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Nachspielzeit: Der BVB auf Stürmersuche – Eine Kandidatenanalyse

29. Januar 2018 | Spotlight | BY David Theis

Der BVB kommt nicht zur Ruhe. Gerade erst
wurde der Trainer ausgetauscht, da muss man, mitten in der Saison, den wohl gefährlichsten Stürmer der Vereinsgeschichte ersetzen. Verschiedene Namen machen die Runde. Und die Uhr tickt. Wir analysieren, welcher der Gehandelten gut zum BVB passen würde. 

Erst vor wenigen Wochen – es war kurz nach dem Amtsantritt Peter Stögers – beschrieb ich an dieser Stelle, welche drei kommenden Aufgaben ich für die wichtigsten des neuen Trainers hielt. Unabhängig davon, dass Stöger die marode Dortmunder Mannschaft nicht über Nacht zu einer neuen „Vollgasveranstaltung“ umpolen konnte, hat er zumindest eine davon offensichtlich bereits abgeschlossen: Die schwarzgelbe Defensive wirkt bei weitem nicht mehr so löchrig wie noch unter seinem Vorgänger – nicht umsonst hat der BVB mit dem Ex-Kölner an der Seitenlinie noch kein Spiel verloren. Dennoch geben Dortmunder Spielaufbau und Offensive noch immer zahlreiche Fragen auf und mit dem fast sicheren Abgang von Superstar Aubameyang kommt eine weitere hinzu: Wer ist derzeit eigentlich der perfekte Stürmer für den BVB?

Die Gemengelage ist schwierig, denn der Gesuchte muss möglichst übergangslos funktionieren – und sowohl Tore erzielen, als auch das statische Offensivspiel des müde wirkenden BVB beleben. Dennoch soll der Kandidat möglichst nur eine Übergangslösung sein, um Peter Stögers baldigem Nachfolger nicht genau der taktische Stolperstein zu sein, den so viele BVB-Akteure dieses Jahr für Peter Bosz‘ riskanten Offensivfußball darstellten.

Olivier Giroud

Giroud schien bereits so gut wie in Dortmund zu sein – da rückte der Transfer doch wieder in weite Ferne. Jüngsten Entwicklungen nach zu urteilen, zieht es den bei Arsenal nicht mehr wertgeschätzten Franzosen zum Liga-Rivalen Chelsea. Dennoch ist er in zweierlei Hinsicht interessant für die Bewertung der Transferbemühungen von Michael Zorc: Denn Giroud verkörpert, wie auch die anderen Kandidaten, einen ganz bestimmten Stürmertyp: Physisch starke Wandspieler scheinen bei der Borussia hoch im Kurs zu stehen – und Giroud ist der Prototyp eines solchen: Hochgewachsen, kopfballstark, ausgezeichnet im „Festmachen“ und Weiterverarbeiten von direkt in die Spitze gespielten Bällen – auch bei hohem Tempo. Dennoch ist Giroud, wie auch Aubameyang, ein Mann weniger Ballkontakte in weit aufgerückten Positionen. Und er würde einen weiteren, deutlichen Verlust einer Fähigkeit verkörpern, die beim BVB derzeit schmerzlich unterrepräsentiert ist: Geschwindigkeit. Insofern ist es womöglich nicht zum Nachteil des BVB, diesen Spieler (wohl) nicht (bis Sommer) unter Vertrag nehmen zu können.

Michy Batshuayi

Auch der bei Chelsea recht effektive Belgier (ca. alle 85 Minuten ein Premier League Tor) entspricht dem Typen eines physisch starken Stoßstürmers – also eines Spielers, der sowohl Bälle verteidigen und prallen lassen, als auch Räume für seine Mitspieler öffnen und in den freien Raum starten kann. Allerdings ist Batshuayi (24) ein deutlich schwächerer Kombinationsspieler als Giroud und nicht zuletzt deshalb bei Chelsea-Coach Antonio Conte in Ungnade gefallen, weil er im Gegnerdrittel zu viele Bälle verliert. Auf der anderen Seite bringt der talentierte Belgier seine Dribblingfertigkeiten ins Spiel ein und bewegt sich auch in tieferen Räumen des Feldes relativ sicher. Vielleicht ist dies gar die wichtigste Fähigkeit eines potenziellen BVB-Stürmers, denn tief stehende Abwehrverbände mit individueller Klasse aufzubrechen, das könnte noch über so manchen überlebenswichtigen Punkt für die kombinationslahme Borussia bedeuten.

Allerdings ginge es wiederum deutlich zu weit, Batshuayi als begnadeten oder auffällig aktiven Aufbauspieler zu bezeichnen. Eine feste Verpflichtung des Spielers will also wohlüberlegt sein. Zumal auch Batshuayi als schwieriger Charakter gilt – eine Eigenschaft, die so manchem BVB-Mitarbeiter derzeit zum Halse heraushängen dürfte. Käme Batshuayi jedoch per Leihe mit Kaufoption, hätte der BVB sich die zweitbeste Sofort-Lösung (hinter Giroud) mit dem wohl besten Zukunftspotenzial gesichert.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Anthony Modeste

Wie wir heute morgen berichteten, ist das Dortmunder „Interesse“ an Modeste wesentlich weniger konkret, als ein gerade erschienener Bericht im Kicker das nahelegt. Doch passender Stürmertyp + Ex-Trainer = Transfergerücht. Keine unlogische Option also, die der Kicker da in den Raum wirft. Dennoch würde auch Modeste, der unter Peter Stöger in Köln einen exzellenten Wandspieler gab, eher für eine passive Rolle im Aufbauspiel des BVB stehen: Der treffsichere Franzose benötigt direkte Zuspiele und schnell aufrückende Mitspieler – für einen großen Aktionsradius und präzise Zuspiele ist er eher nicht bekannt. Präzision ist jedoch die zweite Fähigkeit, die dem BVB (neben der Geschwindigkeit) derzeit völlig abhanden gekommen zu sein scheint. Kein noch so leichter Querpass, der nicht im Rücken des Mitspielers landet. Sämtliche Steilpässe entweder über- oder unterpowert. Ob ein weiterer, eher grobschlächtig veranlagter Offensiver hier die richtige Wahl wäre? Ohnehin ist kaum zu erwarten, dass Modeste seinen gerade erst angetretenen Job in China gegen eine nach Dortmunder Maßstäben vernünftige Ablösesumme wieder verlassen darf. Insofern: Plan C, bestenfalls.

 

Fazit: 

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Einen hochtalentierten Leihspieler mit sauberer Technik, mindestens gutem Torabschluss, einer guten Spielanlage und sehr guten Physis zu finden, dürfte beinahe unmöglich sein. Der BVB sollte sich wohl besser darauf konzentrieren, eine möglichst zukunftsfähige Lösung auszuarbeiten. Talenten wie Alexander Isak keinen übermächtigen Konkurrenten vor die Nase setzen zu wollen, ist sicher klug. Jedoch benötigt der BVB, will er sich nicht noch weiter vom Leistungspotenzial vergangener Tage entfernen, mittelfristig ohnehin mindestens (!) zwei gleichwertige Mittelstürmer. Insofern sollte das Augenmerk, setzt man denn wirklich auf den jungen Schweden, auf all jenen Fähigkeiten liegen, die Isak auch zukünftig nicht wird erlernen können. Das vorausgesetzt, sucht man, das Profil eines Olivier Giroud betreffend, wohl nicht am völlig falschen Ende der Fußballwelt.

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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