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Gladbach: Führungsspieler, Konstanz und klare Ziele – die Borussia will zurück in die Einstelligkeit

19. August 2024 | Spotlight | BY Jonas Krause

Borussia Mönchengladbach steht nach der ernüchternden vergangenen Spielzeit vor einer wegweisenden Saison – die zeigen wird, ob sich die Fohlen auf dem richtigen Weg befinden. Entscheidungen und Transfers im Sommer machen Hoffnung, doch es bleiben Fragezeichen. 

Saisonanalyse: Seoane und Virkus bleiben, Zibung kommt dazu

Nach der durchwachsenen letzten Saison, die mit Tabellenplatz 14 abgeschlossen wurde und die schlechteste seit anderthalb Jahrzehnten war, kündigten die Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach eine umfassende Analyse an. Doch ein großes Personalbeben blieb aus, stattdessen wurden Trainer Gerardo Seoane (45) und Sportdirektor Roland Virkus (57) in ihren Rollen bestärkt. Gerade der Schweizer Cheftrainer sollte eine zweite Chance bekommen und sich in der kommenden Saison beweisen dürfen.



Mit David Zibung (40), der auf Nils Schmadtke (35) folgte und die Position des Sportkoordinators übernahm, gab es zwar eine kleine Veränderung in der sportlichen Führung, der Kern ist jedoch gleichgeblieben und hat sich nicht verändert. In gewisser Weise schon fast ein besonderer Umstand, denn Seoane ist nach Adi Hütter und Daniel Farke der erste Trainer, der wieder länger als ein Jahr bei der Borussia bleiben darf.

Sicherlich ist diese Entscheidung mit einem Risiko behaftet, gleichzeitig kann sie auch eine große Chance für das Team und den Trainer-Staff sein. Denn, auch wenn viele Dinge bisher noch nicht so klappten, wie es sich vorgestellt wurde, es ist eine Grundlage da, auf die aufgebaut werden kann, aus der aber vor allem Erkenntnisse gezogen werden können.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Veränderte Transferstrategie: Drei Führungsspieler für die Borussia

Gerade in den letzten drei Saisons mangelte es bei den Fohlen in der Breite an Führungsspielern. Obwohl durch Transfers wie Julian Weigl (28), Jonas Omlin (30) oder Ko Itakura (27) immer wieder Spieler mit Führungsqualitäten ins Team geholt wurden, hatte man in manchen Spielen immer wieder das Gefühl, dass etwas oder jemand auf dem Platz fehlte. Mentalitätsspieler wie Lars Stindl (35) oder Jonas Hofmann (32), die mit ihren Leadership-Qualitäten die Mannschaft anführen können, gab es zu wenige im Kader.

Hinzukommt, dass mit Patrick Herrmann (33) und Tony Jantschke (34) zwei der wichtigsten Identifikationsfiguren der vergangenen Jahrzehnte im Mai 2024 ihre Karriere beendeten. Mit Christoph Kramer (33) geht zudem das nächste Aushängeschild der Borussia mehr oder weniger freiwillig, nachdem sein im kommenden Jahr auslaufender Vertrag vorzeitig aufgelöst wurde. Die Baustelle ist und war also klar: Es bedarf Spielern mit Führungsqualitäten, die sich voll und ganz mit Borussia Mönchengladbach identifizieren und Mentalität auf und neben dem Platz an den Tag legen.

Mit Tim Kleindienst (28), Top-Stürmer des 1. FC Heidenheim, Kevin Stöger (30), Top-Scorer und Relegationsheld des VfL Bochum und Philipp Sander (26), Kapitän von Aufsteiger Holstein Kiel wurden drei absolute Leistungsträger verpflichtet, die in ihren vorherigen Vereinen zu den wichtigsten und vor allem führungsstärksten Spielern gehörten. Sie haben nun die Aufgabe, diese Lücke zu füllen. Und in der Vorbereitung zeigten alle drei bereits vielversprechende Ansätze, besonders Kleindienst und Stöger bewiesen bereits nach wenigen Wochen, die Mannschaft anführen zu können.

