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Premier League | Herausforderer gegen Big Player: Was passiert bei den „Big Six“?

3. August 2022 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Vorschau | Der Kampf um die Englische Meisterschaft – erneut eine Sache zwischen Manchester City und Liverpool? Oder kann ein weiterer Verein mitmischen? Am Freitag startet die Premier League in die neue Saison. Vorab haben wir die „Big Six“-Teams von der Insel unter die Lupe genommen.

Manchester City: Gelingt der dritte Streich in Serie?

Drei Premier-League-Titel in Serie – das schaffte bislang nur Manchester United. Der nächste Klub, der diese Marke erreichen kann, ist kein geringerer als der Stadtrivale in „Skyblue“. Die Zeichen, dass das kommenden Mai gelingt, stehen alles andere als schlecht, entsprechend hoch sind auch die Ansprüche an Pep Guardiola (51) und seine Mannschaft. Der erste große Coup gelang bereits weit vor Saisonstart, als mit Erling Haaland (22) der lang ersehnte Stoßstürmer verpflichtet werden konnte. Der Norweger soll dem Angriffsspiel der „Citizens“ die nötige physische Präsenz und Durchschlagskraft verleihen. Eine Komponente, die früher Sergio Agüero (34) mitbrachte, die in den vergangenen beiden Spielzeiten jedoch fehlte.

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Das machte sich immer wieder und insbesondere gegen schwächere Mannschaften aus der Premier League bemerkbar, die sich tief hinten rein stellen und auf Konter lauern. Manchester City hatte stets die volle Kontrolle über Ball und Gegner, zu häufig jedoch fehlte vorne die nötige Wucht. Und wenn man sich Torchancen erspielte, wurden diese auch nicht immer genutzt. Haaland löst gleich beide Probleme – zumindest erhofft man sich das im blauen Teil Manchesters von ihm. Der 22-Jährige ist mit seinen Tiefenläufen ein ständiger Gefahrenherd für den Gegner, kann mit seiner physischen Präsenz Bälle festmachen, ist zudem auch stark in der Luft. Eiskalt vor dem Tor ist Haaland ohnehin. Für ihn ist ein europäischer Topklub der logische nächste Schritt, die Premier League dazu wie für ihn geschaffen. Haaland und Manchester City – es schreit nach einem perfekten Match. 

Neben dem Norweger wurde Stefan Ortega (29) als Ersatztorhüter verpflichtet. Außerdem neu: Kalvin Phillips (26), der Guardiola eine weitere Option für das defensive Mittelfeld bietet, zudem auch als Innenverteidiger auflaufen kann. Den Verein verlassen haben Gabriel Jesus (25), Raheem Sterling (27) und Oleksandr Zinchenko (25). Die Abgänge dürften jedoch höchstens der Kaderbreite minimale Schmerzen bereiten, in der Spitze ist man so stark aufgestellt wie selten zuvor. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass City nochmal auf dem Transfermarkt zuschlägt. Unter anderem im Gespräch: Ein Linksverteidiger, der Zinchenko ersetzen soll. Abgesehen davon verfügt Guardiola über einen Kader, der stärker und kompletter als je zuvor aufgestellt ist. Die Meisterschaft dürfte einmal mehr nur über Manchester City entschieden werden.

Mané? Nuñez! Zeitenwende in Liverpool

Mit dem Abgang von Sadio Mané (30) geht beim FC Liverpool eine kleine Ära zu Ende. Seit der Senegalese im Sommer 2016 vom FC Southampton an die Mersey wechselte, war er stets einer der wichtigsten Leistungsträger in der Mannschaft und ein Toregarant obendrauf. Die Frage, wer ihn ersetzen sollte, erübrigte sich schnell: Darwin Nuñez (23) soll es richten. „Die Kraft und das Zusammenspiel mit der Technik, der Wille, die cleveren Spielzüge, die Probleme, die er uns bereitet hat – wir haben uns in diesen beiden Spielen in ihn verliebt“, schwärmte Jürgen Klopp (55) im Hinblick auf das Champions-League-Viertelfinale gegen den damals gefährlichsten Gegner, der wenige Wochen später zum eigenen Schützling wurde.

