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Ein ruhiger Transferwinter auf der Insel: Die Profit & Sustainability Rules der Premier League erklärt

22. Januar 2024 | Spotlight | BY David Schöngarth

Im Vergleich zu den letzten Jahren ist der Transferwinter in der Premier League in diesem Jahr auffällig ruhig. Der Grund: Die Profit & Sustainability Rules der Liga schränken viele Klubs ein. Aber was genau bedeuten die Regeln überhaupt?

Transferwinter: Wende um Hundertachtzig Grad

Leandro Trossard, Cody Gakpo, Pedro Porro, Mykhaylo Mudryk, Enzo Fernandez. Die Liste an hochkarätigen Spielern, die im Januar 2023 von Premier-League-Klubs verpflichtet wurden, ist lang. Allein Chelsea gab im Winter über 300 Millionen Euro für neue Spieler aus – mehr als alle anderen Vereine Europas außerhalb der Premier League zusammen und auch mehr als doppelt so viel, wie der FC Brentford in seiner gesamten Geschichte jemals für Transfers ausgab. Brentford beendete die Saison 22/23 auf Rang neun, Chelsea auf Rang zwölf.



Zwar soll der Kaufrausch der zu dem Zeitpunkt neuen Chelsea Besitzer Todd Boehly und Behdad Eghbali wahrlich nicht der Maßstab sein. Trotzdem fällt auf, dass sich die Premier-League-Vereine, die im letzten Januar noch zusammengerechnet knapp 850 Millionen Euro für neue Spieler ausgaben, in diesem Jahr zurückhalten. Etwas mehr als eine Woche vor Ablauf des Transferfenster haben die 20 Teams des englischen Oberhauses gemeinsam erst gut 40 Millionen Euro in die Hand genommen. 25 Millionen davon entfallen auf den Wechsel von Radu Dragusin zu Tottenham Hotspur, der einzige „größere“ Deal in diesem Winter. 16 Vereine, also eine große Mehrheit, haben noch keinen Cent ausgegeben, darunter Arsenal, Chelsea oder Newcastle. Woran liegt das?

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PSR: Das Äquivalent der Premier League zum Financial-Fairplay

Die Kauflaune der englischen Klubs wird derzeit durch die sogenannten Profit & Sustainability Rules der Premier League, kurz PSR, getrübt. Bei PSR handelt es sich um das englische Äquivalent zu den Financial-Fairplay-Regeln der UEFA, die Vereine daran hindern sollen, über ihren eigenen Verhältnissen zu leben. Oder in anderen Worten: Mehr auszugeben, als sie einnehmen. Eingeführt wurden die PSR-Regeln im Februar 2013, mit dem grünen Licht einer Mehrheit der damaligen Teams in der Liga.

Die Premier League erlaubt den Mannschaften in der Liga in einem finanziellen Zyklus von drei Jahren maximal Verluste von 15 Millionen Pfund beziehungsweise 17,5 Millionen Euro. Weitere 105 Millionen Euro Verluste im Zeitraum von drei Jahren sind erlaubt, solange sie durch gesichertes Kapital der Besitzerschaft abgedeckt werden. Simple Leihen oder Darlehen sind dabei nicht gültig. Kritiker haben längst angemerkt, dass die damals festgelegte Summe aufgrund von Inflation längst nicht mehr die finanzielle Realität des Fußballs in England widerspiegelt. Die UEFA hat darauf schon vor einiger Zeit reagiert, und ihr Regelmodell geändert: Das Financial Fairplay misst inzwischen die relativen Ausgaben eines Vereins im Verhältnis zu seinen Einnahmen.

Mykhaylo Mudryk im Trikot von Chelsea.

Deals wie der Transfer von Mykhaylo Mudryk, der einen Vertrag über acht Jahre erhalten hat, sind so nicht mehr erlaubt. Die Premier League und die UEFA haben die Regellücke geschlossen. (Photo by Naomi Baker/Getty Images)

Nicht außen vor gelassen werden sollte die Tatsache, dass Ausgaben für Infrastruktur, die Entwicklung des Frauenfußballs oder in der Jugendarbeit von der Bilanz abgeschrieben werden können, genauso wie die Verluste, die die Vereine während den leeren Stadien der Corona-Pandemie hinnehmen mussten. Außerdem wenden die Vereine einige Tricks in der Buchhaltung an. Ausgaben für Transfers können amortisiert werden, das bedeutet, dass die Transfersumme in den Büchern über die Laufzeit des gesamten Vertrags gestreckt werden kann. Ein Trick, den der FC Chelsea im vergangenen Winter perfektionierte: Mykhaylo Mudryk kostete die Blues 70 Millionen Euro, sein bis 2031 laufender Vertrag erlaubt Chelsea es jedoch, dass jährlich Verluste von „nur“ knapp 9 Millionen Euro auftauchen. Eine Lücke im Regelwerk, die sowohl die Premier League als auch die UEFA kürzlich geschlossen haben. Auf der Gegenseite tauchen Transfereinnahmen natürlich sofort in voller Gänze in den Büchern der Klubs auf.

