Spotlight | Nach einer durch Titel und Triumphe geprägten Dekade befindet sich der erfolgsverwöhnte Serie-A-Rekordmeister Juventus Turin in einem komplizierten Umbruch. In der Saison 2023/24 wird die „alte Dame“, infolge eines Urteils des europäischen Fußballverbandes UEFA, die internationale Bühne nicht betreten. Doch wo liegen die Ursachen begründet, respektive wie sieht die Perspektive in Norditalien aus?
Quo vadis Juventus?
Am 10. Juli 2018 wechselte ein gewisser Cristiano Ronaldo für die bis zum heutigen Tage vereinsinterne Rekordablöse von 117 Millionen Euro aus dem königlichen Ensemble von Real Madrid zum Rekordmeister der Serie A – Juventus Turin. Ein offenkundiges, sportliches wie wirtschaftliches Statement der „alten Dame“. Der erste internationale Titel nach dem Champions-League-Triumph 1996 wurde als logische Konsequenz dieser kostspieligen Investition einkalkuliert. Fünf Jahre später ist das CR7-Kapitel längst ad acta gelegt und der portugiesische Megastar kassiert fleißig Riyal (saudi-arabische Währung; Anm. d. Red.) in der Geld-Oase des Wüstenstaates.
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Korrupte Juventus-Führung
Über dem modernen Allianz-Stadium der 850.000-Einwohner-Stadt Turin hängen mittlerweile tiefschwarze Wolken. Juventus, neunmal in Folge Meister zwischen 2012 und 2020, wird in der Saison 2023/24 auf der internationalen Bühne nicht vertreten sein. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Zuvorderst holen korrupte Handlungen der Vergangenheit die „Bianconeri“ ein. So wurde dem traditionsreichen Verein aus der Region Piemont, aufgrund gesetzwidriger Finanztricks, während der Spielzeit 2022/23 ein Zehn-Punkte-Abzug auferlegt. Im Detail hatten die Klub-Funktionäre jahrelang die Marktwerte der Profis verfälscht und dadurch bei Transferaktivitäten die Bücher geschönt.

In Folge dieser Sanktion belegte Juventus nur den siebten Serie-A-Rang, welcher vermeintlich zur Qualifikation für die Europa-Conference-League-Playoffs berechtigte. Doch die Teilnahme am kleinsten kontinentalen Wettbewerb durchkreuzte der europäische Fußballverband UEFA. Wegen Verstößen gegen die Finanzregularien wurde ein entsprechender einjähriger Ausschluss und zudem eine Strafe über 10 Millionen Euro (plus weitere 10 Millionen Euro auf Bewährung) verhängt. Auf eine mögliche Berufung verzichteten die Juve-Verantwortlichen.
Ein weiteres Thema, welches die Gazetten in den vergangenen Monaten aufhorchen ließ, war die umstrittene Super League. Als Gründungsmitglied wollte Juventus Turin, insbesondere in Persona des ehemaligen Präsidenten Andrea Agnelli, aus dieser öffentlichkeitswirksamen Fußball-Revolution sportlich wie finanziell partizipieren. Unterdessen sind jedoch die Pläne über den Haufen geworfen worden und die „alte Dame“ aus dem Zusammenschluss diverser Branchenriesen offiziell ausgetreten.
Prestige-Transfers ohne nachhaltigen sportlichen Wert prägen die jüngeren Juventus-Vergangenheit
Neben den wirtschaftlichen haben selbstredend auch sportliche Faktoren zum Absturz des italienischen Rekordmeisters (36 Titel) geführt. In der jüngeren Vergangenheit ist beziehungsweise war die Juventus-Personalpolitik von Prestige-Transfers ohne nachhaltigen sportlichen Wert gekennzeichnet. Renommierte Akteure wie angesprochener Cristiano Ronaldo oder Ángel di Maria wurden im Herbst ihrer Karrieren, ohne wirklichen Wiederverkaufswert, verpflichtet. Sukzessive nahm dementsprechend einer Überalterung des Kaders ihren Lauf.
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Alte Zöpfe (exemplarisch Cuadrado, di Maria, Chiellini), deren sportliche Fähigkeiten in der sog. „Prime“ ohne Zweifel erhaben waren, wurden spät oder zu spät abgeschnitten. Der nächste umstrittene Fall dieser Generation ist der italienische 2021er-Europameister Leonardo Bonucci. Lange Zeit in der Juve-Abwehr als Innenverteidiger unverzichtbar, soll der 36-Jährige, trotz gültigen Vertrags bis 2024, lieber heute als morgen von der Payroll gestrichen werden.
Die neue Führungsriege der „Bianconeri“ hat verinnerlicht, dass eine obligatorische Verjüngungskur für die zukünftige Ausrichtung des Klubs von elementarer Bedeutung ist. So wurde in der bisherigen Sommertransferperiode kein Ü-30-Profi verpflichtet und der Altersdurchschnitt bereits auf 25,9 gesenkt. Dies bedeutet jedoch weiterhin lediglich Platz elf im Serie-A-Vergleich. Generell hat Juventus noch zu viele Altlasten im Mannschaftsgefüge. Ein Dauer-Rekonvaleszent wie beispielsweise der französische Mittelfeldakteur Paul Pogba verschlingt große Teile des nicht mehr so üppigen Personaletats.

