Premier League Vorschau Teil 1: Arsenal, Everton, Leeds United, Newcastle United

9. August 2021 | Vorschau | BY Chris McCarthy

Am 13. August startet die Premier League mit dem Spiel zwischen Brentford und Arsenal in die neue Saison. Im ersten Teil unserer großen Saisonvorschau stellen wir den FC Arsenal, den FC Everton, Leeds United und Newcastle United vor.

  • Kommt Arsenal wieder in die Spur?
  • Benitez übernimmt Everton
  • Überzeugen Leeds und Bielsa auch in Jahr zwei?

Arsenal (Letzte Saison: 8. Platz)

Das erste volle Jahr unter Mikel Arteta (39) hatte man sich im Norden Londons sicher ganz anders vorgestellt. Vorschusslorbeeren und positive Ansätze der Rückrunde 2019/2020 waren schnell vergessen: Die Gunners legten einen historisch schlechten Saisonstart hin und landeten in einer Negativspirale. Erst mit dem Jahreswechsel folgte die Wende. Arsenal holte die viertmeisten Punkte aller Mannschaften im Kalenderjahr. Doch das Loch war zu tief, die Leistungsschwankungen und die Anzahl der individuellen Fehler auch im Anschluss zu groß. Am Ende sprang nur ein enttäuschender achter Platz heraus. Die erste Saison ohne europäischen Fußball seit 25 Jahren ist die Konsequenz.

Noch einmal soll und darf das nicht passieren. Der Umbruch bei Arsenal ist in vollem Gange. Doch Trainer Mikel Arteta steht unter Druck, ebenso wie Technischer Direktor Edu (43).

Gunners im Umbruch

Der FC Arsenal startete im Sommer einen größeren Umbruch. David Luiz (34, vereinslos), Dani Ceballos (24), Leihrückkehr Real Madrid), Mattéo Guendouzi (22, Vorerst Leihe Olympique Marseille) sind bereits weg. Hector Bellerin (26), Sead Kolasinac (28), Lucas Torreira (25) und Willian (32) sollen noch gehen. Vielleicht sogar mehr. Innenverteidiger-Hoffnung William Saliba (20), 2019 für 30 Millionen Euro verpflichtet, wurde erneut verliehen, um Spielpraxis zu sammeln.

Dafür soll Arteta, der weiterhin hohes Vertrauen genießt, die Spieler erhalten, die er benötigt, um seine anspruchsvolle aber bislang blasse Spielphilosophie umzusetzen. Trotz Coronavirus und ausbleibenden Einnahmen durch den europäischen Fußball demonstrieren die Gunners eine ungewohnt hohe Bereitschaft, zu investierten. Die Verpflichtungen von Mittelfeldtalent Albert Sambi Lokonga (21, Anderlecht, 18 Millionen Euro), Linksverteidiger-Backup Nuno Tavares (21, Benfica, 8 Millionen) und Ben White (23, Brighton, rund 58 Millionen) sind bereits perfekt.

Doch damit nicht genug. Ein Zehner soll das Offensivspiel vorantreiben. Sowohl Martin Ödegaard (22, Real Madrid), der bei seiner Leihe einen bleibenden Eindruck hinterließ, als auch James Maddison (24, Leicester) werden gehandelt. Darüber hinaus wurde lange nach einem Upgrade zu Granit Xhaka gesucht (28), lange schien es als würde man mit Aaron Ramsdale (23) einen Konkurrenten zum unkonstanten Bernd Leno (29) holen. Dann änderten sich die Pläne. Die Upgrades wurden als finanziell nicht lohnenswert empfunden, zumal Xhaka trotz Limitierungen als Taktgeber und Leader sehr einflussreich ist und die AS Roma nicht genug bot. Sein Vertrag wurde verlängert.

Stattdessen schien plötzlich ein Top-Stürmer in Lautaro Martinez (23, Inter) verfügbar zu werden. Hier ist Arsenal mit Pierre-Emerick Aubameyang (32) und Alexandre Lacazette (30) zwar gut bestückt. Allerdings könnte der schwankende Lacazette, dessen Vertrag 2022 ausläuft, noch abgegeben werden. Im Fokus sind spielstarke Stürmer, die zudem das Pressing vorantreiben können. Ob es Martinez wird, darf durch den Abgang von Sturmpartner Romelu Lukaku (28) zu Chelsea bezweifelt werden. Plan B, Tammy Abraham (23), steht bei Atalanta auf dem Zettel. Noch ist also bis Transferschluss viel zu tun.

