. Andere Male, wie bei besagtem 1:0, übermannte er seine Gegenspieler durch Speed, Power und Technik. Keiner war in mehr Zweikämpfen involviert (15), keiner feuerte häufiger aufs Tor (8) – fünf Versuche wurden in höchster Not abgeblockt. Ein Weltklassereflex von Bernd Leno verhinderte nach einem wuchtigen Kopfball den Doppelpack. Lukaku war an diesem Tag schlichtweg nicht zu verteidigen.

„Dominant, würde ich sagen“, beschrieb Lukaku seine Leistung nach dem Spiel bei Sky. „Was für ein Auftakt für ihn“, schwärmte Tuchel. „Er hat seinen Wert für den Kader bereits bewiesen.“

 

Lukaku der X-Faktor im Titelrennen?

Wie wertvoll Lukaku für Chelsea tatsächlich werden kann, zeigt ein Blick auf den amtierenden Meister. Manchester City verfügt insgesamt wohl über die höchste individuelle Qualität der Premier League, gewann am Wochenende eindrucksvoll mit 5:0 gegen Norwich. Doch so freifließend die Offensive der Cityzens sein kann, so verschwenderisch ist manchmal der Output. Das zeigte die Auftaktniederlage gegen Tottenham, als die Cityzens trotz 63% Ballbesitz, 18:13 Abschlüssen und 2,11:1,06 xG mit 0:1 verloren. Auch Manchester City hat Tage, an denen ein Vollstrecker fehlt.

Sergio Agüero war bereits im Vorjahr nicht mehr der Alte, Gabriel Jesus fehlen Durchschlagskraft und Konstanz. Folglich buhlt ManCity intensiv um Tormaschine Harry Kane von den Spurs. 2020/2021 konnte die Torelast auf mehrere Schultern verteilt und sich auf die beste Defensive der Liga verlassen werden. Darüber hinaus gab es keinen ernsthaften Titelkonkurrenten. Insbesondere mit Tuchels Chelsea, das gesamttaktisch deutlich ausgereifter als Manchester United wirkt, könnte sich das nun ändern. Seit der Ankunft des 47-Jährigen hat seine Mannschaft im Vergleich zu Manchester City nur einen expected Point weniger erspielt: Hätten beide Klubs seitdem entsprechenden den Chancen in den jeweiligen Spielen getroffen und kassiert, stünde Manchester City bei 48,98 Punkten und Chelsea bei 47,84.

Hält Chelseas Trend 2021/2022 an, und damit ist nach zwei Spieltagen zu rechnen, wird Manchester Citys Spielraum für Fehler immer geringer. Die Bedeutung von jedem Punkt und jedem einzelnen Tor nimmt zu. Die Signifikanz eines Topstürmers wird elementar. Während Pep Guardiola sehnsüchtig auf einen wartet, hat Thomas Tuchel seinen bereits gefunden.

Von Chris McCarthy

Photo: xVincexMignottx /Imago

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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