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La Liga | Atlético Madrid und Diego Simeone: (K)ein Ende einer Ära?

8. Januar 2023 | Trending | BY Victor Catalina

Spotlight | Nach 15 La-Liga-Spieltagen steht Atlético Madrid in La Liga auf Platz vier und ist bereits als Gruppenletzter in der Champions League aus Europa ausgeschieden. Eine Analyse der Probleme unter Diego Simeone und ob sich das Ende der bislang erfolgreichsten Ära andeutet.

Konstanz als Atléticos Hauptptoblem

4.034 Tage. So lange ist Diego Simeone inzwischen bei Atlético im Amt. Am 23. Dezember 2011 wurde er als Nachfolger von Gregorio Manzano vorgestellt. Jener war selbst nur gut vier Monate im Amt, nachdem sich der Verein von Quique Sánchez Flores trennte, unter dem man 2010 in Hamburg die Debütausgabe der Europa League gewann.



Seitdem legte der Verein unter El Cholo einen Aufstieg hin, wie er nur wenigen anderen Klubs in Europa gelang. Kein Jahr im Amt, da lieferte Simeone mit einem 3:0 über den Athletic Club die nächste Europa League ab. 2014 vollbrachte er das Meisterwerk, sich in La Liga gegen die kommenden beiden Champions-League-Sieger durchzusetzen. Er erreichte 2014 und 2016 zweimal das Finale der Königsklasse, wurde 2018 erneut Europa-League-Sieger und 2021 erneut Meister. Aus einem Zweikampf an der Tabellenspitze wurde über die Jahre ein Dreikampf.

Allein, der Erfolg war Simeone und Atlético in jüngerer Vergangenheit nur noch bedingt hold. Zwar qualifizierte man sich wiederholt für die Champions League. Seit 2016 kam Atlético jedoch nicht mehr über das Viertelfinale hinaus. 2019 gab man im Achtelfinale gegen Juventus ein 2:0 aus dem Hinspiel her und verpasste das Finale im eigenen Stadion.

Dabei gelingt es der Mannschaft nur noch selten, ihr komplettes Potential über 90 Minuten abzurufen. Beispielhaft dafür die Champions-League-Partie am 6. Spieltag in Porto. Mehdi Taremi eröffnete nach fünf Minuten. Im Anschluss wurde Atlético zwar druckvoller, wenngleich die letzte Kreativität, Durchschlagskraft und Entschlossenheit beim Herausspielen der Torchancen fehlten. Mitten in diese Phase hinein erlaubten sie sich die nächste defensive Unachtsamkeit, Stefan Savić ließ sich zu einfach von Wenderson Galeno abkochen. Im Zentrum konnte Stephen Eustáquio zum 2:0 einschieben. Erst mit dem Schlusspfiff gelang es, Iván Marcano in den Anschlusstreffer zu zwingen. Da der Club Brügge als bereits feststehender Gruppensieger keine größere Veranlassung hatte, die Partie in Leverkusen unbedingt gewinnen zu müssen und Bayer den Vergleich mit Atlético für sich entschied (2:0, 2:2), blieb für Simeone und die Seinen nur noch der letzte Tabellenplatz.

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Lediglich Félix und Molina an der Spitze: Atléticos Versäumnisse auf dem Transfermarkt

Die Symptome, die Atlético zeigt, sind normalerweise nicht unüblich, wenn ein Trainer bereits so lange im Amt ist, wie Diego Simeone. Schenkt man seinen eigenen Worten Glauben, so hat sich die Beziehung zwischen der Mannschaft und ihm jedoch nicht abgenutzt: „Wenn man sich so lange mit etwas identifiziert, dann liegt das daran, dass man eine Leidenschaft dafür hat. Andernfalls würde man es nicht machen. Ich trete an dem Tag zurück, wenn das nicht mehr da sein sollte. Dann trete ich zur Seite, weil ich nicht weiß, wie man die Hälfte geben soll. Es ist alles – oder nichts“, sagte er vergangenen November DIRECTV.

Dennoch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass Simeone in den entscheidenden Momenten die Lösungen auszugehen scheinen. Das hat jedoch nur teilweise etwas mit ihm und seiner Spielphilosophie zu tun. Schaut man sich an, mit welcher Energie und mit welchem Einsatzwillen Marokko bei der Weltmeisterschaft verteidigt hat und wie Newcastle United momentan die beste Defensive der Premier League stellt, kann man nur schwer argumentieren, dass dieser Spielstil nicht mehr zeitgemäß sei.

La Liga Atlético Madrid

Photo by OSCAR DEL POZO/AFP via Getty Images

Vielmehr liegt Atléticos Tief auch an der Transferpolitik der letzten Jahre. Der Kader hat ein Durchschnittsalter von 28,2 Jahren. João Félix (23) und Nahuel Molina (24) sind die einzigen Profis unter 25 Jahren. Ersterer ist zudem im eher defensiven System Atléticos limitiert. Vier Tore und drei Assists gelangen ihm in bisher 13 La-Liga-Spielen. Álvaro Morata steht bei sechs Treffern und Antoine Griezmann bei fünf. Was dem Team abgeht, ist ein klassischer Torjäger, wie Atlético ihn 2014 in Diego Costa hatte (27 Saisontore) oder mit Luis Suárez 2020/21 (21 Saisontore). Im Mittelfeld fehlt zudem noch immer eine Persönlichkeit, wie es Ex-Kapitän Gabi war, um das Team in den Druckphasen anzukurbeln und einen Spielverlauf wie in Porto zu verhindern.

Die Frage wird sein, wie Atlético in den kommenden Transferperioden reagiert. Für João Félix soll es erste Interessenten geben. Mit diesen Einnahmen könnte man beispielsweise im Rennen um Sofyan Amrabat (26) mitmischen, der in der Lage wäre, dem Team die dringend benötigte Energie aus dem Mittelfeld zu geben und das Atlético-Trademark der letzten Jahre ein Stück weit wiederherzustellen. Die Ansätze und das Potential sind noch immer vorhanden. Es gilt nun, darauf aufzubauen.

Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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