„Aufbruch statt Umbruch“- Klare Ziele für die nächste Saison

Im Zuge der großen Saisonanalyse wurde ein Aspekt klar deutlich gemacht. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren riefen die Verantwortlichen wieder öffentlich ein klares Tabellenziel aus. Für die Borussia soll es wieder in die Einstelligkeit gehen. Eine Entwicklung, die auch Jannik Sorgatz, Borussia-Chefreporter bei der Rheinischen Post, positiv wahrnimmt. „Dass die Verantwortlichen die katastrophale Vorsaison ausgiebig analysieren wollten, war nicht nur so daher gesagt. Es scheint wirklich jeder Stein umgedreht und alles hinterfragt worden zu sein. Eine erste Erkenntnis war bereits beim Trainingsauftakt festzustellen: Borussia traut sich wieder, klare Ziele zu formulieren – die Einstelligkeit in der Tabelle wirkt ambitioniert, aber dass es daran mangelte, war ein Problem der Vorjahre.“

Auch den Gladbacher Cheftrainer nimmt Sorgatz etwas anders wahr als noch im Vorjahr: „Seoane selbst hat den Ton auf dem Trainingsplatz verschärft, er hat offenkundig keinen Bock, sich mit ängstlichem Fußball wie in diesem Frühjahr ins Ziel zu retten. Zudem setzt er klar auf ein 4-2-3-1. Die sportlichen Säulen des Kaders sind alle geblieben, mit Stöger, Sander und Kleindienst sind nur drei Profis gekommen – aber alle haben Stammplatz- und Führungsspieler-Potenzial.“

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Torwartposition, Abwehrschwäche und Abgangskandidaten – Es bleiben Fragezeichen im Borussia-Kader

Doch trotz der Transfers von Führungsspielern und einer klaren Zielsetzung für die kommende Saison bleiben viele Fragen rund um die Fohlenelf ungeklärt, findet Sorgatz: „Stabilisieren sich die jungen Außenverteidiger Luca Netz und Joe Scally, machen sie sogar den erhofften Schritt nach vorne? Bleibt Jonas Omlin gesund und hält er so zuverlässig, dass keine Torwartdiskussion entsteht? Noch brisanter ist Florian Neuhaus‘ Situation, der Mittelfeldspieler ist weit weg von einem Stammplatz und aus dem Mannschaftsrat geflogen. Robin Hack hat die gesamte Vorbereitung verpasst – bleibt er vor dem Tor so überragend effizient? Und gelingt es Sportchef Roland Virkus noch, Manu Koné und Nico Elvedi oder zumindest einen der beiden zu verkaufen? Die Defensive kann frisches Blut vertragen – und mehr Tempo.“

Auf der anderen Seite gibt es viele Dinge, die Hoffnung machen. Die Neuzugänge erwecken den Eindruck, einen klaren Plan zu verfolgen und der Mannschaft fehlende Qualitäten wieder zurückbringen zu können. Zudem zeigen sich Unterschiedsspieler wie Alassane Plea (31) und Franck Honorat (28) in guter Form, Publikumsliebling Rocco Reitz (22) wird und muss sich zudem auch noch weiter entwickeln und versuchen, an seine Leistungen aus der Vorsaison anzuknüpfen.

Es gibt also viele positive Aspekte, die eine Besserung versprechen. Trotzdem bleiben Fragezeichen rund um den Borussia-Kader, auch Trainer Seoane muss seine Spielidee und dessen Umsetzung erst einmal beweisen. Wie schon oft gesagt: Der eingeschlagene Borussia-Weg ist ein Prozess, der womöglich gerade erst so richtig Fahrt aufnimmt.

Gladbachs Saison 2024/2025 – Ausgang ungewiss

Es ist demnach schwierig zu prognostizieren, wohin dieser Weg die Borussia in den kommenden Wochen und Monaten führen wird. Nicht wenig wird noch von den Entscheidungen um Zu- und Abgänge bis zum Ende der Transferperiode in zehn Tagen abhängen.

Auch Sorgatz sieht die kommende Spielzeit vollkommen ergebnisoffen: „Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt abschätzen, ob die Antworten auf all die offenen Fragen positiv oder negativ ausfallen.“ Die Vorbereitung ist zwar zu Ende bei Borussia, aber nur ein Bruchteil der Arbeit erledigt – das streitet Seoane auch nicht ab. Das Pressing ist intensiver und koordinierter, Kleindienst steht dafür, dass die Defensive bei Borussia nun ganz vorne beginnt. Mit diesem veränderten Fokus sollte es gelingen, die Zahl der Gegentore zu reduzieren. Nur könnte die eigene Torproduktion auf wackligen Beinen stehen: Gladbach ist sehr effizient gewesen und war stark bei Standards, da darf das Team nicht nennenswert nachlassen. Insgesamt dürfte Borussia besser abschneiden, ein immenser Sprung in der Tabelle von Platz 14 aus wäre jedoch eine Überraschung. Nach den Erfahrungen der Vorsaison wären ein souveräner Klassenerhalt und Platz elf oder zwölf mit mindestens 40 Punkten schon eine gute Nachricht.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)


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