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Erfreuliche Ansätze, zahlreiche Erkenntnisse | Der BVB nach dem Barca-Spiel

18. September 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Spotlight | Nach der Auslosung der Gruppenphase der Champions League fieberten vor allem die Fans von Borussia Dortmund und dem FC Barcelona dem ersten Spieltag entgegen. Früh in der Saison stand eine Standortbestimmung für beide Mannschaften an, am Ende trennten sich beide 0:0. Erkenntnisse gibt es aber jede Menge, vor allem für Borussia Dortmund. 

Es lief die 57. Minute, als Marco Reus nach einem sehr unnötigen Foul von Nelson Semedo, das zum Elfmeter führte, gegen Marc-Andre ter Stegen antrat und scheiterte. Eine solch große Chance gegen den FC Barcelona in Führung zu gehen muss man eigentlich nutzen, denn wer weiß, wie viele Gelegenheiten man noch erhalten wird? Dass Borussia Dortmund am Ende des Spiels nicht primär auf die Elfmeterszene blickte, sondern die Chancenverwertung am gesamten Abend bemängelte, spricht für einen guten Auftritt des Teams von Trainer Lucien Favre.

Von Chancen und Ungenauigkeiten

In den ersten Minuten des Spiels deutete der Gastgeber bereits an, dass er vor allem versuchen will, schnell umzuschalten, den FC Barcelona nach Ballgewinnen mit viel Tempo vor Probleme zu stellen. Nach einigen guten Ansätzen zu Beginn verflachte die Partie allerdings etwas. Die Katalanen konnten den Ball häufiger in den eigenen Reihen laufen lassen, Dortmund blieb eher in Ansätzen gefährlich. Die defensive Stabilität des BVB war allerdings hervorzuheben, Mats Hummels antizipierte nahezu jede gefährliche Situation, gewann alle wichtigen Zweikämpfe und baute das Spiel gewohnt gut auf. Positiv hervorzuheben war auch Manuel Akanji, der sich zu Saisonbeginn noch häufiger anfällig zeigte, gestern aber nur sehr selten auf dem falschen Fuß erwischt wurde.

Dortmund konnte einige Abschlussmöglichkeiten generieren, vor allem der Pass von Thorgan Hazard auf Marco Reus, der eine der besten Chancen der ersten Halbzeit einleitete, ist hervorzuheben. Ansonsten musste man dem Belgier aber eine allenfalls durchschnittliche Leistung attestieren, zu häufig war Hazard für einfache Ballverluste verantwortlich oder spielte ungenau. Die Ungenauigkeiten im Offensivdrittel sorgten insgesamt dafür, dass die erste Halbzeit des BVB lediglich mit dem Wort „gut“ zu bewerten war. Gegen den FC Barcelona mit einem 0:0 in die Kabine zu gehen und nur wenig zugelassen zu haben, ist per sé ein Erfolg, es wäre aber mehr möglich gewesen, schon in den ersten 45 Minuten.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Der Ansatz von Lucien Favre, mit der nötigen Balance in dieses Spiel zu gehen und sich auch einmal ruhigere Phasen zu gönnen, war genau richtig, denn das erlaubte dem BVB auch in der zweiten Halbzeit immer wieder, das Tempo zu verschärfen. Zwar fehlte mitunter im Mittelfeld der Zugriff, vor allem wenn Arthur Melo der Ausgangspunkt der Passstaffetten des FC Barcelona war, die gute Grundordnung sorgte aber dafür, dass die Spanier nur wenig klare Chancen kreieren konnten.

In der zweiten Halbzeit hatte Dortmund dann nicht nur einige sehr ansprechende Tempoverschärfungen zu bieten, sondern auch mehr Torchancen als in den ersten 45 Minuten. Häufig scheiterten die Schwarzgelben an Marc-Andre ter Stegen, manchmal auch an sich selbst. Bei seinem Schuss von der Strafraumkante hatte Jadon Sancho zu viel Zeit, um zu überlegen und nahm die Innenseite, Marco Reus schoss den Ball nach einem guten Pass von der Seite in die obere Region des Fangnetzes. Das 0:0 ist ein Achtungserfolg für Borussia Dortmund, aber es wäre mehr drin gewesen – und das ist ärgerlich.

