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Taktik-Vorschau: Das Borussen-Duell zwischen Mönchengladbach und Dortmund

7. März 2020 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Vor der Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund wirft Olaf von dem Taktikportal „footballyse.it“ einen näheren Blick auf die taktischen Systeme und Spielanlagen beider Teams. 

Borussia Mönchengladbach

Marco Rose hat in seiner Amtszeit bei Borussia Mönchengladbach bisher einiges bewegen können. Die Elf vom Niederrhein steht tabellarisch sehr gut dar und lässt insbesondere die Handschrift des Trainers erkennen. Die Mannschaft verfolgt in allen Spielphasen einen klaren Plan, verfügt zudem über eine hohe taktische Variabilität, um die Marschroute aus verschiedenen Systemen und Konstellationen heraus zu verfolgen.

In den letzten beiden Ligaspielen gegen Hoffenheim und Augsburg stellte Rose sein Team in einer 4-2-3-1 Grundformation auf, die jedoch aufgrund der Flexibilität der Spieler situativ angepasst wird und fließend in andere Grundordnungen übergeht.

Rücken die offensiven Mittelfeldspieler im 4-2-3-1 vor, ergibt sich schnell eine 4-3-3 Systematik. Dadurch kann Gladbach im Spiel mit und ohne Ball bei Bedarf eine hohe Präsenz im Angriffsdrittel schaffen. Insbesondere können so Gegner, die Gladbach mit einer tiefen Staffelung begegnen, besser in die Breite gezogen werden, um benötigte Räume für die schnellen Offensivspieler im letzten Drittel zu schaffen.

Angriffs- und Gegenpressing

Gegen den Ball zeichnet sich Borussia Mönchengladbach in vielen Spielphasen mit hohem Angriffspressing aus. Der Gegner wird dabei tief in seiner eigenen Hälfte angelaufen und unter Druck gesetzt. Gladbach kann auf diese Weise den Spielaufbau der gegnerischen Mannschaft frühzeitig stören und den Ball nah am Strafraum gewinnen. Der Weg zum Torabschluss wird dadurch deutlich verkürzt und kann durch die schnelle Offensive rasch überbrückt werden. Das 2-0 in der letzten Partie in Augsburg kann dabei als hervorragendes Beispiel herangezogen werden:

Tobias Strobl presst nach einem Einwurf des FCA intensiv gegen Eduard Löwen, gewinnt den Ball und leitet diesen direkt in die Spitze weiter. Alessandre Plea nutzt im Anschluss den sich ihm bietenden Raum und kann perfekt auf den einschussbereiten Lars Stindl ablegen. Konsequentes Pressing, Ballgewinn und schneller Umschaltmoment. Diese Qualitäten zeichnen Borussia Mönchengladbach in dieser Saison aus.

Doch die offensiven Pressingbemühungen bergen auch Gefahren. Rücken die anderen Mannschaftsteile nicht konsequent nach, bilden sich zu große Räume zwischen den Linien, die der Gegner bespielen kann. Wird das Pressing unsauber ausgeführt, kann sich der Gegner unter Umständen freispielen und den Ball in den markierten Bereich bringen. Insbesondere gegen Dortmunds schnelle Offensivspieler erwächst dabei ein großes Risiko.

Beim Rückrundenauftakt auf Schalke fing sich Gladbach durch diese Fehler Gegentreffer und zeigte ungewohnte Mängel bei der Durchführung des Angriffspressings.

Schnelligkeit und Robustheit im letzten Drittel

Marcus Thuram, Breel Embolo und eben Plea: Alle drei Stürmer stehen für Tempo und körperliche Stärke und heben die Offensive von Borussia Mönchengladbach auf ein neues Level. Das Trio beeindruckt darüber hinaus mit Laufstärke und beteiligt sich leidenschaftlich an den Pressingbewegungen der Mannschaft.

Doch auch mit Ball sind die Stürmer von Rose eine echte Waffe. Insbesondere Thuram, der sich vornehmlich auf dem linken Flügel aufhält, besticht durch Zug zum Tor und kommt häufig aus dem linken Halbraum mit viel Tempo in den Strafraum. Durch seine Ausweichbewegungen auf den Flügel entzieht sich Thuram dem Einflussbereich der gegnerischen Verteidiger und kann auf diese Weise mit vertikalen Zuspielen in Szene gesetzt werden. Durch die Pässe in die Tiefe kann der Franzose seinen Geschwindigkeitsvorteil ausspielen und dann nur noch schwer gestoppt werden.

