Champions-League-Vorschau | Finalisten unter sich – Juve wartet auf Real Madrid

2. April 2018 | Champions League | BY Nico Scheck

Mehr Königsklassen-Tradition geht kaum. Juve gegen Real, Finalisten unter sich. Denn es ist die Neuauflage des Champions-League-Finals von vor knapp einem Jahr. Dieses Mal treffen Juventus Turin und Real Madrid im Viertelfinale aufeinander, am Dienstag (20:45, live auf Sky) steigt das Hinspiel im Allianz Stadium in Turin und die „alte Dame“ hat noch eine Rechnung zu begleichen. 

Die bittere 1:4-Finalniederlage steckt noch in den Köpfen der Italiener. Selten war man derart unterlegen gewesen wie in jener zweiten Spielhälfte, als Real aus einem 1:1 ein 4:1 machte. Nichts war es mit „Gigi“ Buffons erstem CL-Titel. Nun soll es in diesem Jahr endlich klappen. Dafür muss aber ein Real Madrid aus dem Weg geräumt werden, das sich seit diesem Finale personell kaum verändert hat und sich rechtzeitig vor den entscheidenden Spielen in Frühjahrsform präsentiert. Juve gegen Real Madrid – mehr Königsklassen-Feeling geht nicht.

Das Achtelfinale – Real souverän – Juve effizient

Die Achtelfinals beider Teams verliefen recht unterschiedlich. Während die „Königlichen“ gegen das zuvor so stark eingeschätzte PSG (3:1; 2:1) ihre Muskeln spielen ließen, stand Juve gegen die Tottenham Hotspurs zwischenzeitlich kurz vor dem Aus. Real Madrid überzeugte beim 3:1-Hinspielsieg vor allem mit einer starken Schlussoffensive und Trainer Zinédine Zidane wechselte mit Marco Asensio, Lucas Vázquez und Gareth Bale das dafür nötige Personal rechtzeitig ein. Das Rückspiel im Prinzenpark demonstrierte schließlich einmal mehr die Abgezocktheit und Souveränität der „Madrilenen“. Das Weiterkommen war zu keiner Zeit in Gefahr und so entschieden Ramos und Co. auch diese Partie für sich.

Ganz anders Juve: Schon in der Gruppenphase waren die gezeigten Leistungen nicht mehr als ordentlich und das sollte sich gegen die „Spurs“ fortsetzen. Im Hinspiel in Turin legten Higuain und Co. zunächst jedoch los wie die Feuerwehr. Nach neun Minuten zeigte die Anzeigetafel 2:0 für die Italiener. Zu diesem Zeitpunkt sah es nach einem Debakel für die Nordlondoner aus. Auch in der Folge spielten zunächst nur die Turiner, doch vor der Pause gelang Spurs-Knipser Harry Kane überraschend der Anschlusstreffer und leitete so die Aufholjagd ein. Denn in Halbzeit zwei präsentierte sich Tottenham deutlich wacher und spritziger, die Folge war der Ausgleich zum 2:2. Juve zeigte für sie ungewohnte Schwächen in der Defensive, offensiv ließ man zudem zu viel liegen. Das Rückspiel begann, wie das Hinspiel aufgehört hatte. Die Engländer spielten Juve phasenweise an die Wand, einzig die Chancenverwertung ließ stark zu wünschen übrig. So ging es „nur“ mit einem 1:0 in die Pause. Und das sollte sich rächen.

(Photo credit should read GLYN KIRK/AFP/Getty Images)

Drückte Tottenham auch in der zweiten Hälfte zunächst noch auf das 2:0, fiel wie aus dem Nichts der Ausgleich durch Higuain. Plötzlich spielten die Mannen von Pochettino unkonzentriert und überhastet. Juve wusste diese Phase eiskalt zu nutzen und stellte nur drei Minuten nach dem Ausgleich durch Dybala auf 2:1. Eine gute Viertelstunde hatte gereicht, um Tottenham auszuschalten. Doch das wird gegen Real bei Weitem nicht reichen. Sicher, die Effizienz, die der italienische Meister gegen den englischen Vizemeister an den Tag legte, war beeindruckend. Doch die gezeigten Mängel des eigentlichen Prunkstückes der Mannschaft, die Abwehr, haben einige Fragen hinterlassen. Eines dürfte klar sein: Wiederholen sich derartige Unkonzentriertheiten gegen Real, ist an ein Weiterkommen nicht zu denken.

Juventus: Gelingt die Revanche für das Vorjahr?

