Champions League | Armutszeugnis zur Unzeit: UEFA und Paris müssen Fragen beantworten

29. Mai 2022 | Spotlight | BY Victor Catalina

Im Vorfeld des Champions-League-Finals zwischen dem Liverpool FC und Real Madrid kam es zu unschönen Szenen. Fans versuchten, sich mit gefälschten Tickets Zutritt zu verschaffen. Veranstalterseitig wusste man sich nur noch mit Tränengas weiterzuhelfen. Es entstand Unruhe. Der Anpfiff verzögerte sich um 37 Minuten. Ein gutes Bild gab dabei niemand ab.

Gefälschte Tickets: UEFA gibt Statement heraus

Es ist nicht so, als sei das Stade de France ein unbeschriebenes Blatt, was große Finals angeht. WM 1998, Champions League 2006, EM 2016 und nun das Champions-League-Endspiel zwischen dem Liverpool FC und Real Madrid 2022. Dazu findet dort jährlich das Finale im Coupe de France statt sowie die Heimspiele der französischen Nationalmannschaft.

 



 

Man sollte also meinen, der Stadt und dem Stadion ein weiteres Endspiel anzuvertrauen, sollte kein größeres Problem sein. Genau dieser Gedanke sollte sich als ebenjenes Problem herausstellen. Denn der Anpfiff zum Endspiel der Champions League verzögerte sich um 37 Minuten. UEFA-seitig hieß es zunächst, das Spiel verzögere sich wegen der späten Ankunft der Fans. Man wolle in 15 Minuten weitere Informationen geben. Doch der Blick in die sozialen Medien zeigt genau das Gegenteil: Von Problemen beim Einlass war schon deutlich vor dem Anpfiff die Rede, viele wartende Fans waren auf Bildern und Videos zu sehen.

Champions League Liverpool FC Real Madrid CF

Photo by Catherine Ivill/Getty Images

Nach der Partie äußerte sich die UEFA in einer Pressemitteilung. Viele Fans hätten versucht, sich mit gefälschten Tickets Zugang zu verschaffen, die – naturgemäß – in den Drehkreuzen nicht funktionierten. Dadurch sei ein Rückstau an Fans entstanden, sodass sich der Anpfiff verzögerte. Als sich auch nach Anpfiff die Massen nicht lichteten, sei die Polizei mit Tränengas vorgegangen. „Die UEFA zeigt Mitgefühl mit allen Betroffenen und wird den Vorfall zusammen mit mit der französischen Polizei und dem französischen Fußballverband aufarbeiten“, heißt es im Statement.

 

 

Liverpool hingegen zeigte sich wenig begeistert, „sehr enttäuscht“, um genau zu sein. „Das ist das größte Spiel im europäischen Fußball und Fans sollten nicht das erleben, was wir heute gesehen haben“, heißt es in einer Pressemitteilung. Gleichzeitig forderte der Verein eine Untersuchung. Jürgen Klopp hatte die Vorfälle zwar mitbekommen, wusste aber nur, „dass einige aus den Familien Probleme hatten. Wir müssen weitere Untersuchungen abwarten, um zu wissen, was passiert ist.“

Einer aus jenen Familien ist Marvin Matip, Bruder von Liverpools Joël Matip. „Die Organisation um und im Stadion ist nicht nur eines Champions-Leagues-Finales unwürdig“, so der ehemalige Ingolstädter bei Sky. „Tränengas in Bereichen mit Kindern und unbeteiligten Fans einzusetzen, ist gemeingefährlich.“

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Kein Sicherheitsring: Veranstalter müssen Fragen beantworten

In diesem Zusammenhang muss man schon die Frage stellen, warum der Bereich um das Stade de France herum nicht von vornherein von der Polizei großräumig abgesperrt wurde, sodass nur Personen mit Zugangsberechtigung – gültiger Zugangsberechtigung – Eintritt erhalten. So hat man vonseiten des Veranstalters, sei es die UEFA oder der französische Fußballverband, das Stadion ungeschützt gelassen. Das, obwohl von Beginn an klar war, dass beide Mannschaften über äußerst leidenschaftliche Fans verfügen, die zur Not auch versuchen würden, sich ohne Ticket Zutritt zu verschaffen. Das Einsetzen von Tränengas, teilweise gegen Personen mit gültiger Eintrittskarte darf hierbei als Armutszeugnis gewertet werden, dass man von Veranstalterseite die Kontrolle verloren hat und sich nicht mehr anders weiterzuhelfen wusste.

Die Frage ist aber, warum es ausgerechnet im Stade de France, das eigentlich viel Erfahrung mit Endspielen vorzuweisen hat, zu solchen Szenen gekommen ist. Was wurde diesmal anders gemacht, als in den vergangenen Jahren? Und: Warum ließ sich das Sicherheitspersonal – wie beim EM-Finale im vergangenen Jahr – abermals von der Eintrittssituation überrumpeln?

Organisatoren und Sicherheitsbehörden sind also für einen kompletten Kontrollverlust rund um das größte Endspiel auf Vereinsebene verantwortlich. Die UEFA hat damit binnen weniger Tage zum zweiten Mal ein Desaster anteilig zu verantworten. Denn denken wir etwas mehr als eine Woche zurück, nach Sevilla, als beim Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und den Rangers bei gefühlten 45 Grad schon vor dem Spiel kaum noch Getränke verkauft wurden, die Verkaufsstände geschlossen hatten und dadurch eine extrem gefährliche Situation entstand.

238 Verletzte, allerdings lediglich mit „leichten Blessuren“, die ambulant versorgt werden konnten sowie 68 Festnahmen gab die Polizei um kurz vor 1:30 Uhr an. In jedem Fall dürfte an diesem Abend die Reputation der Offiziellen gelitten haben, die sich diesen Fragen stellen und sie adäquat beantworten müssen. Bereits am 10. August steigt das Supercup-Finale zwischen Real Madrid und Eintracht Frankfurt in Helsinki. Paris ist Ende nächsten Jahres Gastgeber der Rugby-WM und 2024 finden dort die Olympischen Sommerspiele statt. Die Zeit läuft.

Photo by Matthias Hangst/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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