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Premier League: Was Arsenal zum Titel noch fehlt und Tottenham hisst die (lily)white Flag

24. April 2023 | Trending | BY Chris McCarthy

Fünf Awards zum 32. Spieltag der Premier League: Der FC Arsenal hat noch keinen Meisterkader, Tottenham erlebt 21 Minuten des Grauens und der FC Liverpool ist wieder in der Spur. 

„Noch kein Meisterkader“-Award: FC Arsenal

Ohne gespielt zu haben, hat sich Manchester City im Titelrennen der Premier League an die Poleposition gesetzt. Während die Cityzens im FA Cup das Finale erreichten, verspielte der FC Arsenal zum dritten Mal binnen zwölf Tagen zwei Punkte.



Nachdem die Gunners zuerst gegen Liverpool und dann West Ham im wahrsten Sinne des Wortes zwei 2:0-Führungen verschenkten (jeweils 2:2), spielten sie zu Hause gegen Schlusslicht Southampton nach zweimaligen Zwei-Tore-Rückstand immerhin aber nur 3:3.

Die populäre Schlussfolgerung in den sozialen Medien lautet, dass das Team von Mikel Arteta den Titel wegwerfen würde. Doch hier fehlt der Kontext. Denn viel mehr stößt ein Kader in den letzten Atemzügen der Saison an seine natürliche Grenzen.

Anders als City kann Arsenal selbst nur einen Leistungsträger wie Innenverteidiger William Saliba nicht einfach so ersetzen. Der Kontrast zu Rob Holding ist zu groß. A) weil er schlichtweg nicht die Qualität des so spielstarken und athletischen Franzosen hat und b) weil das automatisch die Last der Abwehrpartner Gabriel und Ben White erhöht – sowohl mit als auch ohne Ball. Arsenal hat fast 30 Prozent seiner Gegentore in den letzten fünf Spielen ohne sein Mitwirken kassiert.

Darüber hinaus kann Arsenal – anders als Citys Meisterauswahl – mit der zweitjüngste Mannschaft der Premier League bei steigenden Druck und schwindendem Vorsprung noch nicht von Woche zu Woche Perfektion abliefern. Es fehlt die emotionslose Routine, eine 2:0-Führung fehlerlos herunterzuspielen. Oder eben dem Tabellenletzten im Vorbeigehen drei sicher geglaubte Punkte abzunehmen. Anders lassen sich weder der haarsträubende Fehlpass von Aaron Ramsdale zum 0:1 nach nicht mal einer Minute, noch der untypische Aufbaufehler zum 0:2 wenige Minuten später oder die anschließenden überhasteten Angriffe einer sonst so spielgeduldigen Mannschaft erklären.

Arsenal ging als ambitionierter Europa-League-Teilnehmer in die Saison – das wird gerne vergessen – und wurde dank einer herausragenden Entwicklung in Windeseile zu einem verdienten Meisterschaftskonkurrenten. Mit einem Kader, der zwar die Qualität und auch die Mentalität, aber eben noch nicht die Erfahrung oder die Tiefe dafür besitzt. Und bei einer Saison mit 38 Spieltagen sind es eben diese Faktoren, die sich über kurz oder lange durchsetzen werden. Erst recht wenn dein Konkurrent Manchester City heißt.

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„Lilywhite Flag“-Award: Tottenham Hotspur

Nach anhaltenden Unruhen, enttäuschenden Leistungen und einem Trainerwechsel fand die ohnehin schon ernüchternde Saison der Tottenham Hotspur am Sonntag ihren Tiefpunkt. Im Sechspunktespiel um die Top-Four verloren sie mit sage und schreibe 1:6 bei Newcastle United.

Im wohl wichtigsten Spiel der Restsaison hissten die Lilywhites regelrecht die weiße Fahne und ergaben sich: Nur 13 der ersten 46 Zweikämpfe wurden gewonnen, nach neun Minuten stand es 0:3, nach 21 Minute sogar 0:5. Den Magpies genügten pure Intensität und Willen, um die wehrlosen Londoner nach allen Regeln der Kunst auseinander zu nehmen. Ex-Profi Chris Waddle sagte, die Mannschaft solle die Kosten für die mitgereisten Fans erstatten – so peinlich war die Vorstellung, nein die Leistungsverweigerung, die obendrein historisch war:

Noch nie zuvor erzielte Newcastle in einer Halbzeit fünf Tore, noch nie zuvor kassierte Tottenham in einer Halbzeit fünf Gegentore. Und nur Manchester City gelang in der Geschichte der Premier League eine schnellere 5:0-Führung (18 Minuten 2019 gegen Watford).