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(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Mit Sicherheit wird sich der Mané-Verlust gerade anfangs an der ein oder anderen Stelle bemerkbar machen. Dass Nuñez den Senegalesen auf Dauer adäquat ersetzen kann, davon ist man in Liverpool aber überzeugt. Ohnehin ist man in der Offensive nominell herausragend besetzt, zumindest in der Spitze. Neben Nuñez und Mohamed Salah (30), der seinen Vertrag jüngst bis 2025 verlängert hat, baut man auf Luis Díaz (25), der sich nach seinem Winterwechsel innerhalb kürzester Zeit akklimatisierte und in der Rückrunde zum Shootingstar der Mannschaft wurde.

Auch mit den anderen Mannschaftsteilen dürfte Klopp zufrieden sein. Thiago (31) hat eine herausragende Saison hinter sich, scheint nach anfänglichen Schwierigkeiten voll und ganz in Anfield angekommen zu sein. Er wird neben Fabinho (28) gesetzt sein und im Mittelfeld die Fäden ziehen. In Fábio Carvalho (19), der für rund sechs Millionen Euro aus Fulham kam, hat Klopp eine zusätzliche Option. Die Viererkette steht ohnehin: Trent Alexander-Arnold (23) und Andrew Robertson (28) sind gesetzt, Joel Matip (30) und der zu Saisonende starke Ibrahima Konaté (23) spielen den Platz in der Innenverteidigung neben Virgil van Dijk (31) unter sich aus. Dahinter verfügt man in Alisson (29) über einen der besten Torhüter der Welt. 

Liverpool hat selbstredend den Anspruch, auch 2022/23 wieder um den Titel mitzuspielen. Inwieweit das gelingt, wird auch von ManCity abhängen. Das Potenzial, erneut bis zum Schluss mitzuhalten und darüber hinaus ist aber in jedem Fall vorhanden.

Chelsea unter neuem Besitzer: Das vorsichtige „Hello there“

Fans und Vereinsumfeld des FC Chelsea blicken auf zähe Monate zurück. Aufgrund von harten finanziellen Sanktionen gegen den langjährigen Besitzer Roman Abramowitsch (55) stand man vor einer ungewissen Zukunft, wochenlang lag gar die Existenz des Klubs im Argen. Am Ende verkaufte Abramowitsch an Todd Boehly (48), der nun die Geschicke bei den „Blues“ leitet. Ein Happy End – mit Fragezeichen allerdings. Denn noch ist die Symbiose zwischen Verein und Besitzer keine solche, wie sie es über ein Jahrzehnt lang unter Abramowitsch war. Die Parteien müssen sich behutsam gegenseitig annähern.

Trotz neuer Millionen in den Kassen läuft es auf dem Transfermarkt etwa noch nicht ganz wie erwünscht. Folgt man den Gerüchten, zog Chelsea bereits bei mehreren Wunschspielern den Kürzeren, so unter anderem bei Jules Koundé (23, jetzt Barça). Ohnehin ist die Verteidigung ein großes Thema in diesem Sommer, verlor man mit Antonio Rüdiger (29) und Andreas Christensen (26) zwei wichtige Innenverteidiger. Immerhin: Mit der Verpflichtung von Kalidou Koulibaly (31) kann zumindest einer der beiden einigermaßen adäquat ersetzt werden. Dennoch bedarf es zweifelsohne einer gewissen Zeit, bis sich in der Defensive eine neue funktionierende Hierarchie bildet.



Abgesehen davon liest sich der Kader aber mehr als ordentlich. Mit Sterling hat man einen Transfer gelandet, der die Offensive nicht nur variabler macht, sondern gleichzeitig auch zuverlässig Tore schießt. Das macht die Tatsache, dass nach dem erneuten Abgang von Romelu Lukaku (29) ein echter Knipser in der Spitze fehlt, zumindest ein Stück weit weniger problematisch. Dafür sind die Blicke mehr denn je auf Kai Havertz (23) gerichtet, der in dieser Saison unter Beweis stellen muss, dass er in allen Phasen des Spiels eine verlässliche Stütze für die Mannschaft sein kann. Wichtig ist auch die Rückkehr des langzeitverletzten Linksverteidigers Ben Chilwell (25), der der Mannschaft mit seinen Defensivqualitäten guttun wird.

