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Premier League | Tottenhams Trapattoni, Breaking Bad bei Arsenal und „Mini-Haaland“

20. März 2023 | Trending | BY Chris McCarthy

Fünf Awards zum 28. Spieltag der Premier League: Tottenhams Antwort auf Giovanni Trapattoni, Breaking Bad bei Arsenal und ein Stürmer auf Erling Haalands Spuren?

„Giovanni Trapattoni“-Award: Antonio Conte

Am Samstag hatte Antonio Conte endgültig genug. In einem Monat, in dem die Tottenham Hotspur erst aus dem FA Cup und dann aus der Champions League ausschieden, droht nun auch die fest eingeplante Top-Four-Platzierung in der Premier League aus den Händen zu gleiten. Kein Wunder also, dass das 3:3-Unentschieden nach 3:1-Führung gegen Abstiegskandidat Southampton beim Trainer der Spurs das Fass zum Überlaufen brachte.



In einer denkwürdigen zehnminütigen Pressekonferenz holte Conte zu einem Rundumschlag aus, der Erinnerungen an Giovanni Trapattonis legendärer Wutrede vor fast exakt 25 Jahren aufkommen ließ. Der hitzköpfige Italiener verzichtete zwar auf die „Flasche leer“-Analogie seines Landsmanns, die Botschaft war jedoch die gleiche. Die Mentalität seiner Mannschaft sei „wirklich, wirklich desolat“, die Spieler „egoistisch“ und nicht „mit dem Herzen bei der Sache“. Und warum?

Hier trieb es Conte wortwörtlich auf die Spitze. Es sei nunmal Geschichte von Tottenham: „20 Jahre ist der Besitzer da und sie haben nie etwas gewonnen“, wetterte er. Die Schuld werde dabei immer wieder bei den Trainern gesucht – die Besitzer um Vorstand Daniel Levy haben seit 2001 elf eingestellt. Die Klubführung aber gerate dabei selten in das Visier der Kritiker und für die Spieler werde immer nach „Ausreden“ gesucht.

Zwar hat Conte mit seiner Kritik sicherlich nicht unrecht – die Spurs-Führung wähnte sich nach dem fantastischen Lauf bis ins Champions-League-Finale 2019 zweifelsohne voreilig in der Elite und ließ in der Folge Zielstrebigkeit und Strategie vermissen –, gleichwohl ist der Italiener an der Misere keinesfalls unbeteiligt. Denn so durchwachsen die Rekrutierung auch war, der Kader hat dennoch zu viel Qualität, um so mutlos, blutleer und fragil aufzutreten, wie es in dieser Saison immer wieder der Fall war.

Die Spurs haben viele Probleme – Conte aber ist eines davon. Übrigens auch wegen seiner erhabenen und unfehlbaren Aura. Trapattoni hatte 1998 erst nach der Saison beim FC Bayern „fertig“. Bei Conte und den Spurs ist die einzige Frage, ob es überhaupt so lange dauern wird.

„Breaking Bad“-Award: Ben White und Bukayo Saka

Der FC Arsenal hat im Titelrennen der Premier League durch einen 4:1-Heimsieg über Crystal Palace vorgelegt und den Vorsprung auf Manchester City (spielfrei) vorerst auf acht Punkte erhöht.

Ausschlaggebend dafür war am Sonntag einmal mehr die rechte Seite der Gunners, bestehend aus Rechtsverteidiger Ben White und Flügelspieler Bukayo Saka. Ihr Erfolgsrezept? Eine Chemie, auf die der Lehrer Walter White und sein ehemaliger Schüler Jessy Pinkman aus der Erfolgsserie Breaking Bad stolz wären. Zusammen kochten sie dort das beste Methamphetamin des Landes.

Ben White und Saka dagegen produzieren traumhafte Spielzüge und Tore. Ihre Formel beruht auf einem beinahe telepathisches Verständnis, hoher Spielinteligenz und einstudierten Automatismen. Während Walter White im Meth-Labor der Hauptprotagonist ist, ist es bei Arsenal zweifelsohne Saka.

Immer wieder wird das Ausnahmetalent mit klugen und ansatzlosen Zuspielen von Ben White in Szene gesetzt, ehe Saka vorlegt – so wie beim Führungstreffer durch Gabriel Martinelli – oder wie beim 2:0 selbst abschließt.

Mit 21 Jahren wurde Saka am Wochenende zum jüngsten Spieler in der Geschichte des FC Arsenal, der in einer Saison mindestens zehn Tore erzielt und zehn weitere vorbereitet (12, 10). Ohne seinen Laborassistenten wäre das wohl kaum möglich gewesen.

