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Nottinghams wilder Deadline Day – Steckt ein Plan dahinter?

12. September 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Nottingham Forest hat es wieder gemacht. Nach einer für ihre Verhältnisse unspektakulären Transferphase drehten die Reds am Deadline Day nochmal ordentlich auf und verpflichteten gleich sechs neue Spieler. Im Folgenden wollen wir auf den Wahnsinn etwas eingehen, die Spieler vorstellen und den Bedarf prüfen.

Zunächst muss erwähnt werden, dass Nottingham am Deadline Day auch einen sehr großen Abgang zu verkraften hatte. Brennan Johnson (22), Eigengewächs und walisischer Nationalspieler, verließ den Verein für die stolze Summe von 55 Millionen Euro in Richtung Tottenham. Dadurch hat Nottingham am Ende lediglich ein Transferminus von klapp 57 Millionen Euro aufzuweisen, eine bei Weitem weniger außergewöhnliche Summe als die 190 Millionen Euro Transferminus im Vorjahr. Innerhalb der Premier League liegt man damit lediglich auf Platz 11 was die Verluste auf dem Transfermarkt angeht.



Der Königstransfer von Nottingham: Ibrahim Sangare

Der Spieler, dessen Wechsel nach Nottingham wohl am überraschendsten war, ist Ibrahim Sangare (25). Der Ivorer kam für 35 Millionen Euro aus Eindhoven. Dort spielte der defensive Mittelfeldspieler seit 2020, nachdem er aus Toulouse kam. In Eindhoven hat sich Sangare derart stark entwickelt, dass er auch immer wieder als Option für die absoluten Topteams auf der „Sechs“ genannt wurde, etwa beim FC Bayern oder dem Liverpool FC. Entsprechend muss man die Verpflichtung für Nottingham als Coup werten.

Sangare wird Nottingham sehr weiterhelfen

(Photo by MAURICE VAN STEEN/ANP/AFP via Getty Images)

Sangare ist mit dem Ball zwar weit weg von der Weltklasse, gegen den Ball gehört der Nationalspieler jedoch zweifellos zu den besten Spielern auf seiner Position in ganz Europa. Entsprechend wird er seine Stärken bei einem auf Konter ausgelegten Team wie Forest voll entfalten können. Er könnte auf die Mannschaft und ihr Abschneiden in der Liga einen ähnlichen Einfluss haben, wie es Joao Palhinha (28) seit seinem Wechsel letzten Sommer auf den Fulham FC hat. Die Spieler sind durchaus vergleichbar. Dadurch, dass Sangare nochmal drei Jahre jünger als Palhinha ist, dürften nach ein oder zwei starken Premier-League-Saisons größere Teams Schlange stehen. Hier hat Nottingham sowohl sportlich als auch finanziell einen starken Transfer getätigt.

Der perfekte Nebenmann für Sangare: Nicolas Dominguez

Ein weiterer Spieler, dem man schon jetzt einen Wechsel zu einem größeren Verein zugetraut hätte, ist Nicolas Dominguez (25). Der Argentinier, der 2019 bis 2021 auch regelmäßiges Mitglied der Nationalmannschaft war, kam für zehn Millionen Euro aus Bologna. Obendrauf wechselte Remo Freuler (31) im Tausch leihweise nach Italien. Dominguez ist ein klassischer zentraler Mittelfeldspieler, hat seine Stärken vor allem darin, Pässe ins offensive Drittel zu spielen und Zweikämpfe zu führen. Der Argentinier könnte also perfekt neben Sangare passen und mit diesem eine starke Doppelsechs im 3-4-2-1 bilden.

Ein neuer Stammkeeper? Odysseas Vlachodimos

Endlich hat Besitzer Evangelos Marinakis (56) einen Landsmann gefunden, der das Niveau hat, um für seinen Verein spielen zu können. Der griechische Reedereibesitzer, dem auch Olympiakos Piräus gehört, hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, griechische Spieler oder Spieler aus der griechischen Liga bei Nottingham einzubauen. Funktioniert hat dies jedoch noch nie. Nun hat er also Odysseas Vlachodimos (29) nach England lotsen können.

Vlachodimos ist ein durchaus großer Name. In Stuttgart geboren und ausgebildet spielte er nach einer kurzen Zwischenstation bei Panathinaikos die letzten fünf Jahre als Stammtorwart bei Benfica in Lissabon. Mit den Portugiesen feierte der 1,91-Meter-Mann auch einige Erfolge, etwa zweimal die Meisterschaft. Im Sommer verpflichtete Benfica nun jedoch Anatoliy Trubin (22) aus Donezk, der Stammplatz von Vlachodimos war weg.

Vlachodimos könnte bei Nottingham Stammkeeper sein

(Photo by Octavio Passos/Getty Images)

Und so zog es den griechischen Nationalspieler für verhältnismäßig wenig Geld (unter fünf Millionen Euro) nach Nottingham, wo er mit Matt Turner (29) um den Platz zwischen den Pfosten kämpfen wird. Turner, ebenfalls im Sommer erst von Arsenal gekommen, zeigte solide Leistungen. Ein weiterer Torhüter konnte jedoch keinesfalls schaden. Auch dieser Transfer ist also als sinnvoll anzusehen.

