Champions League Vorschau | Von Ausfällen und wie man damit umgeht. Tottenham vs. Dortmund

12. Februar 2019 | Vorschau | BY Julius Eid

Im Achtelfinale der Champions League treffen zwei Mannschaften aufeinander, die in jüngerer Vergangenheit schon häufiger miteinander zu tun hatten: Die Tottenham Hotspurs gegen den BVB aus Dortmund. Während die Dortmunder die Tabelle in Deutschland anführen, sind die Spurs in England im Windschatten Liverpool und Citys noch immer im Titelrennen dabei. Doch beiden Mannschaften werden absolute Schlüsselspieler fehlen.

Die Partie findet am Mittwoch um 21.00 Uhr statt und ist live auf DAZN zu sehen.

Dortmund marschiert

Die Gruppenauslosung hörte sich für die Dortmunder im ersten Moment wohl ordentlich an, richtig Freude konnte aber auch nicht aufkommen. Mit Atletico Madrid wurde eine Mannschaft zugelost, die als Favorit auf den Gruppensieg gehandelt wurde, die AS Monaco schien ein Gegner auf Augenhöhe, mit dem man sich um den zweiten Platz an der Sonne wohl streiten müsse. Der FC Brügge komplettierte das Feld dann erst einmal. Schon früh war allerdings klar: Monaco befindet sich nicht ansatzweise auf dem Level der letzten Jahre, ein zweiter Platz und damit das Weiterkommen schien definitiv möglich. Doch aufgrund der grausigen, letzten europäischen Saison gab man sich vorsichtig. Dass man im ersten Gruppenspiel dann in einem umkämpften Spiel überraschend starken Belgiern einen Sieg in letzter Minute abtrotzen konnte, sorgte nicht unbedingt für Euphorie.

Doch wie Monaco sich neben ihrer Vorjahresform befand, sollte auch der BVB unter Favre das letzte Jahr und die Leistungen vergessen machen. Während man in der Liga immer besser ins Rollen kam, konnte man einen überzeugenden 3:0-Sieg über Monaco einfahren. Das Formhoch der „neuen“ Dortmunder Mannschaft hatte ihren Höhepunkt allerdings nicht vor dem 24. Oktober erreicht. An diesem Tag empfing man Favorit Atletico im Signal Iduna Park – und zeigte eine fantastische Leistung. Mit einem 4:0-Sieg blamierte man Simeones Mannschaft regelrecht und konnte durchgehend überzeugen. Der Sieg bedeutete zwangsläufig auch die Tabellenspitze in der Gruppe und ein schon fast gesichertes Weiterkommen.

Zwar konnte sich Atletico schon im Rückspiel mit einem 2:0-Sieg revanchieren, der Kurs aufs Achtelfinale blieb allerdings unbeirrt. In einem Spiel gegen ähnlich starke Brügger, wie beim ersten Duell der beiden Teams, fehlte den Dortmundern dann das Glück des Hinspiels und man trennte sich torlos. Das Weiterkommen war als gesichert, die Tabellenführung hingegen bei Weitem nicht. Man war auf Schützenhilfe angewiesen, als es ins Duell gegen Monaco ging. Hier agierte der BVB souverän gegen desolate Monegassen und konnte 2:0 gewinnen. Aufgrund des Ergebnisses zwischen Madrid und Brügge reichte es dann auch, im Wesentlichen verdient, zu Platz 1 der Gruppe: Ein Ergebnis, mit welchem kaum gerechnet worden war und die Fans nach dem letzten Jahr etwas versöhnt haben dürfte.

(Photo by Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Auf den letzten Drücker

Auch die Gruppe der Spurs las sich alles andere als einfach. Mit dem FC Barcelona als Gruppenkopf stand der Favorit, ähnlich wie in Dortmunds Gruppe, von Anfang an fest. Auch die Nerazzurri von Inter Mailand hofften bei dieser Gruppenkonstellation auf den zweiten Platz und selbst der vermeintlich kleinste Name der Gruppe, die PSV Eindhoven, hatte durchaus Außenseiter-Chancen. Für die Spurs war also klar: Es wird intensiv. Und das wurde es, vom ersten Spieltag an: Denn direkt zu Beginn der Gruppenphase musste man sich dem italienischen Konkurrenten mit 2:1 geschlagen geben. Wahre „Big Points“, die Pochettinos Team hier in den letzten Minuten der Partie abhanden kamen. Besser wurde es dann auch auf keinen Fall, im Wembley musste man sich dem spanischen Favoriten klar mit 2:4 geschlagen geben.