Ein weiterer entscheidender Faktor für die Angriffsabteilung der Gladbacher ist Stindl. Sein Spielverständnis und technische Qualität fügen dem Offensivspiel seiner Mannschaft eine Komponente hinzu, die Thuram & Co. optimal ergänzt. Besonders in den jüngsten Spielen (Hoffenheim, Augsburg) zeigte sich Stindl sehr präsent und fast unverzichtbar für sein Team. Auch Stindl geht ähnlich wie Thuram weite Wege, lässt sich dabei eher ins Mittelfeld fallen, um von dort aus das Spiel zu initiieren.

Borussia Dortmund

Wir schreiben den 27. November 2019. Im fünften Vorrundenspiel der Champions League liegt der BVB hoffnungslos mit 3-0 in Barcelona in Rückstand. In der 76. Minute wechselt Lucien Favre Dan-Axel Zagadou für Lukasz Piszczek ein und stellt damit die Weichen für den folgenden Aufschwung.

Durch diese Personalrochade stellte Favre sein bis dato präferiertes 4-2-3-1 um und formierte seine Mannschaft in einem 3-4-3 System. Taktisch hat sich der BVB seit diesem Spiel gefunden, lässt Favre Dortmund nun in fast allen Partien in einer 3-4-3 Grundformation den Rasen betreten. 

Trotzdem gab es auch mit diesem System zu Beginn diesen Jahres Rückschläge. Eine wahre Gegentorflut gegen Augsburg, Leverkusen und Bremen kostete den BVB zum einen wichtige Punkte in der Bundesliga, zum anderen platzte durch die Niederlage im DFB-Pokal in Bremen der erste Titeltraum.

Die Thematik rund um die defensive Instabilität der Borussia wurde von Spielern, Vereinsverantwortlichen und Medien aus allen Blickwinkeln betrachtet und ließ die Mentalitätsdebatte aus dem letzten Herbst fast schon alt aussehen. Neuzugang Emre Can attestierte seinen neuen Kollegen zwar ein hohes spielerisches Potenzial, doch auch er fand deutliche Worte für die hohe Anfälligkeit bei gegnerischen Angriffsbemühungen.

Erling Haaland –  der perfekte Zielspieler

Die Systemumstellung im November und die Verpflichtungen von Can und Erling Haaland sind auf den ersten Blick die signifikantesten Gründe für aktuell gute Verfassung des BVB. Beide Spieler geben dem Dortmunder Spiel wichtige Komponenten, die Borussia Dortmund in den letzten Jahren häufig gefehlt haben. Haaland besticht in erster Linie natürlich mit seiner rekordverdächtigen Trefferquote. Bereits neun Tore in der Bundesliga bescheinigen dem jungen Norweger eine traumhafte Ausbeute, doch sein Mehrwert für Borussia Dortmund besteht nicht nur aus seinen vielen Toren.

Haaland fungiert nahezu als perfekter Zielspieler für geordnete Dortmunder Angriffe. Ist der BVB im geregelten Ballbesitz und Spielaufbau, bildet Haaland durch seine körperliche Präsenz eine Anspielstation in vorderster Front und kann durch lange Bälle eingesetzt werden. Darüber hinaus verfügt er über ein hohes Tempo, sowohl in puncto Explosivität im Antritt als auch bei der Endgeschwindigkeit. Gepaart mit seiner hohen Abschlussqualität strahlt er stets Gefahr für die gegnerischen Abwehrspieler aus und bindet dadurch Verteidiger. Haaland bietet dadurch viele spielerische Komponenten, welche der BVB seit dem Abgang von Robert Lewandowski nicht mehr gebündelt in einem Spieler wiederfinden konnte. Aubameyang, Alcacer & Co. waren in Teilaspekten zwar ebenfalls überdurchschnittlich gut, boten aber kein derartiges Gesamtpaket, wie Haaland es gegenwärtig auf den Platz bringt.

