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Bayern-Kaderserie | Die Ausgangslage: Darum ist ein Umbruch dringend nötig

14. Februar 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern München verlor kürzlich mit 0:3 im Spitzenspiel gegen Bayer 04 Leverkusen. Es droht das Ende einer in Deutschland unvergleichlichen Serie an aufeinanderfolgenden Meistertiteln. Doch nicht nur das. Die aktuelle Situation beim Rekordmeister macht den Verantwortlichen noch einmal mit Nachdruck bewusst, dass es einer umfassenden Analyse aller Ebenen im Klub bedarf. Und dazu gehört auch der Kader. 

Der FC Bayern mit offenen Fragen vor dem wichtigsten Sommer

Eben jenem fehlt es auch in dieser Saison an der finalen Homogenität. Thomas Tuchel, Trainer des Rekordmeisters, forderte schon im Sommer einen klaren 6er, der dem Spiel Stabilität und Struktur verleihen kann. Immerhin wurde die in der Hinrunde deutlich zu dünne Defensive im Winter in der Breite verstärkt, dennoch waren das eher Ausbesserungen, um größeren Schaden zu vermeiden. Aufgrund der Verfehlungen der letzten Jahre herrscht eine Unwucht im Aufgebot des Rekordmeisters. Der Transfersommer 2024 wird also ein enorm wichtiger sein, der darüber mitentscheidet, wohin die Reise in den nächsten Jahren geht.

Dass es dabei auch auf einzelne Personalien ankommt, die den Weg mitbestimmen, erscheint absolut logisch. Zwar wurden die Verträge von Spielern wie Thomas Müller, Manuel Neuer oder dem aufstrebenden Aleksandar Pavlovic verlängert, andere Personalentscheidungen stehen noch aus. Da wäre zum Beispiel Alphonso Davies, dessen Vertragsverlängerung oder möglicher Abschied die Planungen in der gesamten Abwehr beeinflussen wird, wie wir schon andeuteten. Und auch Joshua Kimmich, dessen Zukunft aktuell offen scheint, ist ein wichtiges Thema. Bleibt er und soll er eine entscheidende Rolle einnehmen, braucht er Unterstützung.

Was Kimmich braucht, um (wieder) ein Schlüsselspieler beim FC Bayern zu werden

Kurzum: Es sind sehr viele Fragen offen vor dem Sommer 2024. Christoph Freund, der Sportdirektor des FC Bayern, treibt im Hintergrund schon einige Veränderungen voran. Bryan Zaragoza, nun doch im Winter vorzeitig gekommen, ist ein Perspektivtransfer für die erste Mannschaft. Jonah Kusi-Asare und Nestory Irankunda sollen an selbige herangeführt werden. Und bald mischt auch noch Max Eberl mit und wird versuchen, den Transfersommer bestmöglich voranzutreiben. Doch was muss eigentlich alles passieren, welche Optionen gibt es? In unserer fünfteiligen Serie zur Kaderplanung des FC Bayern soll das genauer unter die Lupe genommen werden. Den Anfang macht die Ausgangslage.

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FC Bayern: Probleme nur kaschiert, nicht behoben

Die Wurzel allen Übels ist nicht erst im Transfersommer 2023 zu finden, sondern die gesamte Thematik, die dafür sorgte, dass der Bayern-Kader derzeit so unausgeglichen ist, begann viel früher. Erinnern wir uns an das Triple-Jahr unter Hansi Flick zurück: Thiago Alcantara war einer der Schlüsselspieler beim Rekordmeister, wechselte nach dieser extrem erfolgreichen Saison zum FC Liverpool, um noch einmal eine neue Herausforderung anzugehen. Ein zentraler Mittelfeldspieler, der Eleganz verkörperte, technisch auf höchstem Niveau unterwegs war, aber gleichzeitig auch viele sehr gute Elemente gegen den Ball zeigte, verließ den Klub. Bis heute wurde darauf nicht adäquat reagiert. Klar, Marc Roca kam von Espanyol, im gleichen Jahr, als Thiago den Verein wechselte, auf dem gleichen Niveau befanden sich beide aber nicht, auch vom Spielertypus her waren sie unterschiedlich.

 



Als schließlich mit David Alaba und Jerome Boateng noch weitere, vorher teils essenzielle Stützen (insbesondere im Spielaufbau) verloren gingen, veränderte sich der Kader merklich. Statt fußballerischer Elemente wurde mehr auf Athletik gesetzt. Nicht falsch verstehen: Athletische Spieler, eine gewisse Grundphysis und körperliche Elemente sind in jedem Team wichtig, nur darf das Gleichgewicht nicht verloren gehen. Und genau das ist beim FC Bayern passiert, während die Verantwortlichen Jahr für Jahr von der hohen Qualität im Kader schwärmten. 

