Real Madrid gegen Chelsea zum Dritten: Überraschen die Blues ausgerechnet unter Lampard?

12. April 2023 | Vorschau | BY Michael Bojkov

Vorschau | Real Madrid und der FC Chelsea stehen sich im Viertelfinale der Champions League gegenüber. Es gibt wenige Duelle im europäischen Profifußball, die mehr Topstars aufbieten. Dazu ist es das Aufeinandertreffen der vergangenen beiden Sieger des Wettbewerbs. Dennoch könnten die Vorzeichen kaum unterschiedlicher sein.

Real Madrid gegen Chelsea – da war doch was. Richtig: Es ist die dritte Champions-League-Saison in Folge, in der die beiden europäischen Schwergewichte in der K.o.-Phase aufeinander treffen. Im Halbfinale 2021 waren es die Blues, die sich durchsetzten (1:1, 2:0) und am Ende den Pott gewannen. Vergangenes Jahr behielten die Königlichen nach einer dramatischen Verlängerung die Oberhand (3:1, 2:3), auch sie gewannen am Ende die Königsklasse. Geht man nach der jüngsten Historie, darf sich der Sieger dieser Paarung am Ende also Champions-League-Sieger nennen. Der Prestigefaktor kommt so oder so nicht zu kurz.

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Real Madrid: Quo vadis, 2023?

2:3 gegen Villarreal, 4:0 in Barcelona, 6:0 gegen Valladolid, 1:2 in Barcelona – das sind die letzten Resultate von Real Madrid. Was man daraus nun machen will, bleibt jedem selbst überlassen. In jedem Fall ist es schwierig, diese Mannschaft 2023 in wenigen Sätzen plausibel zu erklären. Zu wankelmütig sind die Blancos unterwegs, zu unterschiedlich die Gründe, warum man nicht konstant gewinnt und sich daher ungewöhnlich früh aus dem nationalen Meisterschaftskampf verabschieden musste. 

Exemplarisch für die Inkonstanz im bisherigen Kalenderjahr stehen ausgerechnet die zehn Tage vor dem Viertelfinale gegen Chelsea. Am Sonntag vor einer Woche wirkte es mit dem 6:0-Spektakel gegen Valladolid fast so, als würden sich die Königlichen rechtzeitig zur Crunchtime in Bestform zurückmelden. Das bestätigten sie noch eine Nuance eindrucksvoller am vergangenen Mittwoch, als der FC Barcelona im Camp Nou furios mit 4:0 besiegt wurde und man sich so das Finalticket für die Copa del Rey sichern konnte.

Real Madrid

Photo by PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP via Getty Images)

Umso fragwürdiger kam die jüngste 2:3-Pleite gegen Villarreal daher. Zweimal gingen die Königlichen in Führung und hatten eigentlich alles unter Kontrolle, doch durch Unachtsamkeiten in der Defensive brachte man den Gegner zurück in die Show und stand am Ende mit leeren Händen da. Niederlagen wie diese beeinflussen natürlich die königlichen Gemüter und sorgen für Fragezeichen rund ums Bernabeu.

Benzema und der Faktor Königsklasse

Ein positives Zeichen ist derweil, dass sich Karim Benzema (35) aus seinem Leistungsloch befreit hat. 2023 lief für den Franzosen bislang nicht wirklich rund. Häufig war er nicht richtig ins Offensivspiel der Madrilenen eingebunden und hing in der Luft. Seine Dreierpacks gegen Valladolid und Barça wirkten dahingehend wie ein Befreiungsschlag und sollten auch eine gewisse Signalwirkung haben.

Auch im Alter von 35 und dem Ballon d’Or in der Vitrine ist er nach wie vor einer der besten seines Faches und ein absoluter Unterschiedsspieler für Real. Er könnte auch in diesem Jahr der entscheidende Faktor in der Champions League werden. Auch wieder gegen Chelsea? Im Viertelfinal-Rückspiel 2021/22 erzielte er in der Verlängerung den Anschluss zum 2:3, der in der Gesamtwertung den Unterscheid machte und die Königlichen für das Halbfinale qualifizierte.

Ein weiterer Faktor, der Madrid in die Karten spielt, ist – so lapidar es klingt – der Wettbewerb. In der Champions League trotzen die Blancos allen äußeren Umständen und sind in den entscheidenden Momenten immer zur Stelle – zuletzt Ende Februar bei einem 0:2-Rückstand in Anfield. Egal, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben, in der Champions League sind die Königlichen aus teils irrationalen Gründen kaum zu bezwingen.



Chelsea: Im Chaos versunken

Das weiß auch der FC Chelsea, der seinerseits ohnehin ganz andere Sorgen hat. Die Saison läuft alles andere als rund für die Blues. In der Premier League hinkt man seinen Ambitionen so weit hinterher, dass erstmals seit der Saison 1995/96 ein Platz in der unteren Tabellenhälfte droht. Vor dem Viertelfinal-Rückspiel gegen Real Madrid könnte das vorerst letzte Mal die Champions-League-Hymne an der Stamford Bridge ertönen.

Die Probleme sind vielseitig, haben aber einen gemeinsamen Vater: Todd Boehly (49). Erst beurlaubte der neue Besitzer Trainer Thomas Tuchel (49) aus sportlich nur schwer zu erklärenden Gründen, dann überließ er Neutrainer Graham Potter (47) seinem Schicksal. Der ehemalige Übungsleiter von Brighton musste von heute auf morgen mit einem fremden Kader ohne Vorbereitung fertig werden und in den VIP-Logen der Stamford Bridge wunderte man sich, dass die Resultate ausblieben. 

Die Konsequenz: Winterneuzugänge – große Namen für großes Geld, aber ohne Plan und Verstand. So fehlt zum Beispiel noch immer eine echte Neun, während andere Positionen doppelt und dreifach stark besetzt sind. Potter musste einen völlig disbalancierten Kader moderieren, trotzdem verbesserte er die Mannschaft in einigen Teilbereichen und ließ eine steigende Tendenz in den Leistungen erkennen. Im Champions-League-Achtelfinale gegen den BVB war man zweimal die bessere Mannschaft und verdiente sich das Weiterkommen. Boehly erachtete das Projekt Potter dennoch als beendet.

Der zweite Anlauf mit Lampard

Der Nachfolger des 47-Jährigen heißt Frank Lampard (44), der bis Saisonende die Geschicke im Westen Londons leiten soll. Unkreativer als diese Entscheidung ist wohl höchstens der Fußball, den die Vereinslegende spielen lässt. Auf dem Trainermarkt konnte Lampard bislang nämlich herzlich wenig Eigenwerbung betreiben.

Chelsea trifft in der Champions League auf Real Madrid

(Photo by Eddie Keogh/Getty Images)

Dass es zum Auftakt eine 0:1-Niederlage bei den Wolves gab, ist ob der Kürze der Eingewöhnungszeit zwar per se kein Drama, die Art und Weise aber gab einen Vorgeschmack darauf, wie Chelsea-Spiele unter Lampard aussehen könnten: inspirationslos. Bereits in seiner ersten Amtszeit bei den Londonern ließ der ehemalige Mittelfeldstar ein Offensivkonzept schmerzlich vermissen, bei seiner darauffolgenden Trainerstation bei Everton war es nicht anders. Lampard mag ein guter Motivator sein und mit jungen Spielern umgehen können. Doch er hat in seinen mittlerweile rund dreieinhalb Saisons als Trainer noch nicht bewiesen, dass er eine nachhaltige Spielidee auf die Beine stellen kann.

Gegen Real Madrid wird sich Chelsea auf die individuelle Klasse verlassen müssen. Die haben sie zweifelsohne auch. So können Spieler wie Joao Felix (23) und Kai Havertz (23) an guten Tagen jeder Defensive dieser Welt wehtun, Kalidou Koulibaly (31) und Wesley Fofana (22) jeden Gegner stoppen. Ein Enzo Fernandez (22) etwa hat bei der Weltmeisterschaft in Katar eindrucksvoll seine Qualitäten unter Beweis gestellt, die er seit seinem Wechsel im Winter immer wieder auch im Dress der Blues aufblitzen lässt.

Von der Bank kann man mit Qualität und Talent nachlegen. Aber reicht das? Reicht das gegen ein Real Madrid, das auf nahezu jeder Position weltklasse besetzt ist, dazu eine bestens ausbalancierte und eingespielte Mannschaft hat, die in den entscheidenden Momenten immer da ist?

So könnten die Teams spielen

Real Madrid: Courtois – Carvajal, Militao, Rüdiger, Alaba – Modric, Tchouameni, Kroos – Valverde, Benzema, Vinicius Jr.

Ausfälle: Ferland Mendy

Chelsea: Kepa – Reece James, Fofana, Koulibaly, Chilwell – Kante, Fernandez, Kovacic – Sterling, Havertz, Felix

Ausfälle: Thiago Silva, Cesar Azpilicueta, Armando Broja

Prognose

Individuelle Klasse kann immer zum Trumpf werden, davor muss Real Madrid gewarnt sein. Die Kaderqualität ist bei den Königlichen aber höher als bei Chelsea, zudem haben die Spanier eine eingespielte Mannschaft und dürften mit deutlich mehr Selbstvertrauen als die Blues ins Spiel gehen. Real Madrid wird sich gegen Chelsea durchsetzen und ins Halbfinale einziehen.

Text von Michael Bojkov

(Photo by Mike Hewitt/Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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