Bundesliga | Bayern-Delle, RB-Statement, Reis-Entlassung – Die Brennpunkte des 6. Spieltags
12. September 2022 | Spotlight | BY Victor Catalina
Spotlight | Der 6. Bundesliga-Spieltag steht in den Geschichtsbüchern. Zeit, auf die Brennpunkte des Wochenendes zu schauen.
1. FC Bayern: Keine Ergebnisse, aber auch kein Grund zur Unruhe
2:2 trennten sich der FC Bayern und der VfB Stuttgart. Für die Münchener war es in der Bundesliga das dritte Remis in Folge. Ein – aus Sicht des Rekordmeisters – maximal ärgerlicher und unnötiger Punktverlust. In der Nachspielzeit gab Matthjs de Ligt einen Elfmeter her, den Serhou Guirassy sicher zum Endstand verwandelte. Damit nutzte man den Dortmunder Patzer, die parallel 0:3 in Leipzig unterlagen, nur teilweise aus und verpasst vor dem Champions-League-Spiel gegen den FC Barcelona den Sprung an die Tabellenspitze. Momentan stehen sowohl Union Berlin als auch der SC Freiburg vor den Münchenern.
Natürlich fällt in solchen Situationen rund um die Säbener Straße schnell das K-Wort. Erstmals seit November 2018 blieb der FC Bayern in drei aufeinanderfolgenden Bundesligaspielen sieglos. Während man sich damals gegen den SC Freiburg (1:1) in Dortmund (2:3) sowie gegen Fortuna Düsseldorf (3:3) schwertat, zu einem geordneten Spiel zu finden und viel von der individuellen Qualität abhing, sind die Problemstellen diesmal andere.
Weiterhin mangelt es an der Präzision im Angriffsdrittel. Dennoch konnte man auch gegen den VfB Stuttgart genug Chancen generieren, um das Spiel zu gewinnen und verteidigte über weite Strecken der Partie ordentlich. Wie Thomas Müller im Interview mit Sky bereits bemängelte, fehlte es an der letzten Galligkeit. „Ich glaube wir müssen verstehen, wenn wir jedes Spiel gewinnen wollen, und das ist unser Anspruch, muss man bis ans Letzte gehen und bis zum Schluss gallig bleiben.“
Galliger, als Joshua Kimmich, der gegen Chris Führich die Kugel im eigenen Sechzehner hergab und Glück hatte, dass Christian Dingert den Treffer zurücknahm. Galliger, als Alphonso Davies, dessen Fehlpass zum zwischenzeitlichen 1:1 führte.
Was man definitiv festhalten kann, ist, dass die Probleme weder taktischer noch struktureller, sondern individueller Natur sind. Fünf Gegentore kassierten die Münchener bislang. Das erste, in Frankfurt, geht auf die Kappe von Manuel Neuer. Gegen Borussia Mönchengladbach patzte Dayot Upamecano. Beim Treffer von Sheraldo Becker war es Sadio Mané, der seinen Gegenspieler aus den Augen verlor. Zudem vergaben Leroy Sané an der alten Försterei und Serge Gnabry gegen Stuttgart auf der anderen Seite beste Gelegenheiten.
Würde das System nicht funktionieren, hätte man nicht den amtierenden Pokalsieger über weite Strecken dominiert, den Europa-League-Sieger filetiert und den italienischen Vizemeister in dessen eigenen Stadion so sehr unter Kontrolle gehabt, dass sowohl Ex-Spieler Antonio Cassano davon sprach, die Münchener hätten „einen anderen Sport“ gespielt, als auch Simone Inzaghi, der den FC Bayern eines der drei besten Teams in Europa nannte.
Bis auf das 2:2 gegen den VfB Stuttgart hat sich der FC Bayern kaum etwas zu Schulden kommen lassen. Würde man die Partie gegen Borussia Mönchengladbach – bei gleichbleibendem Chancenverhältnis – noch zehnmal wiederholen, besagt allein das Gesetz der Wahrscheinlichkeit, dass der Rekordmeister in mehr Fällen hoch gewinnen wird, als dass Upamecano nochmal ein solcher Lapsus unterläuft. Das 1:1 an der alten Försterei war ein Ergebnis, wie es zustandekommen kann, wenn die Mannschaft der Stunde auf den Favoriten trifft. Dass Union Berlin herausragende Arbeit leistet und sich momentan absolut verdient an der Tabellenspitze befindet, könnte man an dieser Stelle fast wöchentlich als Brennpunkt bringen.
Nichtsdestotrotz gilt es für den FC Bayern aus der Partie in Stuttgart die richtigen Lehren zu ziehen. Zum Beispiel, dass gegen Barcelona Marcel Sabitzer qua defensiver Stabilität wieder an der Seite von Joshua Kimmich spielen sollte. Auch Serge Gnabry bewarb sich mit seiner Performance nur bedingt für einen Platz in der Startelf. Das, gepaart mit der im San Siro sattelfesten Defensive aud de Ligt und Lucas Hernández sowie von Thomas Müller angesprochenen Galligkeit und etwas mehr Konsequenz in der Chancenverwertung sollte auch die jüngste Ergebnisdelle beheben.
