Atalanta das „heißeste Team Europas“: Stürzt La Dea auch die Königlichen von Real Madrid?

10. Dezember 2024 | Champions League | BY Manuel Behlert

Real Madrid spielt am Dienstagabend in der UEFA Champions League bei Atalanta in Bergamo. Die Königlichen haben bisher in der Köngisklasse noch nicht ihr Toplevel erreicht, drei der fünf Spiele verloren. Dass ausgerechnet jetzt das formstärkste Team Europas auf die Ancelotti-Elf wartet, bringt eine gewisse Brisanz mit sich. 

Der spanische Topklub hätte bei einer Niederlage nämlich durchaus ein Problem, würde damit vermutlich aus dem Bereich der Playoff-Ränge fallen. Und tatsächlich gibt es nicht wenige Experten, die „La Dea“ zutrauen, die Königlichen zu stürzen. Eine Sensation wäre das gewiss nicht mehr.

Atalanta gegen Real Madrid: Man kennt sich

Zum zweiten Mal in dieser Saison treffen sich Atalanta aus Bergamo und Real Madrid in einem Pflichtspiel. Das erste Duell fand im Rahmen des UEFA-Supercups statt, als der Sieger der Champions League auf den Gewinner der Europa League traf. Damals war es ein ganz normales Duell zwischen diesen Teams. Atalanta ärgerte den Favoriten lange mit intensivem, mannorientiertem Pressing, Real hielt dagegen, indem es dem Gegner das Gefühl gab, jederzeit das Tempo erhöhen zu können. Am Ende gewann die Ancelotti-Elf, war einfach cleverer, in den entscheidenden Momenten reifer.



Dieses Spiel sollte der Startschuss für eine neue, glorreiche Saison des größten Klubs der Welt sein. Doch seit dem ersten Aufeinandertreffen beider Teams in dieser Spielzeit ist einiges passiert. Fünf Patzer in der Liga, drei Niederlagen in der Champions League: Real Madrid hat bis dato keine wirklich gute Saison gespielt. Auch keine schlechte, gemessen daran, dass die Verletzungssorgen nahezu permanent vorhanden waren. Trotzdem: Was sich im Vergleich zum Supercup vor allem geändert hat, ist die Drucksituation. Platz 24 ist zu Gast bei Platz fünf, gemessen an der Tabelle ist Real sogar der Außenseiter, auch wenn das nicht der wirklichen Rollenverteilung entspricht.

Das Spiel gegen Atalanta ist für Real definitiv ein besonderes. Nicht nur aufgrund der eigenen Lage, sondern auch aufgrund des Gegners. Die Bergamaschi haben in der neuen Königsklasse nämlich bisher abgeliefert. Fünf Spiele, nur ein Gegentor und elf Punkte: Die Norditaliener sind nicht nur irgendein Gegner, sondern sie dienen als Standortbestimmung für Real, für Ancelotti und für das eigene Selbstverständnis. Doch wie gut ist der Gastgeber momentan eigentlich?

Wie Gasperini Atalanta erneut revolutionierte

Die Antwort in Kurzform: Unglaublich gut. Ja, man kann argumentieren, dass die Bergamaschi in den letzten Wochen nun auch nicht nur Topgegner spielte, aber die Konstanz ist beeindruckend. Das Phänomen Gian Piero Gasperini zu erklären, würde den Rahmen sehr wahrscheinlich sprengen, aber dass er einer der besten Trainer der Welt ist und das seit Jahren, steht völlig außer Frage. Er hat es in den letzten Jahren geschafft, das Team immer wieder neu aufzustellen, zu revolutionieren, ihm in den Leitplanken seines eigenen Systems den Weg zu vermitteln, der erfolgversprechend ist. Mal mit mehr, mal mit weniger Risiko. Mal flexibler, mal mehr prinzipientreu. Wobei eine gewisse Prinzipientreue immer vorhanden war und noch ist.