„Mini-Haaland“-Award: Alexander Isak

Als Newcastle United vergangenen Sommer 70 Millionen Euro für Alexander Isak auf den Tisch legte, sorgte das in Deutschland für Aufsehen – so enttäuschend verliefen seine Anfänge bei Borussia Dortmund – und in England für hohe Erwartungen. Immerhin war er teurer als ein gewisser Erling Haaland.

Nach einer schwierigen Hinrunde – geprägt von Verletzungen und Formschwankungen – zeigt der 23-jährige Schwede nun, was die Magpies in ihm sahen. Das größte Statement gab es am Freitag, als er beim 2:1-Sieg über Nottingham Forest zum dramatischen Matchwinner avancierte. Nachdem er bereits in der Nachspielzeit der ersten Hälfte nach einem Konter das 1:1 schoss, erzielte er drei Minuten nach Ablauf der regulären 90 Minuten vom Elfmeterpunkt den Siegtreffer.

„Ein riesiger Moment“, sagte Newcastle-Coach Eddie Howe angesichts des Rennens um die Champions-League-Qualifikation. Die Ausgangslage ist nun hervorragend: Seine Mannschaft hat zwar noch zwei Punkte Rückstand, aber auch zwei Spiele weniger absolviert als die viertplatzierten Spurs. Und mit Isak einen Mann, der laut Howe in den letzten zehn Saisonspielen ein „Schlüssel“ werden könne.

Isak hat in der Premier League zwar erst sechs Tore erzielt – drei in den letzten zwei Spielen -, stand aber auch erst 623 Minuten auf dem Platz. Das ergibt einen Schnitt von einem Treffer alle 104 Minuten. Nur Haaland trifft von Spielern mit mindestens zehn Einsätzen häufiger (alle 75 Minuten).

„Sim(m)salabim“-Award: Ellis Simms

89 Minuten sah es so aus, als würde der FC Chelsea seinen vierten Sieg in Serie einfahren und der FC Everton trotz eines couragierten Fights ohne Punkte nach Hause fahren. Doch dann, Simsalabim und wie aus dem Nichts, tauchte er im Strafraum der Blues auf: Ellis Simms.

Zehn Minuten nach seiner Einwechslung ließ der 22-jährige Engländer mit starkem Körpereinsatz keinen Geringeren als Abwehrbrocken Kalidou Koulibaly regelrecht abprallen und schloss mit der Innenseite flach zum 2:2-Endstand ab.

Vor dem Spiel hatte Simms kaum einer auf der Rechnung. Der Engländer, zuvor bereits dreimal verliehen und erst im Januar aus Sunderland zurückgekehrt, hatte bislang erst 161 Premier-League-Minuten auf dem Buckel. Nun bescherte er seinem Kindheitsverein mit seinem ersten Treffer überhaupt einen wichtigen Zähler im Abstiegskampf.

„Es geht um Geduld“, sagte Simms bei Sky nach dem Spiel. „Ich musste einfach auf meine Chance warten.“ Am Samstag nutzte er sie.

Everton-Stürmer Ellis Simms feiert sein 2:2 gegen den FC Chelsea in der Premier League.

(Photo by Clive Rose/Getty Images)

„3 aus 9“-Award: Abstiegskampf der Premier League

Bei „6 aus 49“ spielen Menschen wöchentlich um Millionenbeträge. Die Lotto-Variante der Premier League findet man 2022/2023 im Abstiegskampf. Denn hier geht es um das Überleben in der lukrativsten Liga der Welt, und somit um über 200 Millionen Euro mehr an jährlichen Einnahmen als in der zweiten Liga.

Drama ist garantiert, denn gleich neun Mannschaften müssen sich ernsthaft Sorgen machen, auf einem der letzten drei Plätze zu landen. Der Abstand zwischen dem Tabellenletzten Southampton und dem Zwölften Crystal Palace beträgt lediglich sechs Punkte.

Wöchentlich ändert sich die Konstellation. Mit Southampton, Everton, Leeds, Wolverhampton und Crystal Palace haben ganze fünf Teams ihre Trainer gewechselt, was bei den ersten drei Genannten für Aufwind sorgte. Leeds hat sich durch einen 4:2-Thriller im direkten Duell mit den Wolves von den Abstiegsrängen befreit, ein plötzlich resilientes Everton ist seit drei Spielen ungeschlagen und die Saints haben aus den Partien gegen Tottenham, Manchester United und Chelsea beachtliche fünf Punkte geholt.

Die nächsten Wendungen sind garantiert, der Ausgang bleibt wohl bis zum letzten Spieltag offen. Angaben wie immer ohne Gewähr.

(Photo by JUSTIN TALLIS/AFP via Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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