Die Konsequenz ist für die Spurs ähnlich verheerend: Der Rückstand auf Newcastle und damit die Champions-League-Plätze beträgt sechs Punkte – bei einem mehr absolvierten Spiel. Die Magpies dagegen dürfen wohl langsam mit der Königsklasse planen.

„Mehr als nur ein Jota besser“-Award: Der FC Liverpool mit Diogo Jota

Wie auch für seinen Arbeitgeber, ist die Saison 2022/2023 für Diogo Jota bislang eine zum Vergessen. Hartnäckige Verletzungen ließen lediglich vier Hinrundeneinsätze zu. Seit Februar 2023 ist der flexible Offensivspieler zurück und mittlerweile auch seine Form.

Beim erst langweiligen und dann wilden 3:2-Erfolg des FC Liverpool über Nottingham Forest war Mohamed Salah zwar der Matchwinner, aber Jota der Spieler des Spiels. Der Portugiese brachte die Reds gleich zweimal in Führung, erst per Abstauber, dann nach einer herrlichen Ballverarbeitung per Brust und Oberschenkel. Nachdem er ein ganzes Jahr torlos blieb, war dies nun der zweite Doppelpack in Folge.

Seit seiner Rückkehr hat das Team von Jürgen Klopp nur zwei der insgesamt neun Saisonniederlagen in der Premier League zu verzeichnen. Auch wegen Jota, der das Offensivspiel der Reds schwerer auszurechnen, flüssiger und letztendlich produktiver macht. Der Europa-League-Platz ist nur noch drei, die Top-Four noch neun Punkte entfernt.

„(Verspäteter) Startschuss?“-Award: Leicester City

Eigentlich begann bereits vergangene Woche die Dean-Smith-Ära in Leicester. Doch mit einem Auswärtssieg bei Manchester City zum Eintand des Nachfolgers von Brendan Rodgers hatte wohl kaum einer gerechnet. Zu recht (City gewann mühelos mit 3:1).

Stattdessen hatten die Verantwortlichen wohl schon bei Smiths Vorstellung dieses Wochenende als eigentlichen Startschuss seiner Rettungsmission im Visier: Ein Heimspiel gegen die Wolverhampton Wanderers – das erste von drei Sechspunktespielen gegen drei Abstiegsmitkonkurrenten binnen neun Tagen.

Die Foxes zeigten zwar keine berauschende Vorstellung. Doch darauf kommt es im Abstiegskampf auch nicht an. Stattdessen kämpften sie sich nach Anfangsnervosität und 0:1-Rückstand zurück, schöpften nach dem Ausgleich neuen Mut und gewannen am Ende mit 2:1. Die Folge: Der erste Sieg seit dem 11. Februar, mit dem Leicester zugleich die Abstiegsränge verließ und viel Selbstbewusstsein für die womöglich alles entscheidende Woche der Saison.

„United zum Klassenerhalt (?)“-Award: West Ham United

Mit einem 4:0-Auswärtserfolg bei Abstiegsmitkonkurrent AFC Bournemouth hat West Ham United einen gewaltigen Schritt Richtung Klassenerhalt gemacht.

Vor allem die Art und Weise war beeindruckend. Acht verschiedene Spieler waren an den vier Toren direkt beteiligt – Michail Antonio, Lucas Paquetá, Declan Rice und Pablo Fornals als Torschützen – Aaron Cresswell, Vladimir Coufal, Tomas Soucek und Jarrod Bowen als Vorlagengeber – die höchste Anzahl in der Premier-League-Geschichte der Hammers.

Bereits in den letzten Spielen traten weitere Spieler hervor: Nayef Aguerd mit seinem ersten Saisontor beim 1:0 über Southampton oder Elfmeterschütze Saïd Benrahma, Thilo Kehrer als Vorbereiter und abermals Bowen beim 2:2 gegen Arsenal.

Nach drei Siegen und zwei Remis aus den letzten fünf Spielen beträgt der Vorsprung auf die  Abstiegsplätze plötzlich sechs Zähler. Die Hammers sind dem Klassenerhalt ganz nah – in dem sie zusammengehalten haben: An der Seitenlinie, wo auch in düsteren Zeiten an Trainer David Moyes festgehalten wurde, sowie auf dem Rasen, wo alle Spieler gemeinsam an einem Strang ziehen und jeder Einzelne Verantwortung übernimmt.

(Photo by Julian Finney/Getty Images)

 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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