Photo: xAaronxChownx/Imago

Arsenal: Problemkind Offensive

Eine Woche vor Saisonbeginn ist man im Norden Londons mit der Kaderplanung also lange nicht so weit wie erhofft. Dabei hat Arteta einiges an Arbeit vor sich. Die Gunners stellten 2020/2021 klammheimlich die drittbeste Defensive der Premier League. Dies ging jedoch auf Kosten der Offensive. Zu statisch, zu behäbig und zu krampfhaft wurde der Ball nach vorne befördert.

Die Transfers zeigen, dass das kränkelnde Offensivspiel grundlegend verbessert werden soll. White ist nicht nur ein hoch veranlagter Verteidiger, sondern verfügt über ein beachtliches progressives Passspiel. Lokonga zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, stets den Weg nach vorne zu suchen. Mittelfeldmotor Thomas Partey (28), der nach seiner Ankunft letzten Sommer in der Vorbereitung in bärenstarker Verfassung war, sollte nach einem verletzungsgeplagten Jahr ebenfalls aus der Zentrale antreiben. Allerdings fällt dieser die ersten Wochen erneut aus.

Darüber hinaus herrscht im Norden Londons berechtigte Hoffnung, dass das vorhandene Spielerpersonal von einem besseren Aufbauspiel profitiert und sich auch individuell steigert. Aubameyang sollte nach einem ungewohnt glücklosen Jahr vor dem Tor (10 Treffer) wieder in die Spur finden, zu gut ist seine Quote, zu hoch seine Klasse. Wenngleich seine Vorbereitung enttäuschend war. Nicolas Pépé (24) deutete eineinhalb Jahre nach seinem 80 Millionen Euro teuren Wechsel an, endlich der erhoffte Unterschiedsspieler auf dem Flügel sein zu können. Bukayo Saka ist das trotz seiner 19 Jahre schon jetzt. Der tragische EM-Held hat das Potential, 2021/2022 einer der einflussreichsten Youngster auf der Insel zu werden. Er ist das Gesicht der neuen Young-Guns um Emile Smith Rowe (21) und Gabriel Martinelli (20), zu denen sich nun auch Sturmhoffnung Folrian Balogun (20) und vielleicht auch Mittelfeldtalent Miguel Azeez (18) gesellen sollen.

Damit das gesamte Konstrukt allerdings läuft, lastet ungemein viel Verantwortung auf der Position des Zehners. Denn noch immer erspielten sich die Gunners in der Vorbereitung zu wenig Chancen. Mit Emile Smith Rowe (21) steht einer in den Startlöchern.

Player to watch: Emile Smith Rowe

Als Emile Smith Rowe zum Jahreswechsel in die erste Elf stieß, hatte Arsenal die sechstwenigsten expected Goals der Premier League erspielt: 15,49 in 14 Spielen. In den 24 Spielen danach waren es mit 36,75 xG der sechstbeste Wert. Der Sprung von 1,11 auf 1,53 xG pro Spiel ist kein Zufall. Der Junge Zehner, der langfristig verlängerte, verlieh der Mannschaft ein Komponente, die bislang fehlte. Dank seiner herausragenden Technik und Spielintelligenz attackierte er immer wieder die Lücken im letzten Drittel, per Dribbling, tödlichem Pass oder genialen One-Touch-Aktionen.

 

Doch Smith Rowe hat erst 22 Ligaspiele auf dem Buckel, die spektakulären Vorlagen und Tore, sprich die Produktivität, gehören bei ihm zudem noch nicht zum Alltag, weshalb Arsenal auf seiner Position noch händeringend nach einem Top-Spieler sucht. Noch wurde dieser allerdings nicht verpflichtet, geschweige denn integriert. Folglich wird Smith Rowe insbesondere beim Saisonstart gefordert sein. Dass man ihm diese Rolle zutraut, bewiesen die Gunners noch vor dem Saisonstart: Die passende Rückennummer, die prestigeträchtige Zehn, hat er bereits bekommen.