Null Punkte aus den ersten beiden Partien waren somit eine dürftige Ausbeute für die Londoner. Spätestens jetzt war der Druck spürbar und viele rechneten mit einem frühen Ausscheiden der Spurs, die gerade zu Saisonbeginn nicht sehr frisch wirkten. Ein 2:2 gegen Eindhoven schien das Worst Case Szenario schon zu besiegeln. Pochettino sollte es wohl nicht mehr schaffen sein Team in die KO-Phase zu führen. Immerhin konnte man im Rückspiel gegen die PSV den ersten Dreier der europäischen Saison einfahren und 2:1 gewinnen. Eine kleine Resthoffnung bestand also noch, Inter wieder einzuholen. Hierfür müsste man allerdings die Italiener im nächsten Spiel schlagen, am Besten ohne allzu viele Auswärtstore zu kassieren. Diesem Anspruch wurden die Engländer in minimalistischer Art und Weise gerecht, am Ende stand ein 1:0-Erfolg.

Der letzte Spieltag versprach also Spannung, Champions oder Europa League hieß es vor dem Duell gegen Barca. Und siehe da, der Fußballgott ist Engländer: Ein 1:1-Remis sollte den Spurs reichen um doch noch in das Achtelfinale einzuziehen und Inter Mailand in ein Tränental zu stürzen. Wie schon oft hatte Pochettino es geschafft, aus widrigen Umständen doch noch ein gutes Ergebnis zu kreieren.

(Photo by Julian Finney/Getty Images)

Die aktuelle Form: BVB

Die bis jetzt beste Form der Saison dürfte der BVB rund um den Sieg gegen Atletico Madrid gehabt haben. Der BVB konnte nicht nur auf europäischem Parkett überzeugen, auch in der Liga gelang den Borussen fast alles. Das Team unter Neu-Trainer Favre erspielte sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Tabellenspitze sondern einen schon beachtlichen Vorsprung auf die Verfolger aus München und Gladbach. Böse Zungen könnten allerdings behaupten, dass es andere Phasen einer Saison gibt, in denen Topform gefragt ist.

Zurzeit ist auffällig: Von eben jener Topform ist man in Dortmund ein gutes Stück entfernt. Der Rückrundenstart verlief punktemäßig gleich dem der Hinrunde. Aus Spielen gegen Leipzig, Frankfurt, Hannover und Hoffenheim wurden 8 Punkte geholt, keines wurde verloren. Was Sorge macht sind allerdings vor allem die letzten beiden Spiele der Borussia. Zu erst musste man vor einer Woche gegen Bremen das Pokalaus hinnehmen, dann verspielte man gegen die TSG aus Hoffenheim ein 3:0 innerhalb von 15 Minuten. Auch im Pokal schenkte man zwei Führungen in der Verlängerung her, beides geschah auch noch zu Hause. Auffällig: In der Hinrunde konnte man die TSG zwar auch nicht bezwingen, konnte aber selbst noch kurz vor Schluss ein Tor erzielen. Die bisherigen Pokalspiele wurden in der Verlängerung gewonnen, nun verloren.

