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Wie der drohende Gang in die Europa League die Finanzplanungen des FC Barcelona massiv beeinträchtigt

15. Oktober 2022 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Es war ein Sommer der Veränderung beim FC Barcelona. Der Klub aus La Liga setzte alle möglichen Hebel in Bewegung, um etwas Ordnung in das finanzielle Chaos der letzten Jahre zu bekommen und den Kader drastisch verändern zu können. Das Ziel lag auf der Hand: Eine sportliche Verbesserung sollte her – und zwar schnell. 

Viele haben noch die konsternierten Blicke der Zuschauer im Camp Nou vor Augen, als Eintracht Frankfurt, angetrieben von einem überragenden Filip Kostic in der Europa League nach 66 Spielminuten mit 3:0 in Führung ging. Dieses Spiel bedeutete das Aus für die Blaugrana in diesem Wettbewerb, während Frankfurt in Richtung Titelgewinn marschierte. Eine solche Schmach sollte nicht erneut durchlebt werden müssen, da waren sich die Verantwortlichen des Klubs einig. Nur ein halbes Jahr später fehlt nur ein einziger Schritt und der FC Barcelona scheidet wieder aus der Champions League aus und muss wieder den Gang in die Europa League antreten.

FC Barcelona: Eine Revolution im Sommer

Joan Laporta (60), Präsident des FC Barcelona, versprach zu Beginn seiner Amtszeit, dass er es schaffen könne, den Klub wieder zu stabilisieren. Der Schuldenberg war immens, betrug über eine Milliarde Euro. Viele Zahlungen an Klubs für Spieler waren offen, die Verantwortlichen waren auf dem Transfermarkt kaum handlungsfähig. Jeder wusste, dass Kreativität notwendig sein wird, um das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Kreativität – und Risiko. Ein solches Risiko ging der Klub bewusst ein, um zwei Dinge gleichzeitig zu erwirken: Einen Schuldenabbau und die Generierung neuer Mittel, um Vertragsverlängerungen registrieren, Spieler verpflichten und schließlich auch registrieren zu können. 

Mehrere Säulen waren dafür notwendig: Es musste Gehaltsbudget durch Abgänge freigeschaufelt werden, darüber hinaus musste das Kapital erhöht werden, um Geld für Transfer zu haben. Nur durch Abgänge war dies nicht zu erreichen, daher verkaufte der FC Barcelona Teile des klubeigenen Merchandising und Teile seiner TV-Rechte für La Liga über 25 Jahre. Die Investorengruppe Sixth Street kaufte diese Rechte, die ersten zehn Prozent für rund 207 Millionen Euro. Was nach einem guten Deal klingt, birgt Risiken: Denn es kann auch zu einem Verlustgeschäft werden, beispielsweise dann, wenn die Erlöse für die Rechte in diesem Zeitraum deutlich ansteigen und der Klub rückblickend eine höhere Summe hätte einstreichen können. 

Der FC Barcelona zog alle Register und nahm sehr viel frisches Geld ein, das dafür sorgte, dass es zu einer Revolution im Kader kommen konnte. Raphinha (25), Jules Kounde (23), Robert Lewandowski (33), Andreas Christensen (26), Marcos Alonso (31), Franck Kessie (25) sind nur einige Beispiele für Spieler, die im Sommer nach Barcelona wechselten. Über 150 Millionen Euro gaben die Katalanen für Spieler aus, mehr als 100 Millionen Euro weniger wurden eingenommen. Die Kritik an diesem Geschäftsmodell wurde schnell laut, aber der Klub bewegte sich rein rechtlich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. 