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2. RB Leipzig: Marco Rose feiert gelungenen Einstand, RB wendet das Blatt gegen Dortmund
Wie eine handfeste Krise aussieht, weiß hingegen RB Leipzig, die ihre letzten beiden Partien unter Domenico Tedesco 0:4 in Frankfurt und 1:4 gegen Shakhtar Donezk verloren. Der Verein sah sich zum Handeln gezwungen und verpflichtete Marco Rose. Das Debüt des gebürtigen Leipzigers hätte kaum besser verlaufen können. Gegen Ex-Klub Borussia Dortmund durfte Rose bereits in der fünften Minute den ersten Treffer bejubeln, als sich Willi Orbán Nico Schlotterbeck davonschlich und ins rechte Eck einköpfte. Mit dem Pausenpfiff legte Dominik Szoboszlai äußerst sehenswert zum 2:0 nach. Damit war die Partie mehr als nur vorentschieden, da vonseiten des BVB offensiv extrem wenig kam. Zur Ehrenrettung der Dortmunder sei auch dazugesagt, dass mit Sébastien Haller, Karim Adeyemi, Donyell Malen, Jamie Bynoe-Gittens und Thorgan Hazard gleich fünf Offensivspieler fehlten.
Nichtsdestotrotz agierte RB diesmal wesentlich wuchtiger und zielstrebiger, als noch in den vergangenen Partien und erspielten sich – außer den drei Treffern – noch eine ganze Reihe an guten Gelegenheiten. Genau daran gilt es in den kommenden Duellen im Santiago Bernabéu sowie in Mönchengladbach anzuknüpfen.
Ganz nebenbei hat RB Leipzig mit dem Erfolg gegen Borussia Dortmund, wenngleich fürs Erste nicht tabellarisch – aber im eigenen Selbstverständnis – einen großen Schritt nach vorne gemacht. Nachdem man lediglich zwei der ersten elf Duelle mit Schwarzgelb gewinnen konnte, bei sieben Niederlagen und zwei Remis, gab es mit dem 3:0 am Samstagnachmittag den dritten Sieg in Folge. Auch der Direktvergleich sieht mit 5:7 Siegen insgesamt aus Leipziger Sicht wesentlich freundlicher aus. Das Blatt in diesem Duell beginnt sich zu wenden. Die kommenden Spiele werden zeigen, ob selbiges auch auf die Formkurve zutrifft.
3. Reis-Aus in Bochum: Identität und ein klarer Plan schlagen jede Formkurve
Nach dem 1:3 auf Schalke ist Thomas Reis Geschichte beim VfL Bochum. Am Montagnachmittag gab der Verein bekannt, dass er und Co-Trainer Markus Gellhaus von ihren Aufgaben entbunden wurden. U19-Trainer Heiko Butscher wird die Mannschaft bis auf Weiteres übernehmen.
Dieser Schritt ist einerseits verständlich, ob sechs Niederlagen zum Auftakt und dem immer wiederkehrenden Problem der Gegentore in der Schlussviertelstunde. Inzwischen steht der VfL bei deren sechs – Ligahöchstwert. Andererseits war es offensichtlich, dass diese Saison für die Bochumer schwerer werden würde, als die vorherige. Mit Armel Bella Kotchap, Maxim Leitsch, Miloš Pantović, Elvis Rexhbecaj oder Sebastian Polter musste man eine ganze Reihe an Leistungsträgern im Sommer ziehen lassen. Zu viele, um sie innerhalb eines Transferfensters adäquat zu ersetzen.
Mit dem 1:2 gegen Mainz sowie dem 2:3 in Bochum, gefolgt von einem 0:7 gegen den FC Bayern geriet die Mannschaft in eine Negativspirale, aus der sie nicht mehr herauskam. In den Spielen an sich fehlte auch ein Stück weit das Selbstvertrauen. Ob ein Trainerwechsel die ultimative Lösung ist, darf in diesem Fall bezweifelt werden. Kurzfristig, vielleicht. Aber Thomas Reis kennt als Ex-Spieler den Verein und das Umfeld. Die Fans konnten sich mit ihm identifizieren. Sollte es zum Abstieg kommen, wüsste er auch, wie man die Mannschaft wieder nach oben führt. Das gelang beispielsweise Christian Streich mit dem SC Freiburg 2015/16 und auch Steffen Baumgart stabilisierte den SC Paderborn in der 2. Bundesliga vor seinem Abgang nach Köln. Inzwischen ist man unter Lukas Kwasniok Tabellenführer und hat so viele Treffer erzielt (24), wie der HSV und Heidenheim auf den Plätzen 2 und 3 zusammen (je zwölf). Identität und ein klarer Plan schlagen auf lange Sicht jede Formkurve.
Fakt ist, Patrick Fabian hat mit der Entlassung seines ehemaligen Vorgesetzten eine große Entscheidung getroffen. Die nächste, nämlich die, um seinen Nachfolger, muss sitzen. Ansonsten hat er die Situation in Bochum eher verschlimmbessert.
Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images
Victor Catalina
Victor Catalina
Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.