Gasperini Atalanta Real madrid Champions League

(Photo by Daniela Porcelli/Getty Images)

Beispiel: Die beiden äußeren Verteidiger in der Dreierkette haben noch immer einen gewissen Offensivdrang, der sich schon seit Jahren durch das Gasperini-System zieht. Dadurch wir die gegnerische Abwehr immer wieder vor neue Aufgaben und Probleme gestellt, die Positionsflexibilität in der gesamten Offensive wird dadurch noch einmal gestärkt. Zudem gibt es in einer jeden Saison viele Möglichkeiten, mit denen Atalanta zum Torerfolg oder zu Torchancen kommen kann. Schnelles Umschalten, ruhende Bälle, hohes Gegenpressing, aber auch lange Ballbesitzmomente: Dieses Team hat vieles im Repertoire, kann sich dem Gegner anpassen und mal mit einem klassischen Neuner spielen, mal ohne.

Wie groß die Bandbreite ist, die Atalanta bedienen kann, zeigt sich beim Vergleich der Statistiken in der Champions League und in der Serie A. In der Königsklasse spielt man ruhiger, kontrollierter, kassierte erst ein Gegentor (beim Kantersieg in Bern). Es herrscht eher Minimalismus wie beim 0:0 gegen Arsenal, das eigene Tor wird verteidigt, das Risiko etwas minimiert. Ganz anders in der Liga, wo Atalanta mit 38 Toren aus 15 Spielen die mit Abstand beste Offensive stellt. Die Folge dieser Anpassungsfähigkeit: Zwölf der letzten 13 Pflichtspiele wurden gewonnen, darunter bei Neapel, bei der Roma, in Stuttgart und zuhause gegen Milan. Niemand ist derzeit besser in Form. 

Irgendwie überrascht es auch niemanden, dass sich Atalanta unter Gasperini wieder einmal in Teilen neu erfunden hat. In den letzten Jahren verließen jede Saison zuvor wichtige Spieler den Klub, trotzdem fand der Coach immer neue Mittel, um für Erfolg zu sorgen. Nur eine der letzten sechs Spielzeiten schloss La Dea nicht in den Top-5 der Serie A ab, was eine große Errungenschaft ist. Die Fähigkeit zu haben, jedes Jahr auf ein Neues etwaige Probleme zu erkennen und die Lösung schon vorher zu entwickeln, macht einen großen Trainer aus.

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Das braucht es für einen Atalanta-Sieg gegen Real Madrid

Es steht also außer Frage, dass Atalanta die Qualität hat, um dafür zu sorgen, dass Real Madrid im Gewiss Stadium eine sehr schwere Zeit durchlebt. Für den großen Coup, also den Sieg, müssen aber einige Elemente stimmen. Zum Beispiel muss der Gastgeber bei seinem mannorientierten Pressing eine gute Mischung aus Risiko und Absicherung finden. Insbesondere die Offensivakteure, die viel Tempo mitbringen, dürfen nicht in die für sie wichtigen Räume vorstoßen.

Außerdem wäre eine gewisse Effizienz wichtig. Klar, momentan bietet Real immer mal wieder was an, aber verschwenderisch mit den Torchancen umzugehen wäre möglicherweise fatal, denn die Gäste stehen unter Druck und spielten in der Vergangenheit gerade dann oftmals besser oder holten zumindest die nötigen Ergebnisse.

Zu guter Letzt ist es notwendig, auch von der Bank die richtigen Impulse zu setzen. Gleich das komplette Pulver zu verschießen, wäre unklug. Es ist gut möglich, dass Gasperini deswegen entweder Charles de Ketelaere oder Mateo Retegui auf der Bank lässt. Real muss permanent beschäftigt werden, was den Bergamaschi aber zweifelsohne zuzutrauen ist. Denn nicht vergessen: Eine formstärkere Mannschaft findet man derzeit in Europa nicht.

(Photo by Giuseppe Cottini/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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