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Talente, Leihen, Defensive, Offensive: Die Transferpläne des FC Bayern im Sommer 2024

2. Juli 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Am gestrigen Montag öffnete der Transfermarkt für den Sommer 2024 auch offiziell. Der FC Bayern hat schon den ein oder anderen Deal eingetütet, sowohl bei Zu- als auch bei Abgängen. 

Doch es wird sich noch einiges tun an der Säbener Straße. Transfers stehen bevor, Spieler im Schaufenster, Verhandlungen laufen und nach Talenten wird gesucht. Was passiert noch in München? Und wie sieht es aktuell auf den Positionen aus? 

Bayerns Transfersommer: Die Ausgangslage

Max Eberl und Christoph Freund haben in diesem Sommer die Aufgabe, dem Kader ein neues Gesicht zu verleihen. In den letzten Jahren sorgten Fehlplanungen und -einschätzungen in Co-Produktion mit überteuerten Vertragsverlängerungen für ein Ungleichgewicht im Kader. Und das auf mehreren Ebenen. Der FC Bayern verfügt immer noch über eine solide Grundstruktur, aber es fehlt vielerorts das gewisse Etwas. Die letzte Finesse, der letzte Aspekt, der den Unterschied macht. Ein klarer 6er zum Beispiel ist im Kader nicht zu finden. Im Mittelfeld laufen dafür eine Handvoll 8er rum, die sich gegenseitig die Räume und Plätze wegnehmen.



Und ganz generell betrachtet: Der Kader umfasst zu viele Athleten und zu wenige, echte Fußballer. Das lässt sich kinderleicht an diversen Sequenzen festmachen, in denen der Rekordmeister zwar überlegen war, aber tiefstehende Abwehrreihen nur mit Mühe oder Einzelaktionen knacken konnte. Oder bei Kontern in Überzahl am Ende die falsche Entscheidung traf, einen Pass 2, 3 Meter zu weit spielte. Oder oder oder. Es gibt genügend Beispiele, die die Defizite in diesem Bereich aufdecken,

Der Auftrag für Eberl und Freund: Aus dem Ungleichgewicht ein Gleichgewicht herstellen. Spieler, die zwar Topverträge haben, aber keine Topleistung bringen, zu verkaufen, wenn es passende Angebote gibt. Clever, aber zielstrebig einkaufen und dabei nicht an drei, fünf oder sieben Millionen Euro sparen. Und gleichzeitig ein Fundament an jungen Spielern mit Perspektive zu schaffen. Oder, kurz gesagt: Einmal eine mittelgroße Revolution, bitte.

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Die Torhüterposition ist die entspannteste

Doch was kann und wird sich im Sommer tun? Der Reihe nach! Im Tor sieht es noch relativ entspannt aus. Ja, Manuel Neuer war schon einmal sicherer im Passspiel und spritziger in der Absprungbewegung. Das Alter und vor allem die langen Verletzungspausen, die teilweise auch das Karrierende zur Folge hätten haben können, nagen an ihm. In Form ist er aber immer noch ein sicherer Rückhalt. Absehbar ist allerdings, dass nach Vertragsende 2025 Schluss ist. Positiv: Der FC Bayern hat ein Jahr Zeit, einen idealen Nachfolger zu finden – wenn man nicht Alexander Nübel vertraut, der an den VfB Stuttgart verliehen ist. Bis 2026, aber mit der Option auf eine vorzeitige Rückkehr.

Neuer Bayern

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Und sonst? Sven Ulreich bleibt die Nummer zwei. Das wurde im Vorfeld bereits so kommuniziert. Bei Daniel Peretz ist man sehr erfreut über die Fortschritte, seine Zukunft hängt auch maßgeblich davon ab, wie Vincent Kompany mit ihm plant. Gut vorstellbar ist hier, dass er sich im Training erst einmal zeigen kann.

Die Innenverteidigung: Tah für de Ligt?

Der Kader eines Fußballteams ist immer als ein großes Ganzes zu sehen. Die Grenzen zwischen den Positionen sind fließend, einige Spieler können auf mehreren Positionen eingesetzt werden. Trotzdem bietet sich die Abtrennung im Zuge dieser Bestandsaufnahme an. Im Abwehrzentrum beim FC Bayern wurden folgende Entscheidungen getroffen: Eric Dier, der als Innenverteidiger Nummer drei oder vier weder murrt noch ein Sicherheitsrisiko ist, verpflichtete man fest. Hiroki Ito mit seinem spannenden Profil, dem guten Aufbau und der Möglichkeit, als Linksfuß auch linker Verteidiger zu spielen, war ein kluger Transfer für die Breite.