Prognose:

Die Vorbereitung wurde durch das abgesagte Trainingslager gestört, die Kaderplanungen sind noch nicht abgeschlossen. Doch die Zeit für Ausreden ist vorbei: Die Qualität ist da, die Talente reifer, ein Top-Zehner sollte zudem noch kommen. Ein Platz unter den ersten Sechs ist also realistisch, zumal die Gunners ohne europäische Belastung durch die Saison gehen. Und genau das sollte der nächste Schritt sein, ehe man wieder von höheren Sphären träumt. Stolpern die Gunners erneut, dann dürften schon bald die nächsten Korrekturmaßnahmen folgen. Dieses Mal auf Trainerbank und Direktor-Posten. 

 

FC Everton (10. Platz)

Schon lange träumt man beim FC Everton davon, in die Top-Six der Premier League vorzudringen. Viele Transfers wurden getätigt, insgesamt für etwa eine halbe Milliarde Pfund, doch das Ziel nie erreicht. Das schien sich mit der Ankunft von Carlo Ancelotti (62) zu ändern. Mit dem Flair des Italieners, neuer Stabilität, einem James Rodriguez in Topform und dank des Durchbruchs von Dominic Calvert-Lewin (24) waren die Toffees zu Beginn der Saison ihrem Ziel ganz nah. Am Ende ging der Mannschaft jedoch zunehmend die Luft aus, gerade zu Hause. Platz zehn war letztendlich eine Enttäuschung, die Saison für viele aber ein Schritt in die richtige Richtung, da Ancelotti einen Plan zu haben schien.

Der nächste Entwicklungsschritt bleibt nun allerdings aus, zumindest unter Ancelotti. Der Italiener folgte dem Lockruf aus Madrid. Kann Rafael Benítez (61) den Weg fortsetzen?

xOwenxHumphreysx/Imago

Benitez wird kritisch beäugt

Die Ankunft von Rafa Benitez wurde kritisch beäugt, nicht wegen seinen Fähigkeiten oder seiner Zeit bei Newcastle, wo er aus wenigen Mitteln das Maximum herausholte. Der Spanier trainierte einst den großen Stadtrivalen FC Liverpool und bezeichnete damals Everton als „kleinen Klub.“ Mittlerweile hat sich der 61-Jährige dafür entschuldigt, dennoch steht er direkt unter Zugzwang. Ancelotti erfreute sich bei den Toffees großer Beliebtheit.

Und auch der Kader hat mittlerweile eine solide Basis. Sicher, es gibt immer noch Überbleibsel der kostspieligen Fehlinvestitionen der vergangenen Jahre. Die Abgänge von Bernard (28, Sharjah FC), Theo Walcott (32, FC Southampton) Yannick Bolasie (32, vereinslos) und Muhamed Besic (28, vereinslos) sind ein Anfang. Namhafte Zugänge suchte man am Merseyside River diesen Sommer bislang aber vergeblich. Die Verpflichtungen von Demarai Gray (20, Bayer Leverkusen, 2 Millionen Euro) und der ablösefreien Andros Townsend (30, Crystal Palace) sowie Backup-Keeper Asmir Begovic (34, AFC Bournemouth) sind eher Spieler für die Breite. Wenngleich Gray bereits verheißungsvolle Ansätze zeigte.

Es scheint, als wolle man beim FC Everton nun unspektakulärer eine Mannschaft weiterentwickeln. Benitez soll hierzu den Rahmen bilden. Mit Englands Torwart-Rückhalt Jordan Pickford (27), den Abwehrspielern Michael Keane (28) und Ben Godfrey (23), Mittelfelddynamo Abdoulaye Doucoure (28) und -stratege Allan (30) sowie den Angriffshoffnungen Calvert-Lewin und Richarlison (24) hat er auch genügend Spielermaterial, auf das sich aufbauen lässt.

 

Everton: Benitez hat einen Plan

Wie könnte der FC Everton nun unter Benitez aussehen? Glaubt man den Eindrücken der Vorbereitung, sollen die Toffees kompakt stehen, diszipliniert verschieben und nach Balleroberung mit wenigen Ballkontakten zielstrebig umschalten. Zumeist soll das über die Flügel gehen, hier setzt der spanische Trainer auf Flanken als Offensivwaffe.

Das gesamte Konzept spielt dem kompletten Kader in die Karten, zumal dieser sich 2020/2021 im Ballbesitz schwer tat: Doucouré ist der energische Zweikämpfer, Allan kann mit seinem Passradius gezielt Digne, der hervorragend flanken kann, oder einen temporeichen Dribbler wie Richarlison in Szene setzen. Auch James Rodriguez, sofern die Formation ein 4-2-3-1 ist, sollte mit seiner Gedankenschnelligkeit und Technik ein wichtiger Impulsgeber sein können. Im Vorjahr begann er stark und ließ ebenso stark nach. Gelingt es Benitez, den Kolumbianer nach dem Abgang seines Mentors Ancelotti wachzurütteln?

