WM 2022 | Marokko gegen Portugal: Der nächste Streich der Nordafrikaner?

10. Dezember 2022 | WM-Spotlight | BY Manuel Behlert

Dass Marokko viel Qualität im Kader hat, zeichnete sich bereits vor der WM 2022 ab. Nach vier absolvierten Spielen steht fest: Die Mannschaft kann diese Qualität auch auf den Platz bringen. Marokko muss sich nicht verstecken, auch nicht vor Portugal. Folgt nun der nächste Streich? 

Marokko: Das Optimum wird bei der WM 2022 herausgeholt

Die Marokkaner sind der einzig verbleibende WM-Teilnehmer, der nicht aus Europa oder Südamerika stammt. Und das hat sich dieses Team auch verdient. Die Gruppe mit Belgien, Kroatien und Kanada war stark, doch Marokko hat die Nerven behalten und sehr gut verformt. Nachdem es in den letzten Monaten und Jahren nicht immer vollends harmonisch ablief, hat es die Mannschaft unter Walid Regragui (47) geschafft, zu einer Einheit zu werden. Die letzten Fragezeichen, die es vor dem Turnier gab, wurden spätestens mit dem Sieg gegen Belgien um zweiten Spiel beiseite geräumt.



Mehr noch: Marokko schafft es, das eigene Leistungsmaximum zu erreichen. Der Fußball, der von den Nordafrikanern gespielt wird, sieht einfach aus, obwohl er es nicht ist. Das ist der entscheidende Punkt. Es gelingt, die Räume in der Defensive eng zu machen, das Zentrum zu schließen. Selbst offensiv hochkarätige Gegner wie Kroatien, Belgien oder Spanien konnten kein Tor gegen die Marokkaner erzielen. Physis im Defensivzentrum, Tempo auf der Außenverteidigerposition, ein lautstarkes und gut organisiertes Mittelfeld und individuelle Klasse verbunden mit klugen Laufwegen in der Offensive sind entscheidend für das formidable Gesamtpaket, das Marokko mitbringt. Kurzum: Dieses Team holt das Optimum aus sich heraus.

Gegen Portugal kein krasser Außenseiter

Das Achtelfinale gegen Spanien sollte zur Reifeprüfung werden. Die Regragui-Elf sah in Ruhe zu, wie die Iberer Pass um Pass spielten. Es kümmerte den Außenseiter nicht wirklich, wenn Passstaffette auf Passstaffette folgte. Die Räume wurden besonnen zugelaufen, Achraf Hakimi (24) und Noussair Mazraoui (25) auf den Außenbahnen initiierten die Nadelstiche. Offensiv wurde immer wieder Hakim Ziyech (29) gesucht, der Youssef En-Nesyri (25) ins Spiel bringen sollte. Über 120 Minuten vergingen und eher war es Marokko, das die besseren Chancen hatte. Im Elfmeterschießen behielt die Mannschaft außerdem einen kühlen Kopf, war abgezockt beim eigenen Schuss vom Punkt und hatte einen Torhüter, der gut reagiert.

WM 2022

(Photo by Richard Heathcote/Getty Images)

Im Gesamtpaket Marokkos scheint also sehr viel zu stimmen. Auch gegen Portugal hat dieses Team individuell auf der einen oder anderen Position Nachteile. Auch technisch haben die Nordafrikaner leichte Nachteile gegenüber Portugal. Das muss aber nichts heißen, wie das Spanienspiel zuletzt eindrucksvoll aufzeigte. Eine entscheidende Frage ist nun, ob dieses Team erneut an die eigenen Grenzen gehen kann, notfalls wieder für 120 Minuten plus Nachspielzeit.

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Portugal: Ronaldo ja oder nein?

Portugal ging mit großen Ambitionen in die WM 2022, hat aber bisher noch nicht alle Erwartungen erfüllen können. Im Viertelfinale ist das Team zwar angekommen und auch das Spiel im Achtelfinale gegen die Schweiz war überzeugend, aber dennoch herrscht nicht die Harmonie, die Teams bei Turnieren oft benötigen, um auch durch schwierige Phasen zu kommen. Gegen Ghana zitterte sich das Team zum Sieg, gegen Uruguay gewann Portugal noch recht souverän, nur, um am Ende im dritten Spiel Südkorea zu unterliegen. Die Souveränität ist nicht konstant zu sehen.

Probleme rund um Cristiano Ronaldo (37) dementierten die Portugiesen zuletzt. Zuvor gab es nämlich Gerüchte wonach der Offensivstar nach seiner Nichtberücksichtigung gegen die Schweiz mit dem Gedanken spielte, vom Turnier abzureisen. Trotzdem bestimmen die Fragen nach einem Einsatz des aktuell vereinslosen Spielers die Vorberichte vor dem Marokko-Spiel. Und das, obwohl zuletzt Spieler wie Joao Felix (23) oder Gonçalo Ramos (21) hervorragende Leistungen zeigten. Ob das fehlende Scheinwerferlicht nun Vor- oder Nachteile hat, wird sich zeigen.

Die Portugiesen sind gewarnt

Fernando Santos (68), der erfahrene Trainer Portugals, ist sich der Tatsache bewusst, dass schon ein nur durchschnittliches Spiel ausreichen kann, um den Traum vom Titel bei der WM 2022 für Portugal zu beenden. Mehrere Faktoren müssen sich noch etwas weiterentwickeln, damit Portugal das Optimum aus sich selbst herausholen kann. Technisch macht dieser Mannschaft kaum ein Gegner etwas vor, aber die Defensive wackelte mitunter durchaus. Fünf Gegentore aus vier Spielen sind zumindest etwas zu viel, gerade gegen Ghana und Südkorea musste nicht viel Druck auf der Abwehr lasten, damit diese Fehler machte.

Enorm wichtig wird es vor dem Spiel sein, die eigene Offensive weiter so fluide aufzustellen wie zuletzt und den Spielern entsprechende Freiräume zu ermöglichen, gleichermaßen aber auch nicht zu viel Risiko zu gehen. Viele Räume für Gegenangriffe sollten dem Gegner nicht eröffnet werden. Disziplin ist also sehr wichtig und der Schlüssel für das Weiterkommen. Und wer weiß, vielleicht greift Ronaldo diesmal wieder deutlich intensiver in diese Partie ein.

Voraussichtliche Aufstellungen

Marokko: Bono – Hakimi, Saiss, Aguerd, Mazraoui – Amrabat, Amallah, Ounahi – Ziyech, Boufal, En-Nesyri

Portugal: Diogo Costa – Cancelo, Pepe, Ruben Dias, Guerreiro – Carvalho, Otavio, Bernardo Silva – Joao Felix, Fernandes, Ramos (Ronaldo)

Prognose

Sollte Marokko noch viel im Tank haben und es schaffen, die Portugiesen von Anfang an zu bearbeiten, dann kann eine erneute Überraschung bei dieser WM 2022 möglich sein. Portugal muss die eigene individuelle Klasse auf den Platz bringen, die Nordafrikaner beschäftigen und vor allem schneller und präziser spielen als Spanien. Dann ist der Einzug in das Halbfinale möglich. Ein enges Spiel, gar wieder eine Verlängerung kann hierbei nicht ausgeschlossen werden. 

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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