Längst ist der Verein nicht mehr auf Rosen gebettet. Aufgrund teurer Kaufpflichten – je 30 Millionen Euro für die bisherigen Leihgaben Manuel Locatelli sowie Moise Kean – ist der wirtschaftliche Spielraum für Transfers in diesem Sommer eingeschränkt. Klangvolle Namen auf der Zugangsseite (Timothy Weah, Arkadiusz Milik, Facundo González) suchen die Fans vergebens.
Dusan Vlahovic – Teil der Lösung oder des Juventus-Problems?
Der serbische Mittelstürmer Dusan Vlahovic, im Winter 2022 für 81,6 Millionen Euro von der AC Florenz verpflichtet, war die letzte schillernde Neuverpflichtung. Als Teil des Verjüngungsprozesses sollte der mittlerweile 23-Jährige die Gegenwart wie Zukunft der Norditaliener prägen. Allerdings konnte der 1,90 m große Angreifer die Vorschusslorbeeren respektive Erwartungen der Tifosi bislang nur zufriedenstellend erfüllen. In 42 Serie-A-Partien sind bis dato 17 Treffer für den Linksfuß notiert. Eine sehr ordentliche Quote, aber nicht herausragend.
Dennoch gilt Vlahovic als lukratives Tafelsilber und wird in schöner Regelmäßigkeit mit einem vorzeitigen Abgang in Verbindung gebracht. Zuletzt machten Gerüchte über ein spektakuläres Tauschgeschäft mit Romelu Lukaku (FC Chelsea) die Runde. Juventus-Coach Massimiliano Allegri würde seinen Top-Torjäger liebend gerne behalten. Allgemein muss der 56-jährige Trainer, seit 2021 in seiner zweiten Amtszeit nach der Ära zwischen 2014 und 2019, versuchen, die gute Defensivleistung des Teams (nur 33 Gegentreffer in der abgelaufenen Saison) zu zementieren und die Offensivbilanz anzukurbeln. Lediglich 56 Tore standen in der Saison 2022/23 auf dem Juve-Konto. Zum Vergleich: der amtierende Meister aus Neapel erzielte 21 Treffer mehr.

Nur wenn es dem nüchternen Analytiker aus Livorno, der ein 3-5-2-System präferiert, gelingt, die Melange aus Angriff und Abwehr zu manifestieren, ein starkes Mannschaftsgefühl zu implementieren sowie zahlreiche stagnierende Protagonisten (Chiesa, McKennie) fortzuentwickeln, dann kann der eingeschlagene Weg der „Vecchia Signora“ ein erfolgreicher sein.
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(Photo by Julio Aguilar/Getty Images)