Pech nicht der entscheidende Faktor

Dass es am Ende beim Remis blieb, lag nicht alleine am Faktor Pech oder an einem sehr guten ter Stegen, das wäre zu einfach. Verschiedene Faktoren spielten eine Rolle, angefangen von den bereits angesprochenen Ungenauigkeiten im Spiel, die mehrfach sehr vielversprechende Angriffe zunichte machten, bis hin zu unplatzierten oder technisch unsauberen Abschlüssen. Dass auch das Pech, wie beispielsweise beim Lattenschuss des eingewechselten Julian Brandt, eine Rolle spielte, gehört aber ebenfalls zur Wahrheit.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Doch wie ordnet man dieses 0:0 am gestrigen Abend aus Sicht von Borussia Dortmund ein? Der FC Barcelona hat im wohl schwierigsten Gruppenspiel zwar nicht brilliert, aber mit einem Remis ein Resultat eingefahren, das auswärts in Ordnung ist. Und generell: Bei Auswärtsspielen in der Gruppenphase ist für die Spitzenvereine in der Königsklasse das „Wie?“ nur selten entscheidend. Der FC Barcelona ist mit dem Selbstverständnis ausgestattet, sich auf diesem Level zu sehen, bei Borussia Dortmund stellte man sich vor dieser Gruppenphase die Frage, ob man auch dazugehört und was noch fehlt, falls dem nicht so ist.

Am Limit gewinnt der BVB

Die Gesamteinordnung sollte Borussia Dortmund und Lucien Favre nach dem gestrigen Spiel relativ leicht fallen, waren die positiven Elemente ebenso offensichtlich wie die Baustellen. Das 4-2-3-1-System ist in seiner Struktur und Variabilität sehr stabil, die Defensivzentrale um den bereits gelobten Hummels und den im Mittelfeld sehr präsenten Witsel ließ dem FC Barcelona nur wenig Luft zum Atmen. Die Mischung aus einer guten Ordnung, dem Zustellen der Räume und situativem Pressing war gelungen, die Gäste fanden wenig Lücken, die man bespielen konnte. Die Stressresistenz der BVB-Abwehr wurde allerdings auch nicht auf allerhöchstem Niveau geprüft, zu zaghaft waren die Versuche des FC Barcelona über viele Spielabschnitte. Insbesondere das Rückspiel in Spanien könnte hierbei einen neuen Maßstab herstellen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Zu den positiven Elementen des BVB-Spiels gehörte gestern definitiv auch das Umschaltverhalten – sowohl nach vorne, als auch nach hinten. Fast immer wurden die Räume in der Offensive klug besetzt, die Laufwege stimmten und die Risikoabwägung der offensiv ausgerichteten Außenverteidiger Hakimi und Guerreiro befand sich auf einem hohen Niveau. Dortmund versuchte die Abwehr des FC Barcelona ins Laufen zu bringen, spielte nach Ballgewinn häufig zwei, drei direkte Pässe und schickte einen der schnellen Angreifer in den offenen Raum. Doch hier muss Dortmund noch präziser agieren, sich manchmal etwas mehr Zeit nehmen, um einen Angriff zu Ende zu spielen. Das zeigte sich in der ersten Halbzeit häufig dann, wenn Thorgan Hazard involviert war. Der Belgier wollte sich auf großer Bühne beweisen, vertändelte aber zu viele Aktionen. Dass er dennoch für geniale Momente sorgen kann, ist ein nicht von der Hand zu weisender, positiver Faktor.

Der BVB hat den Anspruch, sich mit den besten Teams Europas zu messen und hat gestern gezeigt, dass man auch mit einer nicht perfekten, sondern „nur“ sehr guten Leistung in der Lage ist, ein Großkaliber wie den FC Barcelona entsprechend zu bespielen. Dass es am Ende nicht zum Sieg gereicht hat, lag daran, dass der Gastgeber nicht am Limit gespielt hat. Die Ungenauigkeiten machten einige Angriffe zunichte und präzisen, schnörkellosen Angriffen wurde der verdiente Lohn durch technische Unsauberkeiten oder unplatzierte Abschlüsse verwehrt.

Kurzum: Hätte Borussia Dortmund am Limit gespielt, dann hätte man dieses Spiel gestern auch gewonnen. Auf die 90 Minuten lässt sich aber dennoch aufbauen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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