Barcelona geht Risiko: Maximaler sportlicher Erfolg benötigt

Der Verkauf von TV-Rechten und Anteilen an dem Merchandising zur Tilgung von Schulden und zur Erhöhung der eigenen Qualität im sportlichen Bereich birgt Risiken, weil er eine Wette auf die Zukunft ist. Der FC Barcelona benötigt sportlichen Erfolg und damit ist nicht nur ein zweiter Platz in La Liga und eine gute Rolle in der Königsklasse gemeint. Es müssen Titel her, Jahr für Jahr. Die runderneuerte Mannschaft stand also direkt zu Saisonbeginn unter Druck. Die ersten Leistungen in der Liga waren hierbei durchaus sehr positiv zu bewerten, bis heute hat der Klub nur zwei Punkte liegen gelassen und das direkt zum Auftakt. Als Tabellenführer geht der FC Barcelona in den Clasico am Sonntag (16:15 Uhr) gegen Real Madrid.

Doch auch wenn Lewandowski sehr gut trifft, der ein oder andere Spieler größere Fortschritte macht und auch fußballerisch bessere Abläufe zu erkennen sind als in der letzten Saison: Ein Problem hat die Mannschaft von Xavi Hernandez (42). Und das ist der Europapokal. Der Sieg gegen Viktoria Pilsen zum Auftakt war standesgemäß, es folgte die Reise nach München. In der Allianz Arena war Barça phasenweise spielbestimmend, aber nicht abgezockt genug. 0:2, kein Weltuntergang, es standen schließlich zwei Spiele gegen Inter auf dem Programm. Im San Siro verloren die Spanier mit 0:1, zuhause gab es nur ein 3:3. Dabei holte die Xavi-Elf zwar zwei Rückstände auf, steht aber nun vor dem Aus.

Inter Barcelona

(Photo by JOSEP LAGO/AFP via Getty Images)

Die Lage in der Gruppe ist schnell erklärt. Gewinnt Inter sein Heimspiel gegen Viktoria Pilsen, das noch keinen Punkt holen konnte, ist der FC Barcelona ausgeschieden. Selbst bei einem Patzer der Nerazzurri gilt, dass die Spanier erst einmal gegen den FC Bayern bestehen müssen. Die Chancen auf das Achtelfinale? Sehr gering. Die Planungen für diese Saison in der Champions League? Waren sicher nicht auf das Achtel-, sondern eher das Viertelfinale oder noch weiter ausgerichtet. Auch finanziell.

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Die finanziellen Sorgen werden wieder größer

Nun lässt sich vieles dadurch erklären, dass Teile der Mannschaft noch jung sind, Xavi kein sehr erfahrener Trainer ist und es zuletzt auch einige Ausfälle gab. Den Finanzen ist das aber egal. Jeder im Klub wusste, wie groß der Druck ist. Jeder wusste, dass der sportliche Erfolg Pflicht ist. Nach außen wird kommuniziert, dass Laporta und co. den FC Barcelona gerettet haben, aber die Wahrheit ist, dass die Zukunft auf wackeligen Beinen steht. Eduard Romeu, beim FC Barcelona für die Finanzen zuständig, zeichnete zuletzt auf der Mitgliederversammlung ein realistisches Bild: Ohne die Aktivierung der „Hebel“ wären insgesamt mehr als 300 Millionen Euro Verlust zustande gekommen. Kurzum: Die Katalanen lebten über ihren Verhältnissen. 

Das englische Medium The Athletic rechnete ausführlich vor, dass ein großer Teil des Problems weiterhin der Kader ist, der einfach zu viel Geld kostet. Nicht alle Spieler, die abgegeben werden sollten, wurden im Sommer verkauft. Die Neuzugänge spielen nun auch nicht für wenig Geld. Hinzu kommt, dass im Zuge der Probleme der letzten Jahre Spielergehälter aufgeschoben wurden, die nun fällig sind. All das fällt in die Bilanz für dieses Jahr. Zig Millionen Euro zu verlieren, weil es nicht gelingt, in er Champions League die Runde der letzten 16 zu erreichen, kommt hier einem Desaster gleich.

