Champions League | FC Liverpool empfängt Real Madrid: Königsklassen-Endspiel reloaded

21. Februar 2023 | Vorschau | BY Steven Busch

Vorschau | Am Dienstagabend gastiert der amtierende Champions-League-Sieger Real Madrid an der Anfield Road. Obwohl der heimische FC Liverpool – parallel zum Gegner aus der spanischen Landeshauptstadt – in dieser Saison etwas durch den Liga-Alltag strauchelt, wird die Neuauflage des letztjährigen Königsklassen-Endspiels mit Spannung erwartet.

Dass bereits im Achtelfinale der UEFA Champions League ein „Endspiel reloaded“ zwischen Titelverteidiger Real Madrid und dem FC Liverpool auf dem Programm steht, entbehrt nicht einer besonderen sportlichen wie emotionalen Ironie. Über den 1:0-Erfolg des spanischen Rekordmeisters im letztjährigen Finale von Paris hinaus kennen sich die Teams bestens. Unter anderem wurde schon in der Spielzeit 2017/18 der Henkelpott zwischen den beiden Traditionsklubs ausgespielt – auch damals mit dem besseren Ende für die Blancos (3:1). Somit sinnen die Engländer im Hinspiel nach Revanche vor heimischer Kulisse an der sagenumwobenen Anfield Road.



FC Liverpool: Quo vadis, Reds?

(Photo by George Wood/Getty Images)

Nach Jahren des nachhaltigen sportlichen Erfolgs durchlebt der FC Liverpool in der Saison 2022/23 eine Berg- und Talfahrt. Vor allem in der Premier League sind die Darbietungen des englischen Meisters von 2020 überaus schwankend. Das Resultat ist folgerichtig kein Titelkampf mit dem Dauerrivalen Manchester City und Spitzenreiter FC Arsenal, sondern aktuell lediglich der achte Tabellenplatz. Trotz zuletzt zwei Siegen im Merseyside Derby gegen den FC Everton (2:0) und bei Newcastle United (2:0) ist der Weg bis zur anvisierten Champions-League-Qualifikation über den Liga-Alltag noch steinig und schwer. Bereits sieben Premier-League-Niederlagen – darunter unerwartete Misserfolge gegen Brentford, Wolverhampton sowie Brighton – musste die Mannschaft von Chefcoach Jürgen Klopp in dieser Spielzeit verkraften. Im Vergleich dazu standen am Ende der Saison 2021/22 – die man als Vizemeister abschloss – lediglich zwei Pleiten.

Aus dem einstigen Pressingmonster hat sich mittlerweile ein Ensemble entwickelt, welches auch den eigenen Ballbesitz ins Spiel implementiert hat (59,5 % in der Premier League – zweithöchster Wert hinter Manchester City mit 64,8 %). Weiterhin agiert das Team in einem 4-3-3-System mit schnellen Flügelstürmern wie Mohamed Salah (Topscorer mit wettbewerbsübergreifend 18 Treffern und acht Assists), Diogo Jota, Luis Diaz (laboriert derzeit an einer Knie-Blessur) oder dem niederländischen Neuzugang Cody Gakpo. In zentraler Angriffsposition agiert zumeist der 23-jährige Uruguayer Darwin Núnez, welcher im vergangenen Sommer für 80 Millionen Euro von Benfica Lissabon verpflichtet wurde.

Doch in der hochgelobten Offensivabteilung stottert der Motor. Während die Defensive um Abwehrchef Virgil van Dijk weiterhin zumeist verlässlich ihrem Dienst nachkommt (28 Gegentreffer – nur vier Vereine der Premier League haben weniger kassiert), herrscht in vorderster Front erstaunlich oft Ladehemmung (erst 38 Tore in 22 Ligapartien). Vor der aktuellen Spielzeit verließ mit Sadio Mané (zum FC Bayern) ein Garant für die Torgefährlichkeit der letzten Jahre den Klub.

Zudem brauchen Neuzugänge wie die erwähnten WM-Fahrer Nunez und Gakpo noch Eingewöhnungszeit, um den anspruchsvollen Kloppschen Spielstil gänzlich zu adaptieren. Des Weiteren schlagen beim FC Liverpool auch die Faktoren Pech respektive Effizienz ins Kontor. Während die Reds im Vorjahr nach Expected Goals (kurz xG) noch mehr Treffer erzielten als die entsprechenden Situationen hergaben, hätte der Champions-League-Sieger von 2019 in dieser Premier-League-Saison statistisch bereits 7,51 Tore mehr schießen müssen.

Die Vorrunde der Königsklasse überstand der FC Liverpool, mit Ausnahme einer deftigen 1:4-Auftaktniederlage beim SSC Neapel, ohne Fehl und Tadel (darunter ein 7:1-Sieg beim schottischen Europa-League-Finalisten Rangers FC). Diese Bilanz offenbart, dass der Klub aus dem Nordwesten Englands die besonderen Abende der Champions League förmlich aufsaugt. In jenen internationalen Duellen ist das Klopp-Team immer noch imstande, jeden Gegner vor Probleme zu stellen. Am Dienstagabend unter Flutlicht an der Anfield Road womöglich auch die Königlichen von Real Madrid.

Real Madrid: Sind die Königlichen weiterhin titelhungrig?

(Photo by FADEL SENNA/AFP via Getty Images)

Der spanische Rekordmeister Real Madrid (35 Titel) ist ein Phänomen. Sobald es in die entscheidende Phase einer Saison geht, sind die Blancos zur Stelle. Wie zum Beweis wurden in der vergangenen Spielzeit gleich vier Trophäen (Champions League, La Liga, UEFA Supercup sowie Klub-WM) in die ohnehin prall gefüllte Vitrine des Vereins gestellt. Als Parallele zum Achtelfinal-Gegner der diesjährigen Königsklasse tun sich die Königlichen in der nationalen Meisterschaft in 2022/23 jedoch überraschend schwer.

