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Bundesliga | FC Bayern: Eine Gala zum richtigen Zeitpunkt

19. Oktober 2021 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | 5:1 gewann der FC Bayern in Leverkusen und eroberte damit die Tabellenspitze zurück. Bedenken um eine mögliche Ergebniskrise nach der Niederlage gegen Frankfurt wurden damit vorerst ausgeräumt. Zudem nimmt das System Nagelsmann immer konkretere Strukturen an.

  • Nach Heimniederlage unter Druck: FC Bayern liefert – und erstaunt sogar Nagelsmann
  • Tempo, Tiefe, Torgefahr: Wie der Rekordmeister Leverkusen filetierte
  • In Spitzenspielen makellos – aber eine große Aufgabe bleibt

FC Bayern gefordert, FC Bayern liefert – und übertrifft sich selbst

Für eine Fußballmannschaft gibt es wenig unbefriedigenderes, als mit einer Niederlage in die Länderspielpause zu gehen. Abgesehen davon, dass man Punkte liegengelassen hat, bekommt man erst zwei Wochen später die Gelegenheit, sich erneut zu beweisen. Bis dahin steht das nackte Ergebnis und mit ihm alle einhergehenden Spekulationen.

So auch im Falle des FC Bayern München, der sich gegen Eintracht Frankfurt offensiv ungewohnt fahrig und defensiv ungewohnt anfällig präsentierte. Nur ein Blackout oder doch der Beginn der nächsten herbstlichen Ergebniskrise? Diese Frage galt es vergangenen Sonntag in der BayArena zu beantworten, gegen Gastgeber, die sich in den vergangenen Partien in exzellenter Form befanden. Die Möglichkeit, dass der FC Bayern diesen Spieltag nicht auf Platz 1 beendete, war durchaus gegeben.

 

 

Doch dann tat der Rekordmeister das wahrscheinlich bayerntypischste, was man sich in dieser Situation vorstellen kann: Sie schickten den Tabellendritten der Bundesliga auf eine 45-minütige Geisterbahnfahrt. Robert Lewandowski (33) eröffnete früh die Show. Nach gut einer halben Stunde – und einigen vergebenen Chancen – brachen alle Dämme: Lewandowski zum Zweiten, Thomas Müller (32) und ein Doppelpack von Serge Gnabry (26) machten binnen sieben Minuten aus einem Spitzenspiel eine Trainingseinheit vor 29.542 Zuschauern.

„Das war nicht einkalkuliert, nicht gegen einen Gegner, der zuletzt herausragende Leistungen gezeigt hat“, so Julian Nagelsmann (34) nach der Partie. Im 958. Auswärtsspiel der Bundesligageschichte führte der Rekordmeister erstmals mit fünf Toren Differenz zur Pause.

Natürlich halfen die Leverkusener durch Passivität tatkräftig mit. Das – aus der Not heraus geborene – System mit einer spielerischen Doppelsechs aus Kerem Demirbay (28) und Nadiem Amiri (24) ging krachend schief, wie schon beim 3:4 in Wankdorf, als die Werkself gegen Gerardo Seoane (42) und seine Young Boys zur Pause 0:3 zurücklag und dem Schweizer Meister dabei nicht mal versehentlich im Weg stand. Ein Deckungsverhalten war auch diesmal nur selten zu erkennen, zudem ließ man bei gegnerischen Standards am zweiten Pfosten sowohl Dayot Upamecano (22), als auch Niklas Süle (25) sträflich frei, was in beiden Fällen bestraft wurde.

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Mit Effizienz an die Spitze: Die Richtung unter Nagelsmann stimmt

Dennoch wird man dem Spiel nicht gerecht, wenn man dieses Ergebnis einzig an den Leverkusenern festmacht. Der FC Bayern erwischte das, was man gemeinhin als „Sahnetag“ bezeichnet, gewissermaßen der genaue Gegenentwurf zur Niederlage vor der Länderspielpause. „Ich glaube, die Idee zu dritt zu eröffnen, war sehr gut heute, mit dem kleinen Risiko Mann-gegen-Mann, aber mit einer klaren Zuordnung, ihre Konterstärke wegzunehmen“, erklärte Nagelsmann seine Strategie nach dem Spiel bei DAZN.

Waren die gegnerischen Konter einmal im Keim erstickt, konnte die Mannschaft sofort umschalten. Dabei hielten sich die Münchener nicht lange im Mittelfeld auf, sondern trugen den Ball mit möglichst wenig Kontakten nach vorne. Thomas Müller und Leroy Sané (25), der unter Nagelsmann weniger Flügelspieler, sondern eher zusätzlicher Spielgestalter ist, bekamen die Leverkusener zu keinem Zeitpunkt unter Kontrolle.

Photo by Lukas Schulze/Getty Images

Abseits des Balles präsentierte sich der Rekordmeister unberechenbar. „Unser Raumverhalten war richtig gut, wir hatten viele Spieler zwischen den Linien, haben dadurch Tempo, Tiefe und Torgefährlichkeit ins Spiel gebracht“, fasste es Joshua Kimmich zusammen.Und auch die Effizienz, die Thomas Müller nach der Niederlage gegen Frankfurt noch bemängelte, war diesmal vorhanden: Aus einem xG von 2,6 vor der Pause machte der FC Bayern fünf Tore. Oder besser gesagt: Nur fünf Tore. „Es klingt komisch, wenn es 5:0 steht. Aber wir hatten die Chance auf das sechste, siebte oder achte Tor in der ersten Halbzeit“, so Julian Nagelsmann.

Mit der überdeutlichen Halbzeitführung im Rücken schonte Bayerns Coach im zweiten Durchgang Ressourcen. Bayer stand kompakter, fand in persona Patrik Schick (25) auch selbst noch den Weg auf die Anzeigetafel. Viel tat sich ansonsten nicht mehr.

Für die Münchener geht es am Mittwochabend zurück ins Estadio Da Luz. Jenen Ort, an dem sie vor Jahresfrist ihren größten Erfolg der jüngeren Vergangenheit feierten. Was sie nach Lissabon mitnehmen, ist die Gewissheit, dass die Richtung unter Nagelsmann stimmt. Ein etwaiger Herbstblues ist damit vorerst abgewendet. Zudem ist man in Spitzenspielen weiterhin makellos.

Den souveränen Siegen im Camp Nou (3:0), gegen Borussia Dortmund (3:1) und in Leipzig (4:1) ließ man nun ein 5:1 in Leverkusen folgen. Die nächste Aufgabe wird sein, diese Form über den Winter hinaus zu konservieren. Innerhalb der Mannschaft dürften die Bilder der Vorsaison noch relativ präsent sein, wie – vor allem im Schneetreiben – nicht sie diejenigen waren, die am Ende feiern durften. Stichwort Kiel, Stichwort PSG.

Gelingt es den Münchenern, aus diesen Spielen eine Gier, analog zum Achtelfinalaus 2019 gegen Liverpool (0:0, 1:3), zu ziehen, können sie es diese Saison noch weit bringen.

Photo by Lukas Schulze/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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