Aktuell bahnt sich noch eine weitere Veränderung an. Mit Bayer 04 Leverkusen wird wegen Jonathan Tah verhandelt, Bayern will nicht mehr als 20-25 Millionen Euro zahlen, die Forderungen liegen aktuell noch höher. Ein Deal ist realistisch, aber noch lange nicht sicher. Gleiches gilt für Matthijs de Ligt, der von Manchester United umworben wird und für den der Rekordmeister mindestens 50 Millionen Euro fordert. Dieser Wechsel in der Defensive erscheint auf den ersten Blick etwas überraschend. Auch wenn de Ligt ein paar schwerere Phasen in München hatte, ist er jünger als Tah und zudem würde der Neuzugang die Abwehr des FCB auch nicht auf ein neues Niveau heben.

Tah Bayern

(Photo by ADRIAN DENNIS/AFP via Getty Images)

Auch bei Dayot Upamecano wurde und wird über einen Abgang spekuliert, das ist aber noch Zukunftsmusik. Trainer Vincent Kompany soll seine Fähigkeiten im Aufbau schätzen, allerdings hatte der Franzose immer wieder unerklärliche Wackler in seinem Spiel. Sicher ist sein Verbleib nicht. Min-jae Kim hingegen sollte eine neue Chance erhalten, denn die erste Saison begann gut, die fehlende Konstanz hatte ihre Gründe. Im Sommer 2023 nämlich absolvierte er den Militärdienst in Südkorea, baute Muskulatur ab, die er sofort danach in München wieder aufbauen musste. In diesen Prozess hinein musste Kim quasi jedes Spiel durchspielen, nur um dann zum Asien-Cup zu reisen und wieder jedes Spiel durchzuspielen. Für ihn gilt: Ruhe, Vorbereitung, angreifen.

Außenverteidiger: Vieles hängt von Davies ab

Auf den Außenverteidigerpositionen ist der FC Bayern vor allem in der Breite gut besetzt. Rechts können Sacha Boey, Noussair Mazraoui, Josip Stanisic und notfalls auch noch Konrad Laimer spielen. Links stehen Alphonso Davies, Raphael Guerreiro sowie ebenfalls Mazraoui und Stanisic zur Verfügung. Insbesondere der Kroate soll eine große Rolle spielen, nicht umsonst hat der Rekordmeister mit ihm bis 2029 verlängert. Aktuell befindet sich kein Transfer vor der Vollendung, weder auf der Zugangs- noch auf der Abgangsseite.

Das hat auch seine Gründe. Denn: Alphonso Davies ist bis 2025 an den Verein gebunden, das letzte Vertragsangebot führte nicht zur Verlängerung und Real Madrid hat noch immer einen Transfer in diesem Sommer im Hinterkopf. Geht Davies, dann müsste sich auf links noch etwas tun. Bleibt er, dann würde das eher dafür sprechen, dass noch einmal Dynamik hereinkommt, was einen möglichen Mazraoui-Abgang anginge. Oder aber der Konkurrenzkampf wird maximiert. Ach ja: Da wäre auch noch Joshua Kimmich, der von Kompany offenbar nicht im Mittelfeld gesehen wird.

Mittelfeld: Der 6er muss verpflichtet werden

Im Mittelfeldzentrum soll sich auf jeden Fall etwas tun. Ein 6er muss her, Joao Palhinha vom FC Fulham gilt noch immer als der Wunschkandidat. Die letzte Offerte des Rekordmeisters liegt dem Vernehmen nach bei rund 46-47 Millionen Euro, Fulham hat diese bis dato noch nicht abgelehnt, forderte aber zuvor mehr als 60 Millionen Euro. Alternativen hat man in München durchaus schon diskutiert und auf dem Zettel, unter anderem Everton-Spieler Amadou Onana. Zunächst wird aber die Palhinha-Entscheidung abgewartet.

Palhinha Bayern

(Photo by KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP via Getty Images)

Eine sehr zentrale Rolle soll Aleksandar Pavlovic einnehmen. Der ballsichere Spieler könnte neben respektive vor einem klaren 6er zum Einsatz kommen. Auch mit ihm wurde bis 2029 verlängert, er dürfte zum kompanyschen Stil passen. Der bereits in der Abwehr angesprochene Laimer könnte als Backup für mehrere Rollen weiterhin bleiben, anders sieht es bei Leon Goretzka aus. Für ihn dürfte es schwer werden, beachtet werden muss dabei aber auch, dass er selbst keinen Wechsel forciert. Es müsste also schon ein Top-Angebot vorliegen.