Everton und Nottingham: Die Sorgenkinder der Premier League

Ganz besonders gefährdet von den Profit & Sustainability Rules der Premier League sind Everton und Nottingham Forest. Die Toffees leiden unter jahrelangem finanziellem Mismanagement durch Besitzer Farhad Moshiri, der den Klub aus Liverpool am liebsten so schnell wie möglich loswerden will. Mit 777Partners steht ein Abnehmer schon bereit. Schon für die Saison 2021/22 überschritten die Zahlen in der Bilanz der Toffees die erlaubten Grenzen. Im März 2023 gab die Premier League den Fall deshalb an eine unabhängige Kommission weiter, die das Strafmaß festlegen sollte. Ende des Jahres wurden den Toffees dann zehn Punkte abgezogen – eine Rekordstrafe, gegen die Everton Einspruch eingelegt hat. Auf dem Platz schöpfte das Team von Sean Dyche mit dem Rücken zur Wand neue Energie – und steht daher aktuell verdient knapp über dem Strich. Jetzt könnte jedoch der nächste Rückschlag folgen, denn auch in der Spielzeit 2022/23 haben die Toffees rote Zahlen geschrieben und die PSR-Regeln gebrochen. Erneut wurde eine Kommission beauftragt.

Everton-Fans protestieren gegen den Punktabzug

Fans des FC Everton protestieren gegen den Punktabzug der Premier League. (Photo by Michael Regan/Getty Images)

Gleiches gilt für Nottingham Forest, die in der Aufstiegssaison 30 Spieler verpflichteten – mit einer Transferbilanz von minus 190 Millionen Euro. Das große Problem für Forest: Der Verkauf von Eigengewächs Brennan Johnson für 55 Millionen Euro an Tottenham erfolgte erst im September 2023 – das Finanzjahr für die Saison 22/23 endete jedoch bereits im Juni.

Auch Topteams halten sich zurück – wie sieht es mit Manchester City aus?

Die finanziellen Auflagen der Premier League bereiten jedoch auch vielen weiteren Teams Kopfzerbrechen, so zum Beispiel Newcastle, Arsenal oder Chelsea. Keine der drei Mannschaften muss sich Sorgen um Punktabzüge machen, viele Möglichkeiten auf dem Winter-Transfermarkt bleiben nach teuren Einkäufen in den letzten Jahren trotzdem nicht. Die Gunners gaben seit dem Sommer 2022 knapp 400 Millionen Euro für neue Spieler aus, Newcastle um die 330 Millionen. Chelsea spielt bei Transfers wie erwähnt in einer eigenen Liga. Immerhin: Arsenal und Newcastle dürfen sich im Sommer auf zusätzliche Einnahmen aus der laufenden Champions-League-Saison freuen.

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Keine Diskussion über PSR vergeht, ohne dass Manchester City ins Spiel kommt. Immerhin erhob die Premier League im Februar 2023 in 115 Punkten Anklage gegen den amtierenden Meister und Champions-League-Sieger. Wie geht es in dem Fall nun weiter? Die kurze Antwort lautet: Es ist noch unklar, wann und in welcher Form die Cityzens bestraft werden, falls die unabhängige Kommission sie für schuldig befindet. Zu umfangreich ist der Fall Manchester City, als dass man ihn mit Everton oder Nottingham Forest vergleichen könnte.

Das Etihad Stadium von Manchester City von außen.

Wie geht es weiter mit Manchester City? Gegen den amtierenden Meister wurde Anklage in 115 Punkten erhoben. (Photo by Charlotte Tattersall/Getty Images)

Geht es eigentlich auch anders? Zu den Teams, die von den PSR-Regeln der Premier League komplett ungefährdet sind, zählt unter anderem Tottenham Hotspur. Folglich sind die Spurs auch eines der aktivsten Teams in dem aktuell sonst ruhigen Transferfenster. Dabei profitiert die Mannschaft aus dem Norden Londons natürlich von dem Verkauf Harry Kanes an den FC Bayern München im Sommer. Aber auch abseits des Transfergeschäfts zählt Tottenham zu den profitabelsten Fußball-Klubs der Welt. Das liegt unter anderem an dem neuen Stadion der Spurs, mit dem der Verein seine Einnahmen aus Ticketerlösen in den letzten Jahren im Vergleich zur alten White Hart Lane mehr als verdoppelt hat. Auf einen ähnlichen Effekt wird auch Everton hoffen, deren neues „Everton Stadium“ zur Saison 2025/2026 fertig sein soll.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

David Schöngarth

Aufgewachsen mit Grafite, Luca Toni und Co. entfachten Gareth Bale und Mauricio Pochettinos Spurs in David eine Leidenschaft für die Premier League. Interessiert sich für alles, was auf der Insel vor sich geht. Seit 2022 bei 90Plus.


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