Mit etwas Sorge dürfte Trainer Thomas Tuchel (48) noch auf die Spielfeldmitte blicken. N’Golo Kanté (31) ist noch nicht ganz fit, und neben Jorginho (30) und Mateo Kovačić (28) fehlt es an verlässlichen Größen in der Mittelfeldzentrale. Es ist nicht auszuschließen, dass Chelsea nochmal auf dem Transfermarkt reagiert, aktuell werden die „Blues“ unter anderem mit Frenkie de Jong (25, Barça) in Verbindung gebracht. Des weiteren sind Marc Cucurella (24, Brighton), Wesley Fofana (21, Leicester) und Denzel Dumfries (26, Inter) im Gespräch.

Alles in allem wird Tuchel – unabhängig von weiteren Neuzugängen – einen Kader vorfinden, mit dem sich arbeiten lässt. Ob es reicht, um City und Liverpool Paroli um die Meisterschaft zu bieten, darf bezweifelt werden. Ein Platz unter den ersten vier sollte aber in jedem Fall drin sein.

Tottenham: Wohin geht die Reise mit Conte?

Platz vier, Champions League – und das denkbar knapp vor dem Erzrivalen Arsenal. In den ersten Monaten unter Trainer Antonio Conte (53) hatte Tottenham durchaus seine Schwierigkeiten, doch die Mannschaft entwickelte sich, adaptierte Stück für Stück den Fußball, den der Italiener sehen möchte. Die Spurs haben die Wochen der Unsicherheit zumindest vorerst hinter sich, Conte kann seine erste komplette Saisonvorbereitung mit der Mannschaft absolvieren.

Zudem wurde der Kader sinnvoll verstärkt. Mit Yves Bissouma (25, Brighton) lockte man einen der besten Sechser der Premier League in den Norden Londons. Der 25-Jährige vereint eine herausragende Arbeit gegen den Ball mit einer starken Ballkontrolle und Pressingresistenz, zudem scheut er selten das Risiko, dribbelt auch gerne an, ehe er den entscheidenden Pass ins Offensivdrittel spielt. Vom Spielertyp her ähnelt er ein Stück weit an Tanguy Ndombele (25), dürfte das Mittelfeldzentrum der Spurs auf ein neues Level hieven. 

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(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Darüber hinaus verzeichnen die Nordlondoner mit Richarlison (25) und Ivan Perišić (33) zwei weitere kluge Verstärkungen für die Offensive. Letzterer spielte bereits bei Inter unter Conte, dürfte der Mannschaft insbesondere mit seiner Arbeit gegen den Ball guttun. Mit Djed Spence (21) holte man zudem einen der besten Rechtsverteidiger der abgelaufenen Championship-Saison. Zusammen mit den altbekannten Leistungsträgern um Harry Kane (29), Heung-min Son (30) und Co. stellen die Spurs einen soliden Kader für die kommende Saison. Für ganz oben wird es nicht reichen, eine erneute Qualifikation für die die Champions League liegt aber definitiv im Bereich des Möglichen.

Seltene Euphorie bei Arsenal

Auch bei Tottenhams Lokalrivalen geht man zuversichtlich in die neue Saison. In der vergangenen Saison übertraf Arsenal die eigenen Erwartungen, die Grundstimmung ist positiv wie lange nicht. Mit einem talentierten Kader, dem im Großen und Ganzen jedoch die Reife fehlte, schloss man als Tabellenfünfter ab, hatte bis kurz vor Abrechnung sogar einen Champions-League-Platz inne. Die Enttäuschung war schlussendlich natürlich groß. Zum einen, weil man die Königsklasse denkbar knapp erneut verpasst, zum anderen, weil man ausgerechnet gegen Tottenham den Kürzeren gezogen hatte.

