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Der FC Bayern nach dem Aus in der Königsklasse: Das „Wie“ ist das Problem

14. März 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern München ist gestern mit einer 1:3-Heimniederlage gegen den FC Liverpool aus der Champions League ausgeschieden. Dass man gegen die „Reds“, die in der vergangenen Saison im Finale standen und in der Premier League um den Titel kämpfen, ausscheiden kann, ist klar. Die Art und Weise wirft aber einige Fragen auf.

Die Tendenz wurde nicht bestätigt

In den vergangenen Wochen befand sich der FC Bayern München auf dem Weg der Besserung. 12 der letzten 13 Bundesligaspiele konnten gewonnen werden, auch im DFB-Pokal ist man weiterhin im Rennen. Das 0:0 beim FC Liverpool war nicht schön anzusehen, aber irgendwie auch Mittel zum Zweck, auch wenn das Ergebnis sehr gefährlich war. Grundsätzlich schien es als würde die Entwicklung in die richtige Richtung gehen, denn auch fußballerisch wurde ein Schritt nach vorne gemacht, vor allem gegen Mönchengladbach und den VfL Wolfsburg.

Entsprechend groß war die Hoffnung, dass man gegen den FC Liverpool in der heimischen Allianz Arena diesen Trend fortführen kann. Die Mannschaft verfügte über das nötige Selbstvertrauen, die vielen Tore aus den letzten Pflichtspielen und der Schwung sorgten für Zuversicht, denn vor dem Spiel war klar, dass nur ein Sieg zum Weiterkommen reicht. Die 90 Minuten in der Allianz Arena waren allerdings weder besonders schwungvoll, noch sollte die Zuversicht lange anhalten. Nach einem ernüchternden Ergebnis und einer schwachen Leistung gegen einen FC Liverpool, der selbst weit vom Optimum entfernt war und trotzdem völlig verdient in der nächsten Runde steht, muss man sich beim FC Bayern Kritik gefallen lassen.

Erneuter Rückschlag in einem Topspiel

Ein Verein wie der FC Bayern wird und will auch immer an den Resultaten gegen starke Gegner gemessen werden. Denn in diesen Spielen zeigt sich, was die Mannschaft leisten kann, welche Ideen sie auf allerhöchstem Niveau besitzt, welche Anpassungsfähigkeit ihr der Trainer verleihen kann. Bis zum Rückspiel gegen den FC Liverpool wurden zu viele schwache Resultate in eben jenen Spielen eingefahren. Gegen Borussia Mönchengladbach wurde zuhause verloren, in Dortmund verlor der Rekordmeister ebenso wie in Leverkusen. Zudem konnte man gegen den individuell stärksten Gegner in der Gruppenphase der Champions League, Ajax Amsterdam, auch keines der beiden Duelle für sich entscheiden.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

In all diesen Spielen funktionierte der Plan, den Niko Kovac hatte, nur teilweise oder – in manchen Phasen – überhaupt nicht. Nachdem die defensiv-destruktive Herangehensweise beim Hinspiel in Liverpool zumindest dafür sorgte, dass die „0“ gehalten wurde, musste man im Rückspiel beweisen, dass man gegen diesen Gegner auch im Offensivspiel Lösungen finden kann. Im Hinspiel waren zwar einige Ansätze vorhanden, die größeren Möglichkeiten hatte aber der FC Liverpool, obwohl der Rekordmeister hingebungsvoll verteidigte, Willen und Einsatz zeigte. Doch das alleine reicht eben nicht.

Schwaches Niveau im Rückspiel

Wer beim Rückspiel in München erwartet hatte, dass sich der offensive Aufschwung der letzten Spiele fortsetzen würde, der wurde schnell enttäuscht. Besonders in den ersten 20-25 Minuten des Spiels agierten beide Mannschaften übervorsichtig, wollten keine Fehler machen. Man merkte nicht, dass eines dieser Teams gewinnen musste und das andere im Idealfall schnell einen Auswärtstreffer benötigt. Im Aufbau wurde enorm häufig quer oder zurück gespielt, es folgten planlose lange Bälle auf beiden Seiten, die ihr Ziel nicht fanden und das ganze Schema ging von vorne los. Die Pressinglinien des Gegners wurden dadurch zwar überspielt, in der Offensive kam es aber nur auf Zufälle an. Lewandowski wurde in Duelle mit 2-3 Verteidigern geschickt, die schnellen Angreifer des FC Liverpool konnten ebenfalls nicht in Szene gesetzt werden.

Und so kam es alles andere als überraschend, dass beide Treffer in der ersten Halbzeit aus individuellen Fehlern resultierten. Der FC Liverpool ging durch einen Torwartfehler von Manuel Neuer in Führung, der in dieser Situation nicht hätte rauskommen dürfen, beim Ausgleich profitierte der FC Bayern von einem Eigentor, nachdem die Defensive der „Reds“ von einem langen Ball der Gastgeber überrumpelt wurde. Ansonsten war in der ersten Halbzeit vor den Toren nicht viel los, es gab vereinzelte Abschlüsse oder Halbchancen, aber ein klares Offensivkonzept war nicht erkennbar. Der FC Bayern wollte, zeigte Biss und gewann einige entscheidende Zweikämpfe, mit dem Ball ging aber viel zu wenig, Umschaltsituationen wurden liegen gelassen, weil man lieber sofort den Sicherheitspass spielte, klare, strukturierte Abläufe in der Offensive waren nicht zu sehen.

