Julian Schuster, einst selbst länger für den Klub aus dem Breisgau aktiv, soll die Arbeit von Streich fortführen. Er ist vor allem menschlich ein ganz anderer Typ, deutlich mehr in sich gekehrt, ruhiger und sachlicher. Den Fußball per sé denkt er aber gar nicht großartig anders als sein Vorgänger. Und das sollte dem SCF in der neuen Saison entgegenkommen.
Die Saison 2023/24 war für den SC Freiburg eine solide, aber mehr auch nicht. Gemessen an den letzten Jahren war sie vielleicht sogar ein wenig enttäuschend, obwohl man das bei einem zehnten Platz ohne jegliche Sorgen, weiter nach unten zu rutschen, eigentlich nur schwer sagen kann. Die Freiburger waren zuvor aber zweimal nacheinander im Achtelfinale des Europapokals, schafften die Qualifikation in der letzten Saison unter Christian Streich aber nicht, was ihn auch ein wenig wehmütig machte.
Gerne hätte sich die scheidende Trainerlegende noch einmal mit einem solchen Geschenk verabschiedet. Zu anfällig war der SCF in der Vorsaison, kassierte 58 Gegentore, schoss aber auch „nur“ 45. Es gab zu viele Phasen, in denen die letzte Konsequenz offensiv fehlte, sei es aus dem eigenen Ballbesitz heraus oder bei den ruhenden Bällen, zuvor eine der großen Stärken bei den Freiburgern.
Nicht falsch verstehen: Niemand in Freiburg stempelt die Saison 2023/24 als eine richtig negative ab. Es fehlte nur einfach etwas zum Optimum. Und vielleicht zeigte diese Spielzeit, dass Veränderungen jetzt langsam notwendig sind. Streich ging die Energie aus, das war ihm vor allem im Verlauf der Rückrunde anzumerken. Jetzt ist die Zeit für frische Impulse gekommen.
(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)
Dass Schuster kein Streich 2.0 sein kann, ist klar. Der Ex-Trainer war und ist ein Unikat. Deswegen wird es automatisch neue Ansätze geben, auch wenn sich schon in der Vorbereitung und im ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal zeigte, dass in Freiburg keine Revolution stattfinden wird. Und das ist auch gut so, denn der Weg der letzten Jahre war schließlich erfolgreich.
Und vielleicht profitiert der neue Trainer auch davon, mit dem Team eben nicht im internationalen Wettbewerb zu spielen. Nach der Vorbereitung quasi jede Woche die Zeit zu haben, normal zu trainieren, unter der Woche eben nicht zu reisen und dafür Inhalte einüben und Automatismen generieren zu können, dürfte Schuster in seiner ersten Saison als Cheftrainer sicher entgegenkommen. Die Belastung ist geringer, der intensive Stil kann sicher besser und zielführender durchgezogen werden.
Anpassungen gab es auch auf dem Transfermarkt. Eren Dinkci, Patrick Osterhage, Maximilian Philipp und Jannik Huth wechselten fix zum Sportclub, kein Schlüsselspieler verließ den Verein. Und: Junior Adamu kann quasi als Neuzugang betrachtet werden. Der Stürmer, letzte Saison noch sehr oft verletzt, ist einer der Gewinner der Vorbereitung und endlich angekommen.
Mehr Kompaktheit, mehr Flexibiltität
Doch was kann und muss sich in Freiburg verändern? Gar nicht so viel. Da auch Schuster einen Fußball mit einer hohen Intensität, vielen Sprints und intensiven Läufen sehen will, wird sich das Grundgerüst nicht essenziell verändern. Sicher, einige Mechanismen im Aufbau werden sich verändern, das Pressing wird womöglich ein wenig neu koordiniert, aber das sind eher Detailfragen. Um die Breisgauer wieder hin zu mehr Konstanz zu führen, ist es wichtig, die Mannschaftsteile wieder besser miteinander zu verbinden.
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Wie das geht? Nun, dafür gibt es mehrere Lösungsansätze. Einer davon ist es, sowohl die Aufmerksamkeit in der Defensive als auch die Konsequenz in der Offensive zu verbessern, beide Mannschaftsteile wieder zu stabilisieren, was automatisch einen positiven Einfluss auf das Gesamtbild der Mannschaft haben wird. Die Abwehr muss kompakter agieren, die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen müssen geschlossen werden. Es geht also darum, vor allem hochkonzentriert zu agieren und immer aufmerksam zu sein.
Offensiv wirkte Freiburg zuletzt teilweise ein wenig festgefahren in den eigenen Leitplanken. Streich wollte dem Team zwar Freiheiten geben, aber es fiel schwer, nach einer so langen Zeit permanent neue Wege zu finden, um offensiv Kreativität und Fluidität miteinander zu vereinen. Schuster hat seinen ganz eigenen Ansatz, einen, den die Mannschaft noch nicht kennt. Das könnte die Statik im Offensivspiel verändern. Kurzum: Freiburg braucht neue Ansätze, eingebettet in das Gesamtkonzept der letzten Jahre mit einer gewissen Schuster-Note.
Der Freiburger Weg der Jugendförderung geht weiter
Ein ganz zentraler Punkt der Ausrichtung des SC Freiburg ist die Förderung der Jugend. Positive Beispiele gab es in den letzten Jahren einige, angefangen bei Mathias Ginter zu Beginn der Ära Streich. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit konnten sich Spieler wie Merlin Röhl oder Noah Weißhaupt einen Namen machen. Freiburg profitiert von einer sehr guten Jugendarbeit, das beginnt schon beim Scouting. Gleichzeitig werden die Spieler allumfassend ausgebildet, bekommen ein taktisches Gesamtpaket mit auf den Weg, genießen aber auch Freiheiten.
(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)
Niemand in Freiburg scheut sich davor, junge Spieler in das berühmte kalte Wasser zu werfen. Beispiel DFB-Pokal: Max Rosenfelder (21) und Bruno Ogbus (18) starteten in der Viererkette. Sie machten ihre Sache gut, sind sogar Optionen für die Startelf zum Start der neuen Saison. Berkay Yilmaz (19) oder Johan Manzambi (18) haben mittlerweile auch einen Profivertrag. Und es kommt Jahr für Jahr mindestens ein Spieler mit entsprechender Qualität nach. Das Umfeld beim SCF ist außerdem ideal, um sich zu entwickeln, eine Top-Platzierung am Saisonende ist super, aber ein zehnter Platz eben auch kein Weltuntergang.
SC Freiburg: Wohin geht die Reise in der neuen Saison?
Beim Sportclub werden sich also ein paar Dinge verändern in der neuen Saison. Das Grundgerüst im Kader ist stabil, es gibt Führungsspieler wie Ginter, Höfler und Grifo, viele aufstrebende junge Talente und Spieler wie Adamu, die jetzt erst so richtig durchstarten könnten. Ganz große Schwächen gibt es im Kader nicht, vor allem die Breite ist für ein Team, das nicht europäisch spielt, absolut hervorzuheben. Rein von der Qualität her ist Freiburg ein Team, das sich im Mittelfeld platzieren wird.
Ob es sich dabei eher weiter nach oben oder nach unten zu orientieren gilt, hängt von mehreren Faktoren zusammen. Wie konstant spielen die jungen Talente? Wie schnell fruchten die Schuster-Anpassungen und wie gut ist sein Plan insgesamt? Und wie viele Verletzungssorgen gibt es im Laufe der Saison? Diese Fragen werden in den kommenden Monaten beantwortet. Für den Moment gilt jedenfalls: Sorgen machen muss sich kein Fan des SCF.
(Photo by Adam Pretty/Getty Images)