Blick über den Tellerrand | Sporting und Benfica im Wettrennen, Anderlecht mit Allstar-Truppe wieder auf Kurs

9. Januar 2024 | Global News | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen. Wir blicken auf die wieder einmal aufregende Rivalität zwischen Sporting und Benfica und auf den Aufschwung beim RSC Anderlecht sowie bei den Rangers.

Primeira Liga: Sporting und Benfica im Zweikampf um die Meisterschaft?

Am 12. November stieg das mit Spannung erwartete Stadtduell zwischen Benfica und Sporting. Die 317. Auflage des erstmals 1907 ausgetragenen Derby de Lisboa war wieder einmal eine ganz besondere: Bis tief in die Nachspielzeit lag Benfica, wo Trainer Roger Schmidt (56) zu diesem Zeitpunkt schwer in der Kritik stand, mit 0:1 zurück, blieb selbst in Überzahl harmlos. Was folgte, wird für die Beteiligten und die 62.166 anwesenden Zuschauenden im Estádio da Luz unvergessen bleiben: Youngster Joao Neves (19), aus dem eigenen Nachwuchs stammend, glich in der 94. Minute infolge einer Ecke aus. Zweieinhalb Zeigerumdrehungen später – die Nachspielzeit war bereits abgelaufen – verwertete der im Sommer aus Trondheim verpflichtete Casper Tengstedt (23) eine Hereingabe von Fredrik Aursnes (28) zum umjubelten 2:1-Siegtor, das noch der VAR-Überprüfung standhalten musste. Als Schiedsrichter Artur Soares Dias schließlich zur Mitte zeigte, brachen auf dem Spielfeld alle Dämme.



Seit diesem unvergleichlichen Derbysieger musste Benfica keine Niederlage mehr einstecken, schloss sogar eine verkorkste Champions-League-Vorrunde anständig ab. Das 3:3 nach 3:0-Führung, die man sich am Anfang der Saison wohl noch keineswegs verschafft hätte, gegen Inter sowie der 3:1-Erfolg brachten zumindest die Teilnahem an der Europa League. Allerdings leisteten sich die Àguias mehrere vermeidbare Punktverluste im Ligabetrieb. Besonders ärgerlich erscheint das 1:1 gegen Farense. Benfica schoss nämlich 37-mal aufs Tor, erlangt einen xGoals-Wert von 4,41 und verließ das eigene Stadion doch nicht als Sieger. Anschließend gab es drei Siege, darunter das hart erarbeitete 1:0 in Braga durch eine frühes Tor von Tengstedt, sodass sich der 38-fache und damit portugiesische Rekordmeister in Lauerstellung befindet.

Lediglich die Hälfte der Meistertitel sammelte Sporting ein. Trotz der tragischen Derby-Niederlage sind die Hoffnungen im Umfeld aber weiter angewachsen. Die Mannschaft von Rúben Amorim (38) weiß weiter durch einen sehr anschaulichen, offensiven Spielstil zu gefallen und grüßt mit einem Punkt Vorsprung von der Tabellenspitze.. Das jüngste 5:1 gegen Estoril unterstrich nochmals die Stärk der Leões, die etwa den FC Porto kurz vor Weihnachten souverän mit 2:0 bezwangen und mit Viktor Gyökeres (11 Tore) den besten Angreifer unter den Top-drei-Teams stellen. Zum Vergleich für Benfica traf Rafa (30) sechsmal und für den schon leicht abfallenden FC Porto netzte Evanilson (24) gar nur viermal ein. Gyökeres lieferte zudem schon sieben Torvorlagen und könnte im Titelrennen zum Unterschiedsspieler avancieren.

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Jupiler Pro League: RSC Anderlecht auf dem Weg zu alter Stärke?

In der Jupiler Pro League verabschiedete sich Royale Union Saint-Gilloise als souveräner Tabellenführer in die noch bis zum 19. Januar andauernde Winterpause. Herausragende 48 Punkte aus 20 Spielen sammelte der sich immer weiterentwickelnde Traditionsklub ein. Die letzte Niederlage auf nationaler Ebene musste er am 16.09.2023 beim 0:2 gegen Genk einstecken. Seitdem läuft es wie geschmiert. Auch wir sprachen in diesem Format bereits über den Erfolg von Saint-Gilloise, das derzeit mit sechs Punkte Vorsprung von Rang eins grüßt. Das 1:1 gegen den FC Brügge, von 2020-2022 durchgängig belgischer Meister und inzwischen schon 14 Zähler im Hintertreffen störte niemanden. Auch in Deutschland wird sich bald wieder mit RUSG beschäftigt werden, denn in der Conference League misst sich der Klub mit Eintracht Frankfurt.