Seine Qualitäten als Zielspieler sind für Dortmund insbesondere deshalb wichtig, weil auf diese Weise die schnellen Außenbahnspieler wie Jadon Sancho und Achraf Hakimi eingesetzt werden können. Schematisch lassen sich derartige Spielzüge wie folgt abbilden:

Der gegnerische Abwehrspieler orientiert sich an der Zurückfallbewegung von Haaland und vermeidet auf diese Weise das Aufdrehen des Stürmers. Durch dieses Rausrücken öffnen sich jedoch im Defensivverbund Lücken, in die die Außen von Dortmund hineinstoßen und so hinter die letzte gegnerische Linie gelangen können. Haaland rückt in der Zwischenzweit konsequent nach, bindet erneut weitere Bewacher und eröffnet Möglichkeiten für einen Abschluss aus dem Rückraum.

Doch nicht nur bei organisierten Angriffen ist Haaland sehr wichtig, auch bei Kontern und Umschaltsituationen ist es häufig zu beobachten, dass der Stürmer instinktiv den direkten Weg nach vorne sucht, um mit einem vertikalen Zuspiel in Szene gesetzt zu werden.

Der Angriff gewinnt Spiele, die Defensive Titel

Emre Can – Dortmund’s Sicherheitsbeauftragter. So oder so ähnlich könnte seine Stellenbeschreibung bei der Borussia lauten. Der Neuzugang von Juventus Turin ist seit seinem ersten Auftritt in schwarz-gelb extrem präsent auf dem Platz und besticht in erster Linie mit guter Zweikampfführung und starken Balleroberungen. Seine Kampfstärke und Organisationstalent im zentralen Mittelfeld stärken die Spielstatik der Borussia und verhelfen der Mannschaft, kompakt gegen den Ball aufzutreten.

Seine „safety-first“-Philosophie erinnert an einen gewissen Sven Bender, der in seinen besten Jahren beim BVB den offensiven Freigeistern den Rücken freihielt und stets für die richtige Balance im Spiel seiner Mannschaft sorgte.

Die Tücken des Systems

Naturgemäß befinden sich in einem 3-4-3 System auf den defensiven Außenbahnen Schwachstellen, die vom Gegner bespielt werden können, um in torgefährliche Zonen vorzudringen. Beide Flanken sind jeweils nur einfach besetzt und erfordern von den Schienenspielern ein besonders gutes Spiel- und Raumgefühl.

Insbesondere dann, wenn Hakimi und/oder Raphael Guerreiro die Offensive unterstützen, eröffnen sich hinter ihnen ungedeckte Bereiche, die durch die zentralen Mittelfeldspieler oder Halbverteidiger der Dreierkette abgesichert werden müssen:

Hakimis Offensivdrang kann sich dabei als Problem erweisen, wenn er die Wege nach hinten nicht konsequent mitgeht und dem Gegner dadurch Angriffsflächen bietet.

Darüber hinaus ergeben sich häufig Risiken für die Defensive des BVB, wenn im zentralen Mittelfeld Kompaktheit fehlt. Geht beispielsweise Axel Witsel nach vorne, eröffnen sich in seinem Rücken Räume, die von Can oder dem dann häufig rausrückenden Mats Hummels geschlossen werden müssen. Das progressive Verteidigen von Hummels ist jedoch risikobehaftet, verliert der Ex-Nationalspieler den Zweikampf, geraten die verbliebenen Verteidiger um Zagadou und Piszczek in die Bredouille.

Prognose

Das Duell zwischen Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund verspricht eine hochklassige Partie zu werden. Beide Teams stehen für schnellen Offensivfußball und sind zudem taktisch auf einem hohen Niveau.

Gladbach muss unter Umständen auf Thuram verzichten, der von Herrmann oder Embolo ersetzt werden könnte. Rose dürfte trotz des möglichen Ausfalls bei seiner 4-2-3-1 Grundordnung bleiben, diese jedoch im Verlauf der Partie bei Bedarf anpassen. Raffael könnte sich in diesem Match als Joker anbieten, der Routinier könnte am ehesten Stindl als Einwechselspieler ersetzen.

Favre wird wohl beim aktuell praktizierten 3-4-3 bleiben. Denkbar ist aber auch, dass Favre sich für eine defensivere Variante in Form eines 4-2-3-1 entscheidet, um Gladbachs Offensive mit einer Doppelsechs besser zu kontrollieren.

Mögliche Aufstellungen

Gladbach: Sommer – Lainer, Ginter, Elvedi, Bensebaini – Strobl, Zakaria – Hofmann, Stindl, Thuram – Plea

Dortmund: Bürki – Piszczek, Hummels, Zagadou – Hakimi, Can, Witsel, Guerreiro – Hazard, Haaland, Sancho

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(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)


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