Topverdiener wie Gerard Piqué (35) oder Sergio Busquets (34) gehören zu den Spielern, deren Leistungen mindestens schwankend sind. Gerade ersterer lieferte gegen Inter beim 3:3 zuhause eine phasenweise indiskutabel schlechte Partie ab. Die in der letzten Woche veröffentlichten Bilanzen zeigen auch, dass Barcelona anderen Klubs noch immer Ablösesummen schuldet, die Jahre zurückliegen, auch für Spieler, die nicht mehr im Verein sind. Alleine in den nächsten Monaten müssen mehr als 100 Millionen Euro bezahlt werden.

Der Klub plante außerdem mit mehr Einnahmen durch das Sponsoring und Werbung. Zumindest haben die neuen Spieler dafür gesorgt, dass ein größerer Ansturm auf Tickets entstanden ist und die Zuschauerzahlen stiegen. Aber auch hier wird der „Abstieg“ in die Europa League große Auswirkungen haben. Bei der Versammlung war noch nicht einmal die Möglichkeit in Erwägung gezogen worden, dass der FC Barcelona aus der Königsklasse ausscheidet und trotzdem wurde Romeu sehr deutlich: „Wenn wir nicht etwas tun, werden wir mit der derzeitigen Struktur jedes Jahr 200 Millionen Euro verlieren“, sagte er.

FC Barcelona: Die Probleme werden also nicht kleiner

Ein weiterer Rückschlag war der Verkauf von Antoine Griezmann (31) zu Atletico Madrid. Die Colchoneros haben dem Vernehmen nach sehr gut verhandelt, die Ablösesumme liegt bei 20 Millionen Euro, was der Hälfte der ursprünglich vereinbarten Summe in der Kaufklausel entspricht. Dabei sind Einnahmen aus Spielertransfers ebenfalls im Budget festgehalten und eingeplant. Im Sommer sollte ein Kreislauf in Gang gesetzt werden, der hilft, die Probleme Schritt für Schritt anzugehen und zu beheben. Wenige Monate später bröckelt das System aber schon wieder, weil ein sportliches Ziel offenbar nicht erreicht wird und viele direkte Folgen das gesamte Projekt bedrohen.

Was kann der Klub tun? Zunächst einmal dürfte es von großer Bedeutung sein, die Gehälter der Topverdiener, die nicht mehr essenzieller Bestandteil des Kaders sind, einzusparen. Die Verträge von Busquets, Sergi Roberto (30) oder Memphis Depay (28) laufen im Sommer 2023 aus, Piqué ist noch ein Jahr länger gebunden. Lösungen stehen hier also zumindest bevor, doch das alleine reicht nicht. Romeu machte auf der Versammlung schon deutlich, dass weitere Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, um die Situation zu überstehen und vor 2024/25 rechnet er nicht mit einer Normalisierung. Und wie gesagt, diese ist auch wieder an den maximalen sportlichen Erfolg geknüpft. Eine mögliche Option eines weiteren Hebels wäre der Verkauf eines Anteils am Vereinsmuseum, das sehr gut besucht wird.

Ein weiterer, letzter Punkt ist das Renovierungsprojekt des Stadions. Das Camp Nou ist in die Jahre gekommen und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt. Auch hier werden hohe Kosten anfallen. Zudem muss besagtes Vereinsmuseum teilweise schließen, wenn die Baumaßnahmen vorangetrieben werden. Kein Wunder, dass die Stimmungslage zumindest angespannt ist. Wenig überraschend ist vor diesem Hintergrund auch, dass Präsident Laporta zuletzt wieder von der europäischen Super League als „Lösung für den Fußball“ sprach. Der FC Barcelona gilt als einer der größten Befürworter dieses Projekts. Wohl auch, weil es die prekäre Situation zumindest etwas verbessern würde. Eine solche Super League steht aktuell aber nicht in den Startlöchern – und die Zukunft der Katalanen ist von vielen Faktoren abhängig. Rosig sieht sie aktuell jedenfalls nicht aus…

(Photo by Eric Alonso/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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