Noch ein Stürmer: Divock Origi

Eine Position, auf der die Tricky Trees auf den ersten Blick keine Verstärkung mehr gebraucht hätten, ist die Sturmspitze. Mit Taiwo Awoniyi (26), Chris Wood (31) und Emmanuel Dennis (25) hat man bereits drei reine Mittelstürmer im Kader. Doch mit Dennis ist man in Nottingham überhaupt nicht zufrieden und Wood ist ein Spezialist, den man eigentlich nur bei Rückstand kurz vor Spielende bringen will, nicht über die gesamten 90 Minuten.

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Und so sahen die Verantwortlichen durch den Abgang von Brennan Johnson noch Bedarf. Dieser wurde durch Divock Origi (28) gestillt. Der Belgier kam leihweise bis Saisonende von der AC Milan, wohin er vor einem Jahr ablösefrei aus Liverpool gewechselt war. In Italien konnte Origi jedoch nie sein Potential entfalten. Als Backup ist er für Nottingham jedoch durchaus eine gute Wahl. Dazu ist er trotz seiner 1,89 Meter sehr flexibel einsetzbar und kann auch neben Awoniyi eingesetzt werden.

Das Schnäppchen des Sommers? Callum Hudson-Odoi

Was waren das noch für Zeiten, als Callum Hudson-Odoi (22) von Hasan Salihamidzic (46) in seiner damaligen Funktion als Sportdirektor zum Transferziel Nummer 1 des FC Bayern gemacht wurde. Man sah im Flügelspieler den nächsten Jadon Sancho (23) und versuchte alles, ihn von einem Wechsel nach München zu überzeugen. Hudson-Odoi blieb jedoch in London und verlängerte seinen Vertrag zu stattlichen Konditionen.

Dass dieser Wechsel nicht zustande kam, ist im Nachhinein betrachtet das beste, was den Münchenern hätte passieren können. Denn der Flügelspieler entwickelte sich nicht annähernd wie gehofft und konnte sich bei Chelsea nie durchsetzen. Nach einer unglücklichen Leihe nach Leverkusen im vergangenen Jahr waren die Blues in diesem Sommer nur noch daran interessiert, sein Gehalt los zu werden. Das gelang durch den Deadline-Day-Transfer nach Nottingham. Dass dabei nur 3,5 Millionen Euro Ablöse heraussprangen, war für Chelsea dabei nebensächlich.

Callum Hudson-Odoi könnte ein echtes Schnäppchen werden

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Für Nottingham könnte sich der Transfer jedoch zum echten Schnäppchen entwickeln. Schließlich hat Hudson-Odoi durchaus die Anlagen, ein passabler Premier-League-Spieler zu werden. Gelingt ihm dies, kann man die Ablöse bei einem möglichen Verkauf in den nächsten Jahren sicherlich verzehnfachen. Das Risiko ist für die Tricky Trees ebenfalls gering, schließlich ist Hudson-Odoi nur als Rotationsspieler eingeplant. Den Platz von Johnson in der Startelf wird Anthony Elanga (21) übernehmen, der für 17,5 Millionen Euro von Manchester United gekommen war.

Ein Abwehrtalent, das sofort helfen kann? Andrew Omobamidele

Eine Position, auf der Nottingham bisher recht schwach besetzt war, ist die Innenverteidigung. Man hat zwar fünf ungefähr gleichwertige Spieler, auf gehobenem Premier-League-Niveau ist davon allerdings niemand. Alle fünf Innenverteidiger schreien „Abstiegskampf“. Andrew Omobamidele (21) wird zwar wohl diese Saison noch nichts daran ändern, langfristig kann der irische Nationalspieler jedoch ein überdurchschnittlicher Innenverteidiger in der besten Liga der Welt werden.

Unseren Artikel aus der letzten Saison mit den größten Talenten der Championship, u.a. mit Omobamidele, findet ihr hier!

Omobamidele hat bereits eine volle Saison als Stammspieler in der Championship bei Norwich City hinter sich, von wo er nun für fast 13 Millionen Euro nach Nottingham wechselte. Die Stärken des 1,88 Meter großen Spielers liegen eher im Spiel mit dem Ball. Bei Norwich war er hauptverantwortlich für den Spielaufbau und hatte sowohl die zweitmeisten Pässe als auch die zweitbeste Passquote der Mannschaft. Gegen den Ball spielte Omobamidele eine Art Libero, blieb oft hinter der eigentlichen Kette und klärte im Notfall die Bälle im letzten Moment. Eine solche Rolle könnte er zentral in der Dreierkette von Nottingham auch perfekt einnehmen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Deadline Day für Nottingham absolut gelungen war. Die Doppelsechs Sangare-Dominguez könnte sicherlich so auch bei einem Europacup-Aspiranten starten. Vlachodimos wird ebenfalls eine wichtige Rolle spielen können. Hudson-Odoi und Origi sind mit wenig finanziellem Risiko verpflichtet worden und werden dem Kader in der Breite durchaus gut tun, Omobamidele wird man abschließend erst in ein paar Jahren bewerten können. Doch es ist davon auszugehen, dass er sich zumindest zu einem soliden Premier-League-Verteidiger entwickeln kann. Das Brennan-Johnson-Geld wurde also gut ausgegeben, man ist nun deutlich besser aufgestellt als am 31. August und sollte mit dem Abstieg nicht mehr viel zu tun haben – eine Aussage, die man so vor dem Deadline Day nicht treffen konnte.

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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