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Premier League | „Final Whistle“: Drei Hattricks mit Bedeutung – Darum steht ten Hag unter Druck

4. September 2023 | Trending | BY Chris McCarthy

Am vierten Spieltag der Premier League gab es drei Hattricks. In seiner Kolumne „Final Whistle“ spricht Chris McCarthy über die Bedeutung der Schützen und äußert Kritik an Erik ten Hag. 

Premier League: Hattrick-Schütze Haaland ist ein Cheatcode

Was haben Erling Haaland, Heung-min Son und Evan Ferguson gemeinsam? Sicher, alle drei erzielten am Samstag in der Premier League einen Hattrick. Das dient hier allerdings nur als Aufhänger. Denn die drei Schützen verbindet meiner Meinung deutlich mehr. Zumindest aus Sicht der Vereine.



Beginnen wir bei Haaland: Ein Spieler so spektakulär, dass ein Dreierpack kaum noch der Rede Wert ist. Ein Offensivroboter, so emotionslos und abgezockt, dass er Tore am Fließband produziert (42 Treffer, neun Vorlagen in 39 Spielen). Unabhängig davon, wie gut er oder seine Mitspieler im Spiel sind. Und das ist das Beängstigende an der Symbiose zwischen ManCity und Haaland.

Denn der Meister erreichte in allen vier Spielen, auch beim 5:1 über Fulham, bei weitem nicht die maximale Leistungsfähigkeit, hat aber die maximale Punkteausbeute vorzuweisen. Wegen seiner Qualität, Effizienz und natürlich Haaland. In drei dieser Spiele erzielte der Norweger entweder das erste Tor, bereite es vor und/oder machte den Deckel drauf. Manchester City ist eine Maschine. Programmiert auf Punkte. Und Haaland ist der Cheatcode, der den letzten menschlichen Faktor zur Nebensache macht – Form.

Son ist die Gegenwart, Ferguson die Zukunft

Soweit sind die Tottenham Hotspur und Heung-min Son noch lange nicht. Und dennoch sind die ersten Zeichen mehr als vielversprechend. Ohne Harry Kane. Dafür aber mit einem neuen Trainer, der den Klub von den destruktiven Fesseln seiner Vorgänger Antonio Conte und José Mourinho befreit und mit mitreißendem Offensivfußball wieder zum Leben erweckt hat: Ange Postecoglou.

Zehn Punkte stehen nach den ersten vier Spielen zu Buche. Die jungen Spurs strotzen vor Spielfreude, Intensität und Eifer. Qualitäten, die derzeit kaum einer so sehr vorlebt wie Son: Als geborener Goalgetter, wie beim 5:2 über Burnley, als unermüdliche Pressingspitze und als Kapitän. Kane ist unersetzlich, aber Geschichte. Son ist die Gegenwart und Hoffnungsträger für die Zukunft.

Das bringt uns zu Evan Ferguson, der beim 3:1 über Newcastle United erst der vierte Spieler in der Geschichte der Premier League wurde, dem vor seinem 19. Geburtstag einen Hattrick erzielte. Es wird nicht der letzte gewesen sein. Der irische Stürmer bringt alles mit: Physis, Schnelligkeit, Kombinationsfähigkeit, Bewegung, Abschluss, you name it.

Auf einem Level von Son oder gar Haaland ist der Newcomer natürlich noch lange nicht. Seine Bedeutung für die Philosophie Brighton & Hove Albions ist aber keinesfalls zu leugnen. Moisés Caicedo (116 Millionen Euro), Marc Cucurella (65 Mio.), Ben White (58,5 Mio.) oder Alexis Mac Allister (42 Mio.) – ganz egal wie viele vermeintlich unersetzlichen Spieler oder auch Trainer gehen, das exzellente Scouting der Seagulls hat bereits den nächsten parat. Ferguson, der 2021 vom irischen Klub Bohemian FC kam, ist der jüngste Beweis für die hervorragende Arbeit, die der kleine Klub auf und abseits des Platzes leistet.

Haaland, Son und auch Ferguson. Sie alle erzielten am Samstag einen Hattrick, sie alle verkörpern die Identität ihrer jeweiligen Vereine.

Premier League: Manchester United ohne Identität – der Druck auf Ten Hag nimmt zu

Das bringt mich schließlich zum Topspiel des Spieltags. Zugegeben, Manchester United trennte nur Zentimeter von einem Auswärtssieg über den FC Arsenal (Alejandro Garnacho stand vor dem Last-Minute-Siegtreffer der Gunners im Abseits). Meinen Eindruck, dass die Red Devils auch im nun zweiten Jahr unter Erik ten Hag noch immer auf der Suche nach ihrer spielerischen Identität sind, hätte das aber nicht getrübt.

Havertz das Sorgenkind & ten Hags Angriffsvakuum: Arsenal vs. Manchester United in der Einzelkritik

Um das klar zustellen: Ich halte den Niederländer für einen hervorragenden Trainer. Er hat bereits einige schwierige Hürden gemeistert: Trotz Störfeuer wie Cristiano Ronaldo und das sportliche Desinteresse der Besitzer, hat er einen unbalancierten Kader zurück in die Champions League geführt. Das verdient Respekt. Zumal einige Hürden, wie die zweifelhafte Rekrutierungsstrategie und Gerüchte über einen Besitzwechsel weiterhin existent sind.

Und trotzdem: Nach 66 Pflichtspielen, zwei Sommervorbereitungen und Transfers im Bereich von 550 Millionen Euro, bei denen ten Hag mitentschied (!), wirkt Manchester United weiterhin meilenweit von dem attraktiven und produktiven Ballbesitzfußball entfernt, den er bei Ajax Amsterdam aufs Parkett brachte.

Premier League: Erik ten Hag beim Auswärtsspiel gegen Arsenal.

(Photo by GLYN KIRK/AFP via Getty Images)

Auch gegen die (schlampigen) Gunners war United spielerisch unterlegen und der in der Entstehung zwar unglückliche aber letztendlich verdiente Verlierer. Das zeigen auch die Zahlen, wie etwa die 0,96 zu 2,27 expected Goals oder 47 zu 168 Pässe im letzten Drittel. Uniteds Offensive besteht weiterhin quasi aus Kontern, Einzelaktionen und Zufallsmomenten. Flüssige Spielzüge über mehrere Stationen, herauskombinierte Chancen? Fehlanzeige.

Stattdessen häufen sich die Ausreden des Trainers, der sich nach dem Spiel viel mehr auf die Schiedsrichterentscheidungen als auf das kränkelnde Angriffsspiel fokussierte. Bleibt zu hoffen, dass er dies nicht aus Überzeugung tat, sondern lediglich sein Team in Schutz nehmen wollte.

Denn nach vier dürftigen Auftritten in der Premier League deutet derzeit wenig auf den nächsten Entwicklungsschritt, den es braucht, um die Lücke zu Manchester City und Arsenal zu schließen. Und die nächsten Störfeuer flammen bereits auf: Am Sonntag bezichtigte Jadon Sancho seinen Trainer öffentlich der Lüge. Anders als behauptet, seien nicht die Trainingsleistung der Grund für seine Nichtberücksichtigung gewesen. Der Druck auf ten Hag, er nimmt unweigerlich zu.

Chris McCarthy

(Photo by Matt McNulty/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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