Der Stachel sitzt immer noch tief. Wie sehr hatte Allegris Team nach Europas Krone gelechzt, wie groß war die Enttäuschung, als man sich insbesondere in Halbzeit zwei einer Mannschaft gegenüber sah, die in diesem Jahr schlichtweg einfach nicht zu stoppen war. Nun folgt der nächste Anlauf. Und wieder heißt der Gegner Real Madrid, dieses Mal allerdings schon im Viertelfinale. Ist es dieses Jahr tatsächlich die letzte Chance für Juves Legende Gianluigi Buffon? Fest steht, dass sich Turin im Sommer personell breiter aufgestellt. Zwar verließ Leonardo Bonucci überraschend die „alte Dame“ und auch der Verlust von Routinier Dani Alves war nicht leicht zu kompensieren, doch gerade in der Offensive scheint man nun deutlich mehr Alternativen zu haben. Mit den Verpflichtungen von Douglas Costa (geliehen mit KO vom FC Bayern) und Federico Bernardeschi (vom AC Florenz) sind die „Bianconeri“ vor allem über die Außen variabler. Denn insbesondere das Spiel über die Flügel war in der vergangenen Spielzeit phasenweise noch ein Problem, was vor allem daran lag, dass eben kein Personal für diese Position zur Verfügung stand.

Zudem wurde Blaise Matuidi aus Paris geholt, der Khedira, Pjanic und Marchisio entlasten sollte. Der Kader ist also gespickt mit absoluten Top-Spielern, von denen die meisten schon über mehrere Jahre hinweg zusammen spielen. Coach Massimiliano Allegri lässt ein System spielen, das perfekt auf die individuellen Spieler abgestimmt ist und mehr als einen Schlüsselspieler parat hat. Da ist einmal der Weltklasse-Sturm Dybala und Higuain, die beide kaum zu verteidigen sind und sich auch aktuell in einer guten Verfassung zeigen. Zum anderen ist da Sami Khedira, der wohl seine bisher beste Saison bei den Italienern spielt. Und natürlich die Urgesteine Buffon und Giorgio Chiellini, die neben ihrer Klasse auch Erfahrung en masse mitbringen. Wenn auch die bisher in dieser Champions-League-Saison gezeigten Leistungen nur wenig Glanz versprüht haben, die notwendigen Mittel, um den Vorjahressieger aus Madrid zu bezwingen, haben die Turiner.

(Photo GLYN KIRK/AFP/Getty Images)

Zumal die Lage in der heimischen Serie A kaum besser sein könnte. Am Wochenende besiegte Allegris Team im italienischen Klassiker den AC Mailand souverän mit 3:1. Die Generalprobe ist also geglückt. Doch nicht nur das: Durch den Sieg konnte Juve den Abstand auf das zweitplatzierte Neapel auf vier Punkte vergrößern, da diese gegen Sassuolo nur Remis spielten. Die 34. italienische Meisterschaft rückt damit immer näher. Seit dem 13. Spieltag hat die „alte Dame“ in der Serie A nicht mehr verloren, Real darf also ein Juve mit breiter Brust erwarten, das aus einer kompakten Defensive heraus versuchen wird, Nadelstiche zu setzen. Ein Gegentor möchte man um jeden Preis vermeiden, denn selbst bei einem 0:0 wäre die Ausgangssituation vor dem Rückspiel im Santiago Bernabeu eine Gute. Bleibt abzuwarten, ob die jüngsten defensiven Unzulänglichkeiten der Vergangenheit angehören oder ob Real Madrid daraus Kapital schlagen kann.

Die Königlichen in Frühjahrsform

An Weihnachten sah es so aus, als ob die Spielzeit 2017/18 eine denkwürdige für Real Madrid werden würde. Und das ist im negativen Sinne gemeint. Nach dem deutlichen 0:3 im eigenen Wohnzimmer gegen Barca war die Meisterschaft für die „Königlichen“ abgehakt, zu groß war der Abstand auf die Spitze. Zudem bekam Real das schwere Los PSG im Achtelfinale der Königsklasse zugelost, jenes PSG, das zu diesem Zeitpunkt halb Europa kurz und klein schoss. Als dann auch noch das blamable Aus in der Copa Del Rey gegen Leganes feststand, schien die Seuchensaison perfekt. Doch jetzt, knapp zwei Monate später, ist davon nicht mehr viel zu sehen oder zu hören. Zwar ist die spanische Meisterschaft immer noch kein Thema und wird es auch nicht mehr werden, doch Paris wurde, wie bereits erwähnt, überzeugend aus Europas Eliteklasse rausgekegelt. Der Glaube an den dritten Champions-League-Titel in Folge ist in der spanischen Hauptstadt zurückgekehrt. Leistungsträger, allen voran Superstar Cristiano Ronaldo, die in der Hinrunde teilweise vollkommen von der Rolle waren, präsentieren sich nun in der bekannten „Real-Frühjahrsform“.

