La Liga Vorschau Teil 2 | Der große Umbruch – Real Madrid

15. August 2018 | Vorschau | BY Christoph Albers

Es sind nur noch wenige Tage bis zum La Liga-Start und die Vorfreude steigt. Aus diesem Anlass gehen wir einmal alle Teams der spanischen Elite-Klasse durch und stellen sie euch näher vor.

Die Vorsaison

Auch Real Madrid wird die vergangene Spielzeit mit eher gemischten Gefühlen betrachten. Der dritte Triumph in der Champions League in Folge stellt eine absolut phänomenale Leistung dar, die aber in großem Kontrast zur sehr enttäuschenden Saison in den nationalen Wettbewerben steht. Ein enttäuschende dritter Rang in der Liga, hinter dem FC Barcelona UND dem Stadtrivalen Atletico, sowie das enttäuschende Aus im Viertelfinale der Copa del Rey gegen Legales sind im Normalfall eine absolute Katastrophe für die stolzen „Königlichen“ und brachten, so berichteten einige Medien mehrfach im Laufe der Saison, Erfolgstrainer Zinedine Zidane beinahe zu Fall. Am Ende der Saison trat er dann, mit dem größtmöglichen Triumph im Rücken, aber doch ab und machte Platz für Neues.

Der Umbruch

Der Abgang von Zinedine Zidane traf Real Madrid dennoch ziemlich unvorbereitet, sodass Florentino Perez und Co. auf Anhieb keinen passenden Ersatz  zur Hand hatten, die Nachfolger-Suche gestaltete sich schwierig, Bericht zufolge hagelte es einige Absagen. Am Ende, unmittelbar vor Beginn der Weltmeisterschaft, konnte man dann aber doch einen Nachfolger präsentieren, den damals noch amtierenden spanischen Nationaltrainer Julen Lopetegui, der im Vorfeld der WM einen sehr guten Job gemacht hatte. Die Verkündung so kurz vor dem Turnier stieß dem Verband dann aber sehr übel auf, sodass der Spanier noch vor dem geplanten, vorläufigen Höhepunkt seiner Trainerkarriere den Hut nehmen musste. So war er zwar schon vorzeitig frei für seinen Job in Madrid, doch ein fader Beigeschmack und Unverständnis auf allen Seiten bleiben zurück. Keine optimalen Voraussetzungen, ein Drama jedoch auch nicht.

Doch der Trainerwechsel ist nicht der einzige Grund für die Bezeichnung „Umbruch“, mindestens genauso bedeutsam ist in diesem Zusammenhang wohl der Abgang von Cristiano Ronaldo, der zu Juventus Turin wechselte. Real Madrid ohne Ronaldo war wohl für uns alle kaum noch vorstellbar, sodass nun ein großem Vakuum bei den „Königlichen“ zurückbleibt. Der Superstar, der Torjäger und das Aushängeschild des Vereins ist weg. Das Gefüge wird sich komplett neu ausrichten müssen. Ein großes Risiko und doch auch eine große Chance.

(Photo by Quality Sport Images/Getty Images)

Die Ronaldo Nachfolge

Die Suche nach einem Ronaldo-Nachfolger gestaltet sich unterdessen mindestens ebenso schwer, wie zuvor die Suche nach einem Zidane-Nachfolger. Etliche Namen, u.a. Mbappe, Neymar und Havard, wurde wochenlang durchs Dorf getrieben. Einen Transfer gab es jedoch nicht. Mittlerweile spricht sehr viel dafür, dass die Ronaldo-Nachfolge aufgeteilt und von bereits vorhandenen Spielern übernommen wird. An erster Stelle ist dabei Gareth Bale zu nennen, der sich endlich voll entfalten und sein Potenzial in Gänze abrufen soll. Dieser Schritt ist dabei eigentlich nur logisch, schließlich spielte er immer dann stark auf, wenn er der absolute „Main Man“ seiner Mannschaft war und alle Freiheiten zur Verfügung hatte. Die Auftritte in der Saisonvorbereitung geben zudem auch Anlass zur Hoffnung, dass er der Aufgabe, so lange er fit bleibt, gewachsen sein könnte.

Neben Bale, werden aber auch Isco und Marco Asensio wesentlich an Bedeutung gewinnen. Beide Spieler waren in der abgelaufenen Saison eher zwischen Startelf und Bank zu finden und sehnen sich nun danach den großen Durchbruch zu schaffen. Die Ernennung von Lopetegui als Trainer ist vor diesem Hintergrund sehr vorteilhaft, schließlich genossen beide Spieler in der Nationalmannschaft unter Lopetegui großes Vertrauen und konnten das auch absolut rechtfertigen. Vor allem Isco blühte regelmäßig unter Lopetegui auf, mit dem er schon in der spanischen Nationalmannschaft zusammengearbeitet hat.

Diese drei könnten den Ronaldo-Abgang gemeinsam sehr gut auffangen, was aber natürlich auch mit einer wesentlichen Veränderung des Spielstils einhergehen würde. Diese Veränderung lässt sich mit einem Trainerwechsel aber natürlich auch gut vermitteln. Nur die Frage, ob Ronaldos Tore aufgefangen werden können, bleibt mehr als fraglich. Dennoch kann man hier durchaus von einer großen Chance sprechen, da vorhandenes Potenzial besser genutzt werden könnte und der Platz, den Asensio ohnehin mittelfristig für sich beanspruchen muss, geschaffen wurde.

Zum Abschluss dieser Diskussion sollte auch der Name Vinicius Junior erwähnt werden. Der erst 18-jährige Brasilianer kam in diesem Sommer für stolze 45 Millionen Euro von Flamengo Rio de Janeiro und ist ein großes Versprechen für die Zukunft. Der pfeilschnelle und äußerst trickreiche Flügelspieler zeigte bereits in der Vorbereitung exzellente Anlagen und dürfte schon in der kommenden Spielzeit etwas Spielpraxis erhalten. Gerade in den stressigen Phasen der Saison könnte er in der Liga eine gute Alternative zu den gestandenen Spielern sein, um ihn ernsthaft mit der Ronaldo-Nachfolge zu betrauen ist es aber noch deutlich zu früh. Doch, sollte er seine Entwicklung so fortsetzen, mittelfristig könnte sich das ändern.

Die übrigen Transfers

Neben der Verpflichtung des jungen Brasilianers, ist vor allem der Transfer von Thibault Courtois ein absolutes Highlight. Der Belgier, dessen Vertrag beim FC Chelsea im kommenden Sommer ausgelaufen wäre, kommt für ein, angesichts des aktuellen Marktes geradezu billige, Ablöse von 35 Millionen Euro. Den Schlussmann zog es nicht zuletzt aufgrund seiner Familie, die seit seiner Zeit bei Atletico in Madrid lebt, in die spanische Hauptstadt. Ohne Frage wird Courtois in der kommenden Saison als Nummer 1 im Tor stehen. Keylor Navas, der immerhin dreimal als Stammtorhüter die Champions League gewann, hat unterdessen bereits signalisiert, dass er trotzdem bei den „Königlichen“ bleiben wolle. Als Nummer 2 würde er dann wohl immerhin im Pokal zum Einsatz kommen.

Kiko Casilla wird dagegen wohl noch wechseln, denn mit dem Ukrainer Andreas Lunin (19, kam für 8,5 Millionen Euro von Zorya Lugansk) verpflichtete Real Madrid auch schon eine neue Nummer 3. Für den erfahrenen Casilla dürfte es in Spanien aber definitiv einen Markt geben. Nummer 5 Luca Zidane dürfte ebenfalls keine große Zukunft bei Real haben, er könnte sich um Spielzeit in der Castilla bemühen oder ebenfalls gehen.

Ansonsten gab es nur sehr wenig Bewegung im Kader Reals. Mit Alvaro Odriozola (22, kam für 30 Millionen Euro von Real Sociedad) wurde ein starker Rechtsverteidiger verpflichtet, der Stammspieler Carvajal Druck machen und dessen Verletzungsanfälligkeit auffangen soll, außerdem soll offenbar noch ein weiterer zentraler Mittelfeldspieler kommen, der den abgewanderten Matteo Kovacic (Leihe zum FC Chelsea) ersetzen soll. Viel mehr scheint aber nicht geplant zu sein.

Und auch auf der Abgangs-Seite ist nicht viel passiert, einzig Ronaldo, Kovacic und Achraf Hakim (Leihe zum BVB) sind hier nennenswert. Die zurückgekommenen und teilweise weiterverkauften Leihspieler dürften hier nicht von allzu großem Interesse sein. Außerdem steht Vorjahres-Neuzugang Theo Hernandez vor dem Abspru

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

ng, ihn zieht es wohl zu Real Sociedad. Ein interessanter Fakt allerdings am Rande: Real Madrid steht derzeit bei einem Transferplus von 8,25 Millionen Euro in dieser Saison.

Alles in allem hat sich also nicht viel getan, doch was getan wurde, könnte große Auswirkungen auf das Spiel der „Königlichen“ haben. Des weiteren sollte auch nicht vergessen werden, dass einige Spieler, die sich unter Zidane nicht so zeigen konnten, wie zum Beispiel Dani Ceballos, der in der Vorbereitung sehr stark aufspielte, oder auch Marcos Llorente, eine neue Chance bekommen und diese offenbar zu nutzen wissen.

 

Der Kader in der Kurzanalyse

Mit der Verpflichtung von Thibaut Courtois hat sich Real Madrid auf der Torhüterposition klar verstärkt und somit eine der wenigen Schwachstellen der Mannschaft beseitigt. Keylor Navas, der in der vergangenen Saison des öfteren patzte, ist aber eine starke Nummer 2.

Die Abwehr ist stark und bleibt in ihren Grundzügen unverändert. Sergio Ramos und Raphael Varane bilden eines der stärken Innenverteidiger-Duos der Welt und sind absolut unangefochten. Mit Nacho Fernandez, der auch auf den Außenverteidiger-Positionen aushelfen kann, und dem talentierten Jesus Vallejo verfügt man zudem über zwei großartige Alternativen. Links ist Marcelo unumstritten, während der rechts wohl trotzdem weiterhin gesetzte Dani Carvajal mit Odriozola sehr starke Konkurrenz bekommen hat.

Auch im Mittelfeld ist „Konstanz“ das Stichwort. Die Platzhirsche Casemiro, Toni Kroos und Luka Modric (der zwischenzeitlich mit einem Wechsel zu Inter Mailand in Verbindung gebracht wurde, aber wohl bleiben wird) sind klar gesetzt, haben mit Marcos Llorente, Dani Ceballos und dem jungen Federico Valverde (kam aus der zweiten Mannschaft hoch) stehen aber gute und hungrige Alternativen bereit. Außerdem könnte Isco, der seine Rolle wohl irgendwo zwischen Mittelfeld und Angriff finden wird, eine der drei Positionen einnehmen.

Die Verwendung von Isco bleibt unterdessen ein kleines Fragezeichen. Er dürfte wohl weitestgehend gesetzt sein, ob links in der offensiven Dreierreihe oder auf der „Zehn“ ist allerdings noch nicht ganz klar. Von seiner Positionierung ist auch die Besetzung der weiteren Offensivpositionen abhängig. Denkbar ist eine klassische Dreierreihe oder auch eine Variante mit einer „Zehn“ und einer Doppelspitze. Die beiden übrigen Positionen dürften aber in der Regel von Marco Asensio und Gareth Bale eingenommen werden, oder eben von Karim Benzema, der unter Lopetegui allerdings einen deutlich schwereren Stand haben dürfte, als noch unter Zidane. Die weiteren Alternativen heißen Vinicius Junior, Lucas Vazquez und Raul de Tomas, der ebenfalls den Sprung aus der zweiten Mannschaft packte. Mayoral und Ödegaard werden es unterdessen wohl schwer haben.

Insgesamt ist der Kader sehr gut und ausgeglichen besetzt, Schwachpunkte sind im Grund nicht zu entdecken. Die zweite Reihe ist ebenfalls gut besetzt, ihr fehlt es teilweise aber doch an Erfahrung. Außerdem bleibt offen, wer die fehlenden Ronaldo-Tore auffangen soll und wie schnell die Umstellung auf den neuen Trainer gelingt. Abgesehen davon ist natürlich fraglich, wie hungrig der Stamm der Mannschaft nach den letzten drei Jahren noch ist. Erste Anzeichen von Abnutzung gab es, vor allem in der Liga, in der vergangenen Saison ja bereits.

Die Top-Elf

Courtois – Carvajal, Varane, Sergio Ramos, Marcelo – Casemiro – Modric, Kroos – Isco – Bale, Asensio

Schlüsselspieler und „The one to watch“

Kurz und knapp: Die Rolle des Schlüsselspielers dürfte Gareth Bale zufallen. Der Waliser hat in dieser Saison die große Chance sich zu präsentieren und dürfte die Hauptlast der Ronaldo-Nachfolge tragen. Er ist der Spieler, dem man es am ehesten zutrauen dürfte 20 oder mehr Tore in der Saison zu erzielen und darauf wird es ankommen.

Die Frage nach dem „Newcomer“ ist dagegen schon schwieriger zu beantworten, da die meisten Spieler Reals schon mehr als nur etabliert sind. Marco Asensio ist an dieser Stelle daher auch eigentlich nicht mehr zu nennen. Da es aber seine erste Saison als tragende Figur in Reals Spiel werden dürfte, bekommt er diesen „Titel“ dennoch.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Prognose

Real Madrid wird, wie gewohnt, auch in der kommenden Saison mit aller Macht um alle drei Titel kämpfen wollen. Angesichts der Qualität und der Erfolgshistorie ist die Anspruch natürlich absolut begründet. Doch es einige Fragezeichen im Hinblick auf die neue Saison. Die Tore, die Cristiano Ronaldo garantierte, werden fehlen. Im aktuellen Kader steht kein Torjäger dieses Formats und das dürfte sich gerade in den engen Spielen in La Liga zeigen. Außerdem muss sich die Mannschaft auf eine neue Art Fußball zu spielen einstellen, dass könnte ebenfalls (gerade zu Beginn) zu einigen Probleme führen. 

Die guten Ansätze in den Testspielen können diese Bedenken nur zu Teilen wegwischen. Außerdem fehlt es in der zweiten Reihe mitunter etwas an erfahrenen Backups, was sich rächen könnte, sollte wirklich mal ein Stammspieler längerfristig ausfallen, was z.B. bei Modric nicht undenkbar, aber sehr kritisch wäre.

Demnach sind die „Königlichen“ nicht der Top-Favorit auf die Meisterschaft, das ist der FC Barcelona. Und auch der unbequeme Nachbar Atletico sollte nicht außer Acht gelassen werden. In der Liga wird es Platz 1-3 (tendenziell am ehesten 2).

(Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

 

Christoph Albers

Cruyff-Jünger und Taktik-Liebhaber. Mag präzise Schnittstellen-Pässe, schwarze Leder-Fußballschuhe, Retro-Trikots und hat einen unerklärlichen Hang zu Fußball-Finanzen. Seit 2016 bei 90PLUS.


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