Der Fokus der Ausrichtung, die Speerspitze des Systems ist und bleibt Calvert-Lewin. Als kopfballstarker Vollstrecker im Zentrum, oder sprintstarker Konterspieler, der zudem das Spielfeld strecken kann: Der 24-jährige EM-Teilnehmer ist einer der wichtigsten Komponenten des Systems. Doch da liegt auch das Problem. Oftmals war Everton zu leicht auszurechnen, einen richtigen Ersatz für den Neuner gibt es ebenfalls nicht. Ein oder zwei punktuelle Verstärkungen wären daher wünschenswert.

Player to watch: Jean-Philippe Gbamin

Eine tragende Komponente möchte nun auch endlich Jean-Philippe Gbamin (25) werden. 2019 wechselte er für 25 Millionen Euro aus Mainz nach Everton. Das Trikot seines neuen Arbeitgebers trug er seitdem aber nur drei Mal: Oberschenkel-, Achillessehnen- und Knieverletzungen ließen mehr nicht zu. Jetzt aber ist Gbamin fit.

In der Vorbereitung überzeugte der zentrale Mittelfeldspieler durch seine Physis, Ausdauer, Spielintelligenz und Balance zwischen Defensivverantwortung und dominanten Vorstößen. Sollte kein Rückschlag dazwischen kommen, dürfte Gbamin beim Ligaauftakt am 14. August gegen den FC Southampton gesetzt sein. Ein Spieler seiner Präsenz hat der Mannschaft in den letzten Jahren gefehlt. Nun könnte sich der Ivorer nicht nur als entscheidendes Puzzlestück erweisen, sondern gleichzeitig für mehr Tiefe im Mittelfeld sorgen. Der Konkurrenzkampf wäre angeheizt, Rodriguez und Allan unter Zugzwang.

Prognose

Der Trainerwechsel kam in Everton nicht sonderlich gut an. Doch Benitez hat die Qualitäten, die Mannschaft nach einem Rückschlag im Sommer nicht nur zu stabilisieren, sondern den Weg, den sein Vorgänger einschlug, fortzuführen. Mehr als ein erneuter Platz im Mittelfeld wäre dennoch überraschend, zu groß war der Knick im Sommer und der Rückstand auf die Konkurrenz in der Vorsaison. Doch alleine Kontinuität wäre für die Toffees ein Fortschritt. Benitez ist der sechste Trainer in acht Jahren.

 

Leeds United (9. Plaz)

Selten zuvor wusste ein Tabellenneunter die Premier League so positiv aufzumischen. Selten zuvor handelte es sich dabei um einen Aufsteiger: Nach 16 Jahren kehrte Leeds United letztes Jahr in das englische Fußballoberhaus zurück. Und wie. Die Mannschaft von Taktikfuchs Marcelo Bielsa (66) begeisterte mit Geschlossenheit, Unbekümmertheit und strotze nur so vor Intensität. Egal wie der Gegner hieß.

Manchester City wurde beim 1:1 im heimischen Stadion phasenweise an die Wand gespielt, auswärts beim Meister gab es mit einem ungewohnt konterorientierten Auftritt sogar einen 2:1-Sieg. Am Ende sicherte sich Leeds United einen beachtlichen neunten Platz und zeigte, dass auch mit weniger Qualität viel möglich ist, solange Spielidee und Mentalität stimmen. Können die Whites ihr Tempo 2021/2022 aufrechterhalten?

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Leeds ohne signifikanten Änderungen

Wie beeindruckend die letzte Saison für Leeds United war, zeigt die Tatsache, dass die Transfers des Sommers kaum eine große Rolle spielten. Von den Neuzugängen, immerhin über 100 Millionen Euro teuer, avancierte einzig Raphinha (24, sechs Tore, neun Assists) zu einer tragenden Kraft auf dem Flügel. Rodrigo (30, 7 Tore in 26 Spielen) zeigte Ansätze, doch auch er sowie Robin Koch (25), Diego Llorente (27) und Hélder Costa (27) blieben den Erwartungen ingesamt zurück. Grund dafür waren vor allem Verletzungen. Die Leistungsträger waren die Stützen der Zweitligameistermannschaft von 2019/2020, die einen weitere Sprung machten und unter der Regie ihres Trainers ein fabelhaft abgestimmtes Konstrukt bildeten.