Und das müssen sie auch. Die CL ist der einzige Wettbewerb, den die „Madrilenen“ noch gewinnen können. Würde ihnen dies tatsächlich gelingen, wäre die katastrophale Hinrunde schnell vergessen. Umgekehrt käme ein Aus gegen Juve einer mittelschweren Katastrophe gleich. Die Stimmung könnte erneut kippen und Zidanes Trainerstuhl gehörig wackeln lassen. Da trifft es sich ganz gut, dass auf Ronaldo mal wieder Verlass ist. Der Portugiese war mit drei Treffern maßgeblich am Weiterkommen gegen PSG beteiligt und zeigt sich auch generell in dieser Rückrunde klar formverbessert. Von seinen 22 Ligatreffern hat er allein 18 Tore in diesem Jahr erzielt. Eine ansteigende Formkurve, die Juve nicht besonders gefallen dürfte. Schon bei dem 4:1-Finaltriumph im letzten Jahr avancierte Ronaldo mit zwei Treffern zum Matchwinner. Doch nicht nur Ronaldo hat sein Tief der Hinrunde abgeschüttelt, auch das Mittelfeld-Trio Modric, Casemiro, Kroos überzeugt größtenteils wieder wie in der Vorsaison.

(Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

Die Form stimmt also auch bei Madrid. In der Liga liegt man knapp hinter Stadtrivale Atletico auf Rang drei, die Teilnahme an der Champions League in der nächsten Spielzeit ist daher gesichert und alle Konzentration liegt nun auf der Titelverteidigung von Europas Krone. Für das Duell am Dienstag hat Zidane am Wochenende beim 3:0-Auswärtssieg bei Las Palmas einigen Leistungsträgern eine Pause verschafft. Ronaldo, Isco, Ramos, Kroos, Marcelo und Carvajal standen nicht mal im Kader. Damit kommt ein größtenteils ausgeruhtes Real Madrid ins Allianz Stadium, das um jeden Preis erneut ins Königsklassen-Finale nach Kiew möchte.

Prognose

Mit Juve und Real treffen nicht nur zwei Teams aufeinander, die schon einiges in der Champions League erlebt haben, sondern auch aktuell in ihrer wohl bisher besten Form in dieser Spielzeit angekommen sind. Für die „alte Dame“ gilt es, dies nun auch international zu bestätigen, denn im Vergleich zum Achtelfinale wird eine deutliche Steigerung notwendig sein. Real Madrid dürfte demnach leicht favorisiert sein, doch Juve hat definitiv die Mittel, um den Traum vom 13. CL-Titel vorzeitig platzen zu lassen. In jedem Fall sind zwei hochklassige und spannende Duelle zu erwarten.

Personelle Lage, mögliche Aufstellungen

Allegri muss neben den gelbgesperrten Miralem Pjanic und Medhi Benatia möglicherweise auch weiterhin auf den verletzten Federico Bernardeschi verzichten. So werden vermutlich Sami Khedira, Blaise Matuidi oder Claudio Marchisio das Mittelfeldzentrum bilden. Eine Sperre für das Rückspiel drohen bei einer weiteren gelben Karte Alex Sandro, Rodrigo Bentancur und Giorgio Chiellini (jeweils 2).

Bei Real kann Zidane vermutlich aus den Vollen schöpfen. Nur hinter einem Einsatz von Nacho Fernández steht ein Fragezeichen. Der spanische Nationalspieler dürfte aber ohnehin nicht in der Startelf stehen. Gesperrt ist niemand und auch nur Sergio Ramos (2) droht bei einer weiteren gelben Karte ein Tribünenplatz im Rückspiel.

Juventus: Buffon – Rugani (De Sciglio), Barzagli, Chiellini, Cuadrado, Khedira, Matuidi (Marchisio), Alex Sandro, Dybala, Higuain, Douglas Costa

Real Madrid: Navas – Carvajal, Sergio Ramos, Varane, Marcelo, Casemiro, Modric, Kroos, Isco (Bale), Benzema, Ronaldo

Nico Scheck

Aufgewachsen mit Elber, verzaubert von Ronaldinho. Talent reichte nur für die Kreisliga, also ging es in den Journalismus. Seit 2017: 90PLUS. Manchmal: SEO. Immer: Fußball. Joga Bonito statt Catenaccio.


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