In Deutschland wohl immer noch wesentlich mehr Personen ein Begriff ist der RSC Anderlecht, ein immerhin dreifacher Europapokalsieger und mit 34 Titeln der belgische Rekordchampion. In früheren Jahren wären sechs Punkte Vorsprung ein Grund für Unruhe im Verein gewesen. Nach dem desaströsen elften Platz im Vorjahr herrscht große Zufriedenheit bei den Paars-wit. Brian Riemer (45), zuvor Co-Trainer beim FC Brentford, benötigte etwas Anlaufzeit nach seinem Amtsantritt im Dezember 2022, ehe er in der laufenden Spielzeit eine funktionierende Mannschaft formte, die seit mittlerweile über zwei Monaten nicht mehr verloren hat.

(Photo by JASPER JACOBS/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Prominente, teils erst im September zum Kader stoßende Akteure erwiesen sich als große Verstärkung. So steht inzwischen Routinier Kasper Schmeichel (37) beim RSC zwischen den Pfosten, Jan Verthongen (36) fungiert als Abwehrchef, der beim FC Sevilla aussortierte Thomas Delaney (32), übrigens wie schon bei Werder Bremen und eben in Sevilla mit Linksverteidiger Ludwig Augustinsson (29) zusammenspielend, gibt den Ton im Mittelfeldzentrum an und im Sturm findet der für fünf Millionen Euro verpflichtete Kasper Dolberg (26) allmählich zu alter Stärke zurück. Ihm gelangen bereits zehn Saisontore. Damit ist er aber nur der zweitbeste Schütze im Team. Anders Dreyer (25) bugsierte das Spielgerät schon 13-mal über die Linie. Der von Borussia Dortmund geliehene Thorgan Havard (30) kam dagegen nur mäßig in Fahrt, da er von Verletzungen aufgehalten wurde. Er könnte im Kampf um die Meisterschaft, der durchaus möglich scheint noch eine wichtige Rolle einnehmen.

Premiership: Rangers im Aufwind, doch Kyogo macht im Old Firm wieder den Unterschied 

Anfang Oktober herrschten triste Zeiten bei den Rangers, die von den ersten sieben Ligaspielen gleich drei verloren. Eine inakzeptable Bilanz für den 55-fachen schottischen Meister, der sich daraufhin vom etwas farblosen Michael Beale (43), einst schon als Assistent von Steven Gerrard (43) im Ibrox Park tätig, trennte. Am 15.10.2023 übernahm der zuvor vor allem beim FC Brügge auf sich aufmerksam machende Philippe Clement (49) den Trainerposten. Das 4:0 über Hibernian zum Auftakt deutete bereits an, wie der Fußball unter dem Belgier aussehen würde. Die Gers knüpften daran, legten national wie international begeisternde Auftritte und gaben kaum einen Punkt ab. Besonders hängen blieb wohl das Gastspiel am letzten Europa-League-Vorrundenspieltag, das die Rangers durch ein Jokertor von Kemar Roofe (31) mit 3:2 bei Real Betis gewannen, wodurch sie die Gruppe gewannen und Betis auf Rang drei verwiesen.

Zur Belohnung hat der Traditionsklub in der Zwischenrunde frei und muss erst im Achtelfinale wieder ran. In einem weiteren Pokalwettbewerb gaben die Rangers ebenfalls eine gute Figur ab. Dieser ist bereits beendet. Im League Cup ging es im Endspiel kurz vor Weihnachten gegen den FC Aberdeen. Nach überlegender Vorstellung war es abermals James Tavernier (32), weiterhin einer der torgefährlichsten Außenverteidiger Europas, der eine runde Viertelstunde vor Schluss mit einem sehenswerten Seitfallzieher das umjubelte 1:0, gleichbedeutend mit dem 28. Triumph im League Cup, erzielte.

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)

Die Stimmung war also bestens bei den Rangers vor dem 438. Old Firm bei Celtic. Es bestand, angesichts von zwei Nachholspielen in der Hinterhand, sich im Dauerduell mit dem Erzrivalen, die bessere Ausgangsposition zu verschaffen. Doch trotz der hervorragenden Verfassung gab es im Celtic Park die dritte Niederlage hintereinander. Die Bhoys erwiesen sich als die effektivere Mannschaft und konnten sich erneut auf Kyogo Fururashi (28) verlassen, der seit seiner Ankunft im Sommer 2021 in elf Old-Firm-Einsätzen schon sieben Tore beisteuerte. Sein herrlicher Treffer zum 2:0 brachte die Vorentscheidung zugunsten von Celtic, das letztlich ebenfalls wunderbare Freistoßtor von Tavernier verkraften konnte und mit 2:1 gewann. Somit besitzt die grün-weiße Seite Glasgows, die unter Rückkehrer Brendan Rodgers (50) ebenfalls einen weiter recht attraktiven Spielstil vertritt, die leicht bessere Position im stetigen Zweikampf um die Meisterschaft. Das nächste und womöglich wegweisende Old Firm ist für Anfang April geplant.

Die Tabellen der anderen Ligen:

Niederlande: Eredivisie

Österreich: Bundesliga

Schweiz: Super League

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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