Aufgegeben hat man die Neuverpflichtungen des Vorjahres nicht. Das zeigt alleine die Tatsache, dass Leeds United auf dem Transfermarkt bislang eher verhalten zu Werke ging. Einzig Junior Firpo (24) stieß als externer Neuzugang dazu. Der 24-Jährige kam für 15 Millionen Euro vom FC Barcelona, soll die Linksverteidigerposition zu einer Waffe machen und den eigentlichen Rechtsverteidiger Stuart Dallas (29) rechts oder ins Mittelfeld rücken lassen.

Darüber hinaus wurde Jack Harrison (24), mit acht Toren und acht Vorlagen einer der Top-Scorer der Mannschaft, für 13 Millionen Euro fest verpflichtet. Ein Schnäppchen für die Whites. Kaum ein Spieler personifiziert so sehr den typischen Bielsa-Spieler: Ein Akteur, der große technische Qualitäten mit immensem Arbeitsaufwand vereint. Die Abgänge von Publikumsliebling Pablo Hernández (36), Ezgjan Alioski (29) oder Gaetano Berardi (32) hatten eher emotionalen Wert.

 

Der Star ist der Trainer

Weitere großartige Veränderungen sind im Kader nicht zu erwarten. Die wichtigste Mann an der Elland Road sitzt ohnehin auf der Bank:  Trainer Marcelo Bielsa. Der detailversessene Eigenbrötler, für Pep Guardiola der beste Trainer der Welt, unterzeichnet standesgemäß nur Einjahresverträge. Wie im Vorjahr, lässt er sich damit auch 2021 Zeit. Einen Zweifel, ob er auch in der kommenden Saison an der Seitenlinie stehen wird, gab und gibt es aber nicht. Im Gegenteil, er verzichtete auf einen Heimaturlaub, bereitete sich akribisch auf die neue Saison vor. Eine Saison, in der er wieder der Star der Mannschaft sein wird, so wenig er den Status auch mag.

Denn die Spieler von Leeds United ordnen sich dem Bielsa-System allesamt unter, setzen seine Spielphilosophie aufopferungsvoll um. Der Argentinier verlangt eine absurd hohe Intensität, im Training sowie im Spiel, ob im Pressing oder im Zweikampfverhalten. Der Gegner soll überrumpelt, der Weg nach vorne ohne Umwege gesucht werden. Immer wieder erwarten Kritiker, dass Bielsas Mannschaften irgendwann vor Erschöpfung einknicken müssten. Doch mit jedem Spieltag scheinen sie nur noch schneller zu laufen, und das, obwohl kein Trainer 2020/2021 weniger Spieler einsetzte als Bielsa. Er mag kleinere Gruppen, Teamgeist und Motivation profitieren davon.

Der Dank für den Einsatz? Bielsa kitzelt aus seinen Akteuren ein Leistungslevel heraus, wovon sie nicht mal selbst überzeugt waren, dass sie es hatten. Rechtsverteidiger Stuart Dallas (29) spielte in seiner ersten Premier-League-Saison Linksverteidiger und schoss acht Tore. Patrick Bamford (27), in der Championship oft als Chancentod verschrien, rückte sogar in den Fokus der Nationalmannschaft, überzeugt als Vollstrecker und Vorbereiter (17 Tore, acht Vorlagen). Und Taktgeber Kalvin Philipps (25), ein Mann aus der eigenen Jugend, war ein Schlüsselspieler des EM-Finalisten England. Sie alle werden auch 2021/2022 die Schlüsselspieler sein.

Player to watch: Ilan Meslier

Die forsche Herangehensweise von Leeds United bedeutet auch eine große Belastung für die Hintermannschaft. Da auch diese nicht mit den qualitativ hochwertigsten Spielern Englands gesegnet ist, führte das zu den viertmeisten zugelassenen Schüssen in der Liga. Und trotzdem hatten die Whites „nur“ die siebtmeisten Gegentore und ganze elf weiße Westen vorzuweisen.