Eine absolute Hiobsbotschaft ereilte die Borussia dann auch noch. Marco Reus, der beste Bundesligaspieler der Hinrunde und unumstritten der wichtigste Spieler des BVB, musste verletzt aus dem Pokalspiel gegen Bremen ausgewechselt werden und wird bis auf Weiteres fehlen. Die neuesten Diagnosen sprechen von weiteren zehn Tagen Pause, ein Schock für alle Beteiligten. Der Ausfall des Kapitäns sowie große personelle Probleme in der Innenverteidigung, in den letzten Wochen stand nur Abdou Diallo als gelernter Innenverteidiger zur Verfügung, könnten die letzten Spiele zum Teil erklären. Während Julian Weigl als IV-Ersatz einen starken Job macht wirkte nun ausgerechnet Diallo gegen Hoffenheim völlig von der Rolle. Ömer Toprak ist nun aber wieder einsatzbereit und vielleicht ist sogar Dan-Axel Zagadou eine Option zumindest für die Bank. Doch nach neuesten Informationen entspannt dies die Personallage kaum. Neben Marco Reus sollen auch der formstarke Weigl, Pisczek und Paco Alcacer nicht einmal im Flugzeug nach London sein. Ein herber Schlag für die Borussia.

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Schlüsselspieler: Axel Witsel

Normalerweise hätte sich auch Marco Reus diesen Platz hier verdient, dies soll noch einmal die Problematik seines Ausfalls unterstreichen. Doch neben Marco Reus ist unumstritten Axel Witsel der Schlüsselfaktor im Spiel der Borussia. Im Sommer konnte der Belgier bei der WM überzeugen und wurde dann für 20 Millionen Euro aus China verpflichtet. Viel Geld für einen Spieler der noch in keiner Topliga auflief? Mitnichten. Witsel ist ballsicher, umsichtig und herausragend pressingresistent, ein wichtiger Punkt auch im Spiel gegen die Spurs. Als Dreh- und Angelpunkt des Spiels fungiert Witsel meist neben Delaney immer souverän und kann auf eine beeindruckende Passstatistik blicken. Auf Witsel wird es ankommen das Spiel der Dortmunder zu ordnen, dem Anlaufen der Spurs zu widerstehen und die Balance im Spiel der Borussia nach den letzten beiden Partien wieder herzustellen, zumal er auch einer der Spieler ist, die eine gewisse Reife, eine internationale Erfahrung mitbringen, die von enormer Bedeutung sein kann.

(PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images)

Die aktuelle Form: Spurs

Für so gut wie jeden Experten war vor Saisonbeginn klar: Das wird ein hartes Jahr für die Spurs. Keine Mannschaft stellte bei der WM mehr Einsatzminuten, entsprechend viele erschöpfte Spieler erwartete man zurück. Die Auswirkungen eines solchen Turniers waren schon immer ersichtlich, doch die Spurs, so der allgemeine Tenor, sollte es besonders hart treffen. Denn: Aufgrund der Posse rund um den Stadionneubau und den daraus resultierenden finanziellen Verbindlichkeiten entschied man sich im Sommer auf dem Transfermarkt nicht aktiv zu werden. Richtig gehört. Die englische Topmannschaft mit der geringsten Kaderdichte und den meisten WM-Minuten kaufte exakt 0 Spieler um diese Probleme in Angriff zu nehmen.

Was dann für eine Saison folgte ist allerdings schon fast typisch für Trainer Mauricio Pochettino. Der Argentinier schafft es immer wieder aus seinem Team das Maximum herauszukitzeln und auch enge Partien für sich zu entscheiden. Wirkten die Spurs teils erschöpft? Ja. Ließen sie viele Punkte liegen? Nein. Stand heute sind die Spurs auf Platz 3 der Tabelle nur 5 Punkte von Liverpool und City entfernt, haben aber genau wie die Reds ein Spiel weniger als die Skyblues. Man ist also eigentlich noch mitten im Titelkampf, auch wenn das gerne etwas unter den Tisch fällt. Und das obwohl man nun seit längerem auf Dele Alli und Harry Kane verzichten muss. Selbst Sons Ausflug zur Nationalmannschaft fiel bei den Ergebnissen nicht sonderlich ins Gewicht, die Mannschaft kompensierte die Ausfälle, stellte ihr Spiel ein wenig um.