Aber: Endlich scheint auch der letzte Kritiker davon überzeugt, dass der Weg mit Trainer Mikel Arteta (40) der richtige ist. Auf dem Platz greifen die einzelnen Rädchen nach und nach immer besser ineinander, die Mannschaft wirkt homogen wie lange nicht, der Mix aus Erfahrung und Talent stimmt. Zudem konnte der Kader auf dem Transfermarkt gezielt und qualitativ hochwertig verstärkt werden. Für die Sturmspitze wurde Jesus verpflichtet, der über technische Finesse und eine hohe Arbeitsrate mit wie gegen den Ball verfügt, zudem verlässlich Tore erzielt – ein Attribut, das den „Gunners“ spätestens mit dem Abgang von Pierrre-Emerick Aubameyang (33) etwas abhanden ging.

Ein weiterer Spieler, der von Manchester City kam: Linksverteidiger Zinchenko. Mit seiner Pressingresistenz und Positionsflexibilität passt er perfekt ins Schema von Arteta. In Fábio Vieira (22) hat man eine weitere Option für die Mittelfeldzentrale, der Plan sieht allerdings vor, den Portugiesen behutsam ans Premier-League-Niveau heranzuführen. 

Darüber hinaus denkt man angeblich über einen Spieler nach, der Bukayo Saka (20) entlasten soll. Abgesehen davon verfügt Arsenal aber bereits jetzt über einen der ausgeglichensten und talentiertesten Kader der Premier League. Dass der selbst gewählte Weg der richtige ist, hat die vergangene Saison unter Beweis gestellt. Die Neuzugänge verstärken den Kader in der Spitze, dürften den jungen Spielern zudem mit ihrer Erfahrung weiterhelfen. Ein Platz unter den ersten vier liegt definitiv im Bereich des Möglichen – nach einer Durststrecke von sechs Jahren wäre es die erste Champions-League-Saison im Emirates.

Projekt ten Hag: ManUnited und das Stichwort Zeit

Erik ten Hag (52) – so heißt der Mann, der bei Manchester United eine neue Ära einläuten soll. Der Niederländer, der für einen spielfreudigen, offensiven Fußball steht, soll dem roten Teil Manchesters nach Jahren der Flaute endlich wieder neues Leben einhauchen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen seitens der Fans und des Klubs. Die Frage ist nur: Inwieweit ist diese Erwartungshaltung gerechtfertigt? Fakt ist: In der Mannschaft haben die „Red Devils“ mit einigen Fragezeichen zu kämpfen. Geht Cristiano Ronaldo (37) oder geht er nicht? Kommt de Jong oder kommt er nicht? Und überhaupt: Tut sich noch etwas auf dem Transfermarkt? 

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(Photo by STIAN LYSBERG SOLUM/NTB/AFP via Getty Images)

Gerade das Mittelfeldzentrum ist nach den Abgängen von Paul Pogba (29) und Nemanja Matić (34) dünn besetzt. De Jong wäre für Landsmann ten Hag zweifelsohne der Traumneuzugang schlechthin. Der 25-Jährige eint Spielintelligenz, Passstärke und Dynamik, würde der Mannschaft eine wichtige Komponente verleihen, die ihr bislang fehlt. Für den Moment ist die Schaltzentrale mit Scott McTominay (25), Fred (29) und dem jungen James Garner (21) sowohl qualitativ als auch in der Breite unterbesetzt.

Immerhin: Mit Lisandro Martínez (24, Ajax) landete United einen echten Coup, zog einen der talentiertesten und zugleich besten Innenverteidiger Europas an Land. Dass ten Hag den Spieler seit Jahren kennt, ihn praktisch aus Amsterdam mit in den Nordwesten Englands nimmt, gestaltet die Sache noch etwas runder. 

Abgesehen von Veränderungen im Kader braucht der neue Übungsleiter aber vor allem eins: Zeit. Zeit, um der Mannschaft seine Idee von Fußball näherzubringen. Zeit, um aus vielen Einzelspielern eine homogene Truppe zu formen. Bekommt er diese, besteht die Chance, dass etwas zusammenwächst und man im Old Trafford wieder nach höheren Sternen greifen kann. Dazu muss sich der Klub aber auch kompromissbereit zeigen.

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Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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