Das lag vor allem an Illan Meslier. Trotz seiner 21 Jahre entwickelte sich der Torhüter zu einem sicheren Rückhalt. Der Franzose ist hochtalentiert, aufgrund seiner Jugend aber noch nicht fehlerfrei. Dafür ist Meslier, der im Sommer 2020 vom FC Lorient kam, mit einer beachtlichen Nervenstärke gesegnet. Darüber hinaus verfügt er über eine starke Strafraumbeherrschung und gutes Passspiel.

Mit einer geglücktem Debütsaison in der Premier League im Rücken, wird Meslier 2021/2022 versuchen, sich in den Fokus der französischen Nationalmannschaft zu spielen. Im Mai machte er sein erstes Spiel für die U21.

Prognose

Vor 20 Jahren wurde Leeds United der Größenwahn zum Verhängnis: Aus einem Champions-League-Halbfinalisten wurde schließlich ein Zweitligst. Manch einer träumt in Yorkshire wieder von europäischen Nächten, so eindrucksvoll war die Arbeit der letzten Jahre. Andere fürchten einen Absturz wie beim Nachbarn: Sheffield United wurde nach dem Aufstieg Neunter und stieg nun als Letzter ab. Leeds Uniteds Saison 2021/2022 dürfte genau in der Mitte liegen. Und das wäre nicht nur ein Erfolg, die Etablierung im Mittelfeld der Premier League wäre ein weiterer Schritt in der Aufwachphase eines schlafenden Riesen. Bielsa sei Dank. 

 

Newcastle United

Lange dümpelte Newcastle United 2020/2021 gefährlich nahe an den Abstiegsplätzen herum. Zwischen dem zwölften und 30. Spieltag gewannen die Magpies ganze zwei Spiele. Wären Zuschauer im St. James’s Park zugelassen, wäre der Druck für Trainer Steve Bruce (60) womöglich zu groß geworden. Doch der Engländer konnte in Ruhe weiterarbeiten und hatte eine gute Ausrede: Seine Mannschaft wurde von einem Coronavirus-Ausbruch und großen Verletzungspech heimgesucht. Viele Stützen fielen lange Zeit aus, manche kämpften sogar mit Langzeitschäden von COVID-19. Pünktlich zum Schlussspurt wurde das Team wieder fit, verlor nur zwei der letzten neun Spiele und sicherte sich letztendlich den Klassenerhalt.

2021/2022 möchte man nun in Newcastle herausfinden, was der oftmals kritisch beäugte Bruce mit einer vollen Vorbereitung, einem fitten Kader bewerkstelligen kann. Auf viel mehr kann er ohnehin nicht hoffen.

xBarringtonxCoombsx/Imago

Newcastle: Ashley weigert sich, das Portmonee zu zücken

Großartige Unterstützung auf dem Transfermarkt wird Bruce nämlich nicht erhalten. Noch immer hat der nahezu verhasste Besitzer Mike Ashley das Sagen, noch immer scheut er sich davor den Geldbeutel zu öffnen. Folglich ist der größte Wechsel, den man sich in Newcastle herbeisehnt, ein Wechsel an der Spitze. Doch der Verkauf an ein saudiarabisches Konsortium platzte und so müssen die Fans der Magpies zunächst auf kleinere Investitionen hoffen, die sich auszahlen.

Eine solche war im Winter die Ausleihe von Joe Willock (21). Der Mittelfeldspieler kam vom FC Arsenal und war das Gesicht des Umschwungs. Der dynamische 21-Jährige, zuvor mit einem Premier-League-Tor auf seinem Resumé, erzielte in sieben aufeinanderfolgenden Spielen einen Treffer – Rekord. Bei den Gunners hat er wohl keine realistische Chance auf Spielzeit, in Newcastle würde man Willock gerne erneut verpflichten. Die Chancen stehen gut. Eine derartige Produktivität wie in der Rückrunde 2020/21 von dem Engländer zu erwarten, wäre allerdings vermessen.

Ohnehin brauch es mehr Verstärkungen, mehr Impulse, mehr Euphorie. Bruce wünscht sich noch drei oder vier Neuzugänge. Dadurch, dass Christian Atsu (29, Al-Raed), Florian Lejeune (30, Deportivo Alaves), Andy Carroll (32, vereinslos) und Henri Saivet (30, vereinslos) von der Gehaltsliste gestrichen wurden, kann er zumindest noch hoffen.