 (Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Vor der 2. Halbzeit war also klar, das sich etwas ändern muss. Der FC Bayern musste treffen ohne ein Gegentor zu kassieren, also schrittweise das Risiko erhöhen ohne die Defensive zu entblößen. Der Plan, mit dem Niko Kovac in das Spiel ging, also verhalten und teilweise destruktiv zu spielen, um dem Gast keine großen Chancen zu ermöglichen, wurde nicht nur durch den individuellen Fehler zunichte gemacht, er war offensiv auch wirkungslos. In der laufenden Saison wurde bereits häufig deutlich, dass Niko Kovac dem Team zwar durchaus einen soliden Plan A mit auf den Weg geben kann, es am Plan B aber regelmäßig scheitert.

Die Folge: Der FC Bayern kam auch in der 2. Halbzeit zu selten gefährlich vor das Tor, entfachte keinen nennenswerten Offensivdruck, schnürten den Gegner in keiner Phase des Spiels in der Defensive ein. Und es kam, wie es kommen musste. Nach einem Eckball kam Virgil van Dijk zum Kopfball, übersprang die Defensivspieler des FC Bayern und nickte ein. Die Elf von Trainer Niko Kovac benötigte nun zwei Treffer, ein Aufbäumen fand aber nicht statt. Kingsley Coman, der als einzige adäquate Offensivalternative, die auf der Bank saß, ins Spiel kam, hatte ebenfalls keinen allzu großen Einfluss auf das Spiel. Liverpool setzte mit dem 3:1, das wie schon das 1:0 von Sadio Mané erzielt wurde, kurz vor dem Ende noch den Schlusspunkt und kam in einem Spiel, das nicht auf höchstem Niveau stattgefunden hat, verdient weiter.

Bayern und das falsche Signal

Betrachtet man das Spiel des FC Bayern am gestrigen Mittwoch, dann fällt vor allem auf, dass der Eindruck entstand, dass das vorrangige Ziel war dieses Spiel nicht zu verlieren oder nicht in Rückstand zu geraten. Wie angesprochen fehlte der klare Plan und die Überzeugung, wie dieses Spiel zu gewinnen ist. Es wurde keine magische Europapokalnacht, es wurde nicht einmal ein erbitterter Abnutzungskampf. Der FC Bayern wollte die Stärken des FC Liverpool eindämmen, aber die Auswirkungen waren zu groß, die eigenen Stärken kamen nicht zum Vorschein. Diese Ausrichtung war ein falsches Signal, das nicht nur Fragen aufwirft, wenn man das Spiel einzeln betrachtet.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Vielmehr ist die gesamte Ausrichtung des FC Bayern in dieser Saison zu hinterfragen. Für welchen Fußball soll der Rekordmeister unter Niko Kovac stehen? Eine klare Philosophie ist nicht zu erkennen, die Ausrichtungen variieren, man orientiert sich oft am Gegner, mal funktioniert es und mal eben nicht. Große Trainer können im Spiel reagieren, Formationen ändern und haben mehrere Möglichkeiten zum Erfolg zu kommen. Das fehlt dem FC Bayern in dieser Saison, das war bereits mehrfach sichtbar, auch wenn man in der heimischen Liga wieder und im DFB-Pokal ohnehin auf Kurs ist.

Wie geht es nun weiter?

Natürlich hat der FC Bayern noch Ziele in dieser Saison, kann noch zwei Titel gewinnen. Aber als Verein muss man insgesamt nicht nur die Resultate in diesen Wettbewerben, sondern auch die übergeordnete Entwicklung der Mannschaft im Blick haben. Niko Kovac sitzt fest im Sattel, wird dies auch bis zum Saisonende tun. Die Aussagen der Verantwortlichen hinterlassen nicht den Eindruck, dass sich daran etwas ändern wird, auch nicht im Sommer. Kovac bekommt aller Voraussicht nach die Chance in der kommenden Saison mit einigen Neuverpflichtungen, die getätigt werden, neu anzugreifen. Und er muss sich Gedanken machen, wie er die Mannschaft in Zukunft positiv beeinflussen kann, ihr einen klaren Plan mitgeben kann.

Denn eines ist sicher: Die Geduld im Verein wird nicht ewig anhalten. Die Art und Weise des gestrigen Ausscheidens ist bemerkenswert, die Leistung für einen Topklub, der nach einem Remis im Hinspiel zuhause spielt, bedenklich. Viele „große“ Spiele stehen für den FC Bayern in dieser Saison nicht mehr an, in denen Kovac beweisen kann, dass er das Team anders einstellen und besser vorbereiten kann. Die Saison im Europapokal ist für den FC Bayern nun zuende. Was bleibt, ist die Skepsis. Denn wenn man die ganz großen Vereine schlagen will – und das ist das Ziel in München – muss man mehr im Repertoire haben als es der FC Bayern in den 180 Minuten gegen den FC Liverpool hatte.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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