Dennoch gibt es auch gute Gründe die Form der Spurs nicht nur an Ergebnissen zu messen. Son und vor Allem Christian Eriksen bringen in der Offensive der Londoner meist weiterhin genug Klasse auf den Rasen um den Ausfall Kanes und Allis, zumindest gegen Mannschaften ohne absolutes Topniveau, zu kompensieren und die benötigten Treffer zu erzielen. Erstaunlicherweise krankt es im Spiel der Spurs im Moment eher an der Defensive. Auch wenn es sich noch nicht wirklich gerächt hat, steht Tottenham in letzter Zeit häufig auf wackligen Beinen. Der Grund ist simpel. Die Ausfälle Allis und allen voran Kanes gehen doch nicht spurlos an den Spurs vorbei. Durch den Verlust des Zielspielers im Aufbau und eines wichtigen Bindeglieds im Mittelfeld stimmt die Balance des Teams nicht mehr, es kommt zu Unstimmigkeiten. Etwas, das der BVB in dieser Saison durchaus ausnutzen könnte.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Schlüsselspieler: Christian Eriksen

Was für ein fantastischer Fußballer Christian Eriksen ist, muss man hier wohl nicht noch einmal ausführen. In den letzten Jahren hat sich der Däne völlig zurecht einen Namen gemacht. Bedingt durch die Ausfälle in Tottenhams Offensivabteilung wird es vor allem auf ihn ankommen wenn es darum geht Dortmund zu bezwingen. Als kreativer und dennoch torgefährlicher Mittelfeldspieler wird ihm die Aufgabe zukommen das Spiel nach vorne zu ordnen und zu beleben. Vor allem im Zusammenspiel mit Heung Min Son, der gegen Borussia Dortmund traditionell häufig gute Leistungen zeigt und Tore erzielt, wird Eriksen gefordert sein. Gerade weil die Defensive des BVB derzeit einiges anbietet könnte Eriksen eine Glanzleistung zeigen.

(Photo by Dan Istitene/Getty Images)

Prognose zum Hinspiel

Leider, so muss man es als Fußballfan wohl sagen, treffen beide Teams zu einem Punkt der Saison aufeinander an dem die wichtigsten Spieler verletzt fehlen. Die Anlagen beider Mannschaften verspricht ein sehr ansehnliches Fußballspiel, das mit einem Reus und einem Kane wahrscheinlich noch deutlich sehenswerter wäre. So bleibt also am Ende die Frage wer den Verlust des Kapitäns besser kompensieren kann, Pochettino oder Favre?

Gerade Dortmund offenbarte in den letzten Spielen eher Schwächen in der Defensive, aber auch die Spurs wirkten nicht ganz sattelfest. Beiden Offensiven ist es trotz Verlust des Schlüsselspielers möglich dies auszunutzen und ein torreiches Spektakel zu bieten. Da es sich bei den Trainern allerdings um ausgemachte Taktikexperten handelt, ist gut vorstellbar, dass man zurückhaltender agiert. Pochettinos Spurs konnten im letzten Jahr gegen ein zugegebenermaßen schwaches Dortmund mit Konterfußball in Perfektion überzeugen und es scheint auch in diesem Jahr wieder eine gute Möglichkeit zu sein. Der BVB hingegen wird versuchen müssen mit dem Ballbesitz dank eines tiefstehenden Gegners effektiv umzugehen. Die Ausfälle von Weigl und Pisczek könnten sich als Knackpunkt erweisen. Die stabilsten Spieler der letzten Wochen fehlen dem deutschen Team nun gegen einen cleveren Gegner.

Ein Spiel welches auf Augenhöhe stattfinden dürfte und ein Duell was sich erst im Rückspiel entscheiden wird warten auf uns. Aufgrund der kleinen Schwächephase der Dortmunder Defensive dürften die Spurs leichte Vorteile haben, ohne Gegentor allerdings nicht bestehen können.

Mögliche Aufstellungen

BVB: Bürki, Hakimi, Diallo, Toprak, Schmelzer, Delaney, Witsel, Guerreiro, Phillip, Sancho, Götze

Tottenham: Lloris; Alderweireld, Sanchez, Vertonghen; Trippier, Dier, Winks, Rose; Eriksen, Lucas, Son

Julius Eid

Seit 2018 bei 90PLUS, seit Riquelme Fußballfan. Gerade die emotionale Seite des Sports und Fan-Themen sind Julius‘ Steckenpferd. Alleine deshalb gilt: Klopp vor Guardiola.


Ähnliche Artikel