Und sonst? Die Kimmich-Zukunft klärt sich erst nach der Europameisterschaft und Raphael Guerreiro ist ebenfalls eine Option im Mittelfeld, die Ballsicherheit verspricht und in engen Räumen hervorragend kombinieren kann. Er wird bleiben.

Offensive: Endlich mehr Fußballer im Kader?

Im Offensivbereich brodelt die Gerüchteküche gerade gewaltig. Doch zunächst zum vorhandenen Personal. Harry Kane wird natürlich weiterhin als Stürmer Nummer eins für Tore und Vorlagen sorgen. Mathys Tel soll dahinter reifen und aufgebaut werden. Jamal Musiala hat seinen Platz ebenso sicher wie Thomas Müller, der zwar mehr neben als auf dem Platz wichtig ist, aber dennoch unverzichtbar bleibt. Mit Leroy Sané soll verlängert werden, bei ihm hofft man auf einen positiven Kompany-Einfluss hin zu mehr Konstanz. Bryan Zaragoza soll in der Vorbereitung genauer unter die Lupe genommen werden.

Eric Maxim Choupo-Moting hat den Klub verlassen, Kingsley Coman und Serge Gnabry dürfen das tun, wobei es vor allem für Coman einen Markt gibt. Anfragen liegen für den Franzosen vor, mehr aber noch nicht. Interessanter ist, was auf der Zugangsseite passiert. Michael Olise von Crystal Palace wird hier wohl in Kürze unterschreiben. Der 22-Jährige, der in der letzten Saison 16 Torbeteiligungen in 19 Spielen für die Eagles sammelte, wäre eine Bereicherung auf allen Ebenen.

Außerdem steht Xavi Simons hoch im Kurs. Er will nicht zu PSG zurück, die Franzosen wollen ihn 2024 aber nicht verkaufen, weil die PSV aus Eindhoven satt mitverdienen würde. Deswegen bahnt sich ein Leihgeschäft an, entweder mit Kaufoption oder -pflicht. Die Entscheidung fällt nach der EM. Als Alternative hat man in München Desire Doue von Stade Rennais auserkoren. Auch er ist sehr begabt, insgesamt noch etwas “roher” als Xavi, aber eine gute Alternative. Brajan Gruda (Mainz 05) ist wohl erst 2025 ein Thema. Die Richtung im Offensivbereich ist aber klar: Es sollen mehr Fußballer her.

Leihen und Talente: Das System Freund zahlt sich aus

Zu guter Letzt lohnt sich noch ein kurzer Blick auf die Leihgeschäfte und die jungen Talente, die verpflichtet wurden oder verpflichtet worden sind. Hier wirkt sich das System Christoph Freund nämlich positiv auf den FC Bayern aus. Der Sportdirektor ist hervorragend vernetzt, zeigt jungen Talenten Karrierepläne auf. Zuletzt wurden unter anderem Jonah Kusi-Asare und Nestory Irankunda verpflichtet. Beide sollen schrittweise integriert werden, sich akklimatisieren. Bei Kusi-Asare läuft dieser Prozess schon seit dem Winter.

Freund Bayern

Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Auch hinter den Leihgeschäften steckt ein Plan. Paul Wanner geht den nächsten Schritt und spielt nun für Heidenheim, nachdem er in der 2. Bundesliga in Elversberg gute Leistungen zeigte. Armindo Sieb wurde nach einer ordentlichen Saison in Fürth zurückgekauft und prompt nach Mainz verliehen. Bei Lovro Zvonarek sucht man derzeit noch nach dem passenden Leihklub, Frans Krätzig zog es auf Leihbasis nach Stuttgart.

Der junge Maurice Krattenmacher wechselte auf Leihbasis zu Zweitligaaufsteiger Ulm, Gibson Nana Adu gleich wieder zurück nach Unterhaching. Auch bei Tarek Buchmann, Arijon Ibrahimovic oder Noel Aseko Nkili sind Leihgeschäfte nicht ausgeschlossen. Bayern will davon nachhaltig profitieren. Spieler könnten entweder den Sprung in Richtung Profimannschaft schaffen oder aber zumindest für eine solide Summe verkauft werden, was wiederum Spielraum für die Verpflichtung neuer Talente schafft. 

Noch sind einige offene Fragen zu beantworten, was den finalen Kader des FC Bayern 2024/25 angeht und sicher hängt auch vieles davon ab, welche Spieler den Verein noch verlassen und wie viel Geld der Rekordmeister einnimmt. Und auch wenn nicht alle Entscheidungen logisch erscheinen, darf man nicht abstreiten, dass einige Hausaufgaben fristgerecht erledigt wurden und sich die Verantwortlichen auf diesen Transfersommer vorbereitet haben. Die Revolution beginnt.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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