Bereits acht Zähler Rückstand nach 22 Spieltagen weist der erfolgsverwöhnte Klub gegenüber des ungeliebten Rivalen FC Barcelona auf. Für das intakte Seelenwohl des amtierenden Champions-League-Siegers respektive derer Fans konnten Carlo Ancelottis Männer aber wenigstens den Clasico gegen Blaugrana im Oktober gewinnen (3:1). Teilweise streuen sich jedoch uninspirierte Auftritte in das Bild der Madrilenen ein. So stehen La-Liga-Niederlagen gegen die Außenseiter Rayo Vallecano (2:3), FC Villarreal (1:2) und RCD Mallorca (0:1) zu Buche.

Am Spiel Reals hat sich in dieser Saison wenig geändert. Ancelotti schickt sein Team zumeist in der traditionellen 4-3-3-Grundordnung auf den Rasen. Die arrivierten Mittelfeldkräfte um Luka Modric und Toni Kroos (95,2 % angekommene Pässe, beste Quote der Liga; fehlt im Hinspiel allerdings verletzungsbedingt) ziehen weiterhin die Fäden in der Zentrale. Zudem hat sich der Uruguayer Fede Valverde zu einem der Shootingstars dieser Runde aufgeschwungen. Auch der deutsche Nationalspieler Antonio Rüdiger ist nach seinem ablösefreien Wechsel direkt zum unumstrittenen Stammspieler in der Innenverteidigung avanciert (31 Pflichtspieleinsätze). Der Ballon-d’Or-Gewinner von 2022, Mittelstürmer Karim Benzema, sorgt konstant für Tore (wettbewerbsübergreifend 16 Treffer und vier Assists in 23 Partien) und die dribbelstarken brasilianischen Flügelflitzer Vinicius Jr. und Rodrygo für Tempo über die Außenpositionen.

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Die Blancos rufen ihre Leistungen in dieser Saison, bis auf wenige Ausnahmen, in routinierter Art und Weise ab, doch das eingeforderte Spektakel und die spielerische Nonchalance fehlen zum Teil (trotz beispielsweise 17,4 Schüssen pro Begegnung, höchster La-Liga-Wert). Manche Menschen im Umfeld der Madrilenen rufen daher lautstark nach einem größeren Umbruch (ersehntes Transferziel seit vielen Monaten: PSG-Stürmer Kylian Mbappé), bei genauerer Betrachtung hat Real Madrid diesen durch die Transfers von Aurélien Tchouameni (fehlt ebenfalls im Hinspiel-Kader) oder Eduardo Camavinga jedoch längst eingeläutet. Demgegenüber haben kostspielige Alt-Stars wie Gareth Bale (Karriereende) den Klub verlassen oder könnten dies in näherer Zukunft tun (Eden Hazard).

Die Vorrunde der Königsklasse überstanden die Königlichen als Gruppenerster, bei vier Siegen, einem Remis und lediglich einer Pleite bei RB Leipzig (2:3). Bis zu jenem Gastspiel in Deutschland Ende Oktober war Ancelottis Team noch gänzlich unbesiegt durch die Spielzeit 2022/23 gekommen. Wenn es nun in die sogenannte „Crunch time“ des Fußball-Kalenders geht, ist mit dem 14-fachen Sieger der Königsklasse wieder zu rechnen. Auch beim stimmungsvollen Gastspiel an der Anfield Road.

Mögliche Aufstellungen für das Hinspiel:

FC Liverpool: Alisson – Alexander-Arnold, Gomez, van Dijk, Robertson – J. Henderson, Fabinho, Keita (Bajcetic) – Salah, Darwin (Firmino), Gakpo

Real Madrid: Courtois – Carvajal, Eder Militao, Rüdiger, Alaba – Modric, Camavinga, Fede Valverde – Rodrygo, Benzema, Vinicius Jr.

Prognose: Sowohl der FC Liverpool als auch Real Madrid sind für diese besonderen Flutlicht-Abende in der Champions League prädestiniert. Nicht umsonst standen sich beide Klubs im letztjährigen Finale der Königsklasse bereits gegenüber. In ihrer taktischen Herangehensweise ähneln sich beide Teams. Die 4-3-3-Grundordnung mit schnellen Außenstürmern wird von Klopp und Ancelotti bevorzugt. Von größeren Experimenten oder personellen Überraschungen ist eher nicht auszugehen.

Für die Reds wird es von elementarer Bedeutung sein, den Funken zum frenetischen Publikum an der Anfield Road mithilfe einer leidenschaftlichen Performance überspringen zu lassen. Zudem muss Angreifer Nunez – sofern er fit wird – auf der größtmöglichen Bühne beweisen, dass das 80-Millionen-Investment kein zu schwerer Rucksack für ihn ist und er Torjäger-Qualitäten auf allerhöchstem Niveau besitzt. Real Madrid wird versuchen, ihre klassische Herangehensweise mit Spiel über die Flügelpositionen umzusetzen. In puncto Mittelfeld-Kontrolle sollten die Blancos von Vorteil sein, wenngleich Kroos und Tchouameni zu ersetzen sind. Dennoch besteht für die Madrilenen nicht der Druck, diese komplizierte Auswärtspartie zwingend gewinnen zu müssen. Deshalb trennen sich die Traditionsvereine mit einem leistungsgerechten Remis.

(Photo by Naomi Baker/Getty Images)

Steven Busch

Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.


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