Mehr Mut erwünscht

Bis dahin muss Bruce erfinderisch werden. Denn bislang war es um den St. James’s Park eher trist bestimmt. Das lag vor allem am Spielstil, den der Trainer praktizieren lässt. Der 60-Jährige setzt auf Kompaktheit und eine defensive Grundordnung. Das Offensivspiel war vor allem in der Hinrunde mit das lethargischste der Premier League. Die Defensive stabilisierte sich dadurch ebenfalls nicht, wenngleich Abwehrchef Jamaal Lascelles (27) nur auf 19 Einsätze kam. Erst mit dem Jahreswechsel ließ Bruce mehr attackieren, was ebenso wie der Wechsel zu einer Dreierkette massiven Anteil am Klassenerhalt hatte. Auf 18 Tore folgten zur Rückserie 28.

Möchte Bruce seinen Stand bei den Fans, die anders als im Vorjahr nun auch im Stadion ihren Unmut äußern können, nicht weiter verschlechtern, wäre er gut beraten, 2021/2022 mit dem Fuß auf dem Gaspedal zu eröffnen. Glücklicherweise mit einer Dreierkette, was Medienberichten zufolge der Wunsch der Mannschaft ist. Hier blühten Matt Ritchie (31) und Jacob Murphy (26) gegen Saisonende auf den Flügeln regelrecht auf. Damit der Plan aufgeht, bedarf es jedoch mehr Tiefe, einen schnellen Innenverteidiger und vor allem einen balltreibenden, dynamischen Mittelfeldspieler mit Offensivdrang – Willock scheint unverzichtbar zu sein, ehe er überhaupt verpflichtet wurde. Weitere Lücken tun sich schon vor dem Saisonstart auf: Stammkeeper Martin Dubravka (32) wurde operiert, Ersatz Karl Darlow (30) kämpft mit dem Coronavirus.

In der Offensive sieht es besser aus. Mit Dribbelkünstler Allain St. Maximin (24) – zuweilen zu verspielt, aber wohl der talentierteste und gefährlichste Spieler der Offensive – sowie Jacob Murphy (26), Ryan Fraser (27) und Kreativgeist Miguel Almiron (27) ist durchaus Qualität vorhanden. Ein Vollstrecker glücklicherweise auch: Callum Wilson (29), mit 22 Millionen Euro der teuerste Neuzugang des letzten Sommers, schlug voll ein. Zwölf Tore und fünf Vorlagen in 26 Spielen sind bei dem limitierten Angriffsspiel eine respektable Quote.

Daniel Chesterton/Imago

Player to watch: Jamal Lewis

Bei limitierten finanziellen Möglichkeiten ist es wichtig, dass die wenigen signifikanten Inventionen tatsächlich aufgehen. Wilson und Willock waren positive Beispiele, Joelinton (24, 44 Millionen Euro) ein schlechtes. In diese Kategorie gehört bislang leider auch Jamal Lewis (23). Mit 16,5 Millionen Euro war er neben Wilson der einzige Millionen-Transfer des vergangenen Sommers. Die Verpflichtung des Linksverteidigers wurde von vielen Experten als Coup betrachtet. Ein Coup, der bei entsprechender Entwicklung nicht nur einen sportlichen sondern auch einen finanziell Gewinn für die Magpies bedeuten könnte.

Eben diese Entwicklung blieb 2020/2021 aus. Bis März hatte der 20-fache nordirische Nationalspieler seinen Stammplatz an Ritchie verloren. Bruce sprach in der Vorbereitung von einer Lernkurve für Lewis und, dass dieser noch sehr jung sei.  In dieser Saison wird er nun eine neue Chance erhalten, seine Investition zu rechtfertigen. Als offensivhungrige Prototyp eines modernen Außenverteidigers, könnte ihm das 3-5-2 dabei in die Karten spielen.

Prognose

Bei Newcastle United fällt es schwer, euphorisch zu werden. Denn solange Ashley keinen Käufer findet, wird sich der Klub nicht weiterentwickeln. Bleibt die Mannschaft fit und Bruce mit dem Systemwechsel konsequent, sollte genügend Qualität im Kader sein, um den Klassenerhalt zu schaffen. Viel mehr ist nicht drin. Im Gegenteil, sollte Newcastle bei Willock leer ausgehen und weitere Neuzugänge ausbleiben bzw. nicht zünden, könnte das große Zittern losgehen. Anders als im Vorjahr dürfte es 2021/2022 bei ausbleibenden Ergebnissen im St. James’s Park schnell ungemütlich werden. 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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