Thiago Bayern

(Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Rein individuell gesehen war der Kader auch in jedem Jahr auf einem hohen Niveau unterwegs. Doch es passte nicht alles zusammen, auf technischer Ebene fand ein Rückgang der Qualität statt. Vergleicht man ein „Rondo“ beim Aufwärmen unter Pep Guardiola mit einem unter Julian Nagelsmann oder mit einem heute, dann werden sich große Unterschiede auftun. Und es ist wirklich egal, wer in den letzten Jahren das Sagen hatte, wer für Transfers mitverantwortlich war: Essenzielle Probleme wurden lediglich versucht zu kaschieren, teilweise durch Leihen im Winter (Douglas Costa, Daley Blind, Joao Cancelo…) oder aber durch Spieler mit viel Potenzial, die aber den vorhandenen Spielertypen zu sehr ähnelten. Ryan Gravenberch ist hier ein sehr gutes Beispiel, auch er ist mittlerweile schon weitergezogen. 

Es sind viele kleine Faktoren, die aktuell beim Rekordmeister zusammenkommen. Die Fluktuation im Kader war in den letzten Jahren alles andere als gering, dennoch fehlte häufig die Homogenität, damit auch wirklich alle Rädchen ineinandergreifen. Harry Kane war im Sommer 2023 zum Beispiel ein herausragender Transfer, die essenziellen Defizite im Mittelfeldzentrum, wo es einfach nicht das ideale Duo oder die ideale Besetzung gibt, wurden aber nicht behoben, was sich wiederum auf das Spiel als solches auswirkt. Hier endlich Klarheit zu schaffen ist das Primärziel für den Sommer. Nicht nur kaschieren, sondern die Probleme endgültig lösen.

Der Sommer 2024 wird richtungsweisend

Das alleine erklärt aber noch nicht final, warum es nicht mit zwei oder drei Veränderungen im Kader getan ist. Die Art und Weise, wie man einen Kader zusammenstellt, schon eher. Es geht nämlich weit weniger um Individuen, sondern insgesamt bedeutend mehr darum, passende Fähigkeitsprofile im Kader zu haben, die von Position zu Position ein wenig anders aussehen müssen und je nach Ausrichtung miteinander kombinierbar sind. Um dahingehend auch im Jugendbereich entsprechende Vorkehrungen zu treffen, wird dieser schon umgebaut, der Punkt läuft also bereits an. Das muss jetzt aber auch im Kader spürbar werden.

Bayern Freund

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Ein weiterer, entscheidender Punkt, warum es einen Einschnitt braucht: Bei den letzten Trainern war immer wieder in den Medien zu hören, dass Teile der Kabine gegen sie oder mit einigen Entscheidungen nicht einverstanden waren. Die Zyklen waren oft identisch: Ein Trainer startete gut, einige unzufriedener Spieler sorgten für eine negative Stimmung, die mehr und mehr Risse innerhalb des Teams verursachte. Am Ende musste ein Trainer als schwächstes Glied gehen, die entsprechenden Teile des Kaders blieben in ihrer Wohlfühloase. Unter anderem deswegen hieß es kürzlich immer häufiger, dass große Teile des Kaders unter genauer Beobachtung stehen.

Der richtungsweisende Sommer rückt immer näher. Bayern kann sich mittlerweile nicht mehr erlauben, abzuwarten, dass Spieler, die auf Verträgen mit 15 Millionen Euro oder noch mehr an Jahresgehalt sitzen, irgendwann wieder die Form vergangener Tage erreichen, um diese Summen zu rechtfertigen. Es müssen viele, wenn auch nicht alle Steine umgedreht werden, um ab dem Sommer 2024 wieder auf allerhöchstem Niveau konkurrenzfähig sein zu können. Negativbeispiele von Klubs, die einen solchen Prozess immer wieder verschlafen haben, gibt es einige, unter anderem Manchester United. Aber gerade Klubs wie Arsenal, in Ansätzen aktuell sogar Juventus, zeigen, dass es möglich ist, mit klugen Investitionen und einem klaren Plan eine komplette Umstrukturierung herbeizuführen. Diesen Plan brauchen die Verantwortlichen des FC Bayern jetzt auch – in allen Mannschaftsteilen.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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