La Liga | Real Madrid muss an die Zukunft denken, die Barcelona schon hat – Erkenntnisse aus dem Clásico

21. März 2022 | Trending | BY Victor Catalina

News | 4:0 gewann der FC Barcelona den Clásico am 29. La Liga-Spieltag im Santiago Bernabéu. Dabei wurde vor allem klar, dass in der Hauptstadt noch nicht alles so königlich ist, wie es scheint. Für Xavi könnte dieser Erfolg ein Meilenstein in seiner noch jungen Trainerkarriere gewesen sein.

Formstarkes Real erlebt Debakel – Barcelona überrascht

Es war ein Ergebnis, das noch lange nachhallen wird. 4:o gewann ein FC Barcelona, dem man bis vor Kurzem noch eine Sinnkrise nachgesagt hat, bei der Mannschaft, die mit dem 3:1 gegen Paris Saint-Germain Europas Schlagzeilen für sich eroberte: Real Madrid. Die Erkentnisse der Partie.

 



 

Real Madrid: Clásico-Debakel als Fingerzeig für die Zukunft

Gerade einmal zwölf Tage ist es her, da saßen die Königlichen noch auf Europas Thron. Ein Thron, in Form eines Plastikklappstuhls, mit dem David Alaba den dritten Treffer von Karim Benzema gegen Paris Saint-Germain bejubelte. Ein Thron, der den Königlichen von einem frechen und unbekümmerten FC Barcelona unter dem Allerwertesten weggezogen wurde.

Real Madrid erlebte ein Debakel, das auf den ersten Blick überhaupt nicht in diese Saison passt. Klarer Vorsprung in La Liga, Gruppensieg plus Viertelfinalqualifikation in der Champions League. Magischer Abend im Santiago Bernabéu gegen eine Mannschaft auf Augenhöhe. Ja, sie sind aus der Copa ausgeschieden. Eingedenk der Tatsache, dass sie den Titel seit 2014 nicht mehr gewinnen konnten oder überhaupt in ein Finale eingezogen sind, hält sich der Schaden hier eher in Grenzen.

Trotzdem ist es ein Debakel mit Ansage. Die Schwächen, die Barcelona an diesem Abend schonungslos offenlegte, bestanden schon die gesamte Saison. Im Hinspiel erarbeitete sich PSG ganze 21:3 Torschüsse, 8:0 aufs Tor, vergab obendrein noch einen Elfmeter. Drei Wochen später konnte Real den Rückstand zwar noch drehen, agierte bis zum Patzer von Gianluigi Donnarumma allerdings reichlich uninspiriert, träge und einfallslos. Zwei weitere Male traf Kylian Mbappé, bevor Real Madrids Aufholjagd begann. Zu diesem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, es sei eine Frage der Zeit, bis auch die kalibrierte Linie nichts mehr einzuwenden hat.

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Als Real Madrid eben jene Zeit davonzulaufen drohte, kam einmal mehr Karim Benzema. In seiner verletzungsbedingten Abwesenheit gelang es Real Madrid kaum, über einen längeren Zeitraum Druck aufzubauen oder zumindest über Konter konstant Gefahr auszustrahlen. Barcelona hatte im Stadion des Rivalen über die komplette Spielzeit die Fäden in der Hand.

Nach Wiederanpfiff stellte Carlo Ancelotti auf eine Dreierkette um. Der Gedanke, das Mittelfeld mit Eduardo Camavinga zu verstärken und so Barcelonas Dominanz zu brechen, war grundsätzlich nicht falsch. Allein, die Idee mit Dani Carvajal dafür einen Defensiven zu opfern, war es. Barcelona boten sich noch mehr Räume, Ferran Torres hätte 30 Sekunden nach Wiederanpfiff zwingend das 0:3 erzielen müssen. Das holte er nur wenig später nach. Als Pierre-Emerick Aubameyang sechs Minuten nach Wiederanpfiff auf 0:4 erhöhte, rückte Casemiro in die Innenverteidigung und die Dreierkette zurück in die Taktikkiste.

Im Anschluss an die Partie nahm Ancelotti die Schuld auf sich: „Manchmal macht man es richtig, manchmal scheitert man. Ich bin in diesem Spiel gescheitert. Aber ich werde kein großes Drama daraus machen.“ Der Klub selbst steht nach wie vor hinter seinem Trainer. Dieses Desