Pure Dominanz trifft wandelnde Inkonstanz: Dortmunder Feuertaufe gegen PSV?

20. Februar 2024 | Vorschau | BY Philipp Overhoff

Auf den ersten Blick hat Borussia Dortmund mit der PSV Eindhoven ein machbares Achtelfinal-Los erwischt. Aber wirklich nur auf den allerersten. Die Mannschaft von Peter Bosz spielt eine absolute Fabelsaison und gilt bei vielen Buchmachern sogar als der Favorit. Gelingt dem BVB dennoch der Sprung ins Viertelfinale?

Dortmund: Es geht gegen den Ex-Coach

Borussia Dortmund bleibt in dieser Saison ein Mysterium. Mit 14 Punkten aus sechs Spielen ist der Start ins Jahr 2024 insgesamt mehr als ordentlich verlaufen, die Wechselhaftigkeit der Auftritte geben jedoch weiterhin Rätsel auf. Einem überzeugenden 3:0-Sieg über den SC Freiburg folgte am vergangenen Wochenende ein enttäuschendes 1:1 gegen den VfL Wolfsburg. Dabei war es viel eher die Leistung als das letztendliche Ergebnis, das die BVB-Fans enttäuscht haben dürfte.

Sportdirektor Sebastian Kehl warf seiner Mannschaft gar vor, in Phasen des Spiels „zu arrogant gespielt zu haben“. Tatsächlich war der BVB mit dem Remis noch gut bedient, die xG-Statistik ging mit 1,73 zu 1,47 zugunsten der Wolfsburger aus. Gegen die PSV Eindhoven wird es am heutigen Abend eine deutliche Leistungssteigerung brauchen, um sich eine gute Ausgangsposition für das Achtelfinal-Rückspiel im Signal Iduna Park zu verschaffen.



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Die vom ehemaligen Dortmunder Coach Peter Bosz trainierte Mannschaft strotzt derzeit nur so vor Selbstvertrauen und dominiert die Eredivisie nach Belieben. Von 22 Ligaspielen konnte PSV 20 gewinnen und musste noch keine einzige Niederlage hinnehmen. Der Eindhovener Punkteschnitt von 2,8 sucht in Europas  größeren Ligen aktuell seinesgleichen. Nicht wenige Buchmacher sehen die Niederländer daher sogar in der Favoritenrolle. Eine Einschätzung, bei der Marco Timmer, Journalist bei Voetbal International, nicht ganz mitgehen möchte. „Als Favorit sehe ich PSV nicht, dafür ist der Qualitätsunterschied zwischen der Eredivisie und der Bundesliga zu groß“, so der PSV-Experte. Und dennoch: Die beiden Partien gegen Eindhoven dürften für die Mannschaft von Edin Terzić zu einer absoluten Feuertaufe werden.

Peter Bosz und die PSV: Das passt!

Wer den Ballspielverein Borussia schon 2017 verfolgt hat, der wird mit der Boszschen Spielphilosophie bestens vertraut sein. Der Übungsleiter aus Apeldoorn steht für maximal intensives Gegenpressing, hohes Verteidigen und risikoreichen Ballbesitzfußball. Im Ruhrgebiet war er damit nur mäßig erfolgreich, nach vielversprechendem Start ging es ergebnistechnisch schnell bergab. Nach nur 15 Spieltagen wurde Bosz auf Platz acht stehend schon wieder entlassen. In diesem Zeitraum fraßen sich die Dortmunder satte 23 Gegentore und agierten teils vogelwild.

Seine grundlegende Ausrichtung hat der 60-Jährige seitdem jedoch kaum verändert. Auch die PSV spielt den „Bosz-Ball“, wie seine Spielphilosophie in den Niederlanden genannt wird. Das tut sie schon seit seiner Ankunft im vergangenen Sommer und ist dabei mehr als erfolgreich. „Die Mannschaft liebt den Bosz-Ball. Sie liebt die aggressive Art seines Spiels und glaubt daran, jedes Match gewinnen zu können“, schildert Timmer.

(Photo by JOHN THYS/AFP via Getty Images)

Edin Terzić und seinen Trainerstab dürfte also nicht überraschen, was sie heute Abend im Eindhovener Philips Stadion erwartet. Bosz ist nicht gerade dafür bekannt, seinen Spielstil zu ändern, wofür er im Laufe seiner Karriere auch schon als „stur“ kritisiert wurde. Mit Ausnahme einer Partie ist er bei der PSV jedoch so erfolgreich, dass er seine Art des Fußballs für die Duelle gegen Borussia Dortmund wohl kaum über den Haufen werfen wird.

Aber: Exakt jene Partie gegen den FC Arsenal dürften sich Nuri Sahin, Sven Bender und Co. ganz genau angeschaut haben. Im ersten Spiel der Champions-League-Gruppenphase traten die „Boeren“ auswärts in London an und kamen mit 0:4 unter die Räder. Trotz ihrer Außenseiterrolle agierte die Bosz-Truppe im Emirates Stadium äußerst proaktiv und risikoreich. Auf dem Papier boten die Gäste den Gunners eine ausgeglichene Partie und hatten ihrerseits gute Abschlusschancen. Mehrmals lief PSV jedoch ins offene Arteta-Messer: Von den vier Gegentoren fielen zwei nach Umschaltsituationen, ein weiteres resultierte aus einem vermeidbaren Ballverlust tief in der Eindhovener Hälfte.

Kann Dortmund die PSV knacken?

Geht es nach Timmer, so gibt es für den BVB eine weitere Möglichkeit, den Motor der PSV zum Stottern zu bringen. „André Ramalho ist der schwächste Akteur im Spielaufbau. Die Gegner haben ihm zuletzt mehrmals den Ballvortrag überlassen und die anderen Spieler zugestellt. Das war teilweise durchaus erfolgreich“, analysiert der niederländische Journalist. Ramalho rückte im Laufe der Saison für den angeschlagenen Armel Bella-Kotchap in die Startelf. Der deutsche Nationalspieler kommt gerade erst von einer Schulterverletzung zurück, weshalb der Brasilianer auch gegen Dortmund von Beginn an spielen dürfte.

Das eigentliche Prunkstück der Eindhovener ist ohnehin die Offensive. Spieler wie Johan Bakayoko (23), Joey Veerman (25) oder Ismail Salibari (23) spielen allesamt eine hervorragende Saison und verkörpern den Bosz-Ball bis ins letzte Glied. Epizentrum des PSV-Angriffs ist jedoch Luuk de Jong. Der 33-jährige Stürmer ist Topscorer der Eredivisie und darüber hinaus auch exzellent im Spiel mit dem Rücken zum Tor. Der Kader des holländischen Tabellenführers ist außerdem extrem breit, von der Bank kann Bosz unter anderem mit den ehemaligen Bundesliga-Profis Ricardo Pepi und Malik Tillman nachlegen. Beide deuten ihr hohes Potenzial in Eindhoven immer wieder an.

(Photo by BART STOUTJESDIJK/ANP/AFP via Getty Images)

Ohne Frage wird der BVB zweimal an seine Leistungsgrenze gehen müssen, um die Niederländer in die Schranken zu weisen. Dabei helfen kann wohl auch der formstarke Ex-PSV-Spieler Donyell Malen, der gegen den VfL Wolfsburg noch passen musste. Auch Ramy Bensebaini ist mit nach Eindhoven gereist, wohingegen Karim Adeyemi weiterhin fehlen wird.

Bosz selbst dürfte gegen seinen ehemaligen Klub extrem motiviert sein, auch wenn er die Partie laut Timmer nicht als ein „Revenge-Game“ oder ähnliches sieht. „Er war sehr dankbar für seine Chance in Dortmund und hegt überhaupt kein böses Blut“, erklärt der PSV-Insider. So oder so: das Aufeinandertreffen zwischen Borussia Dortmund und der PSV Eindhoven verspricht massig Spektakel und dürfte zu den spannendsten aller Achtelfinal-Paarungen zählen. Einen klaren Favoriten auf das Viertelfinale gibt es definitiv nicht.

(Photo by MAURICE VAN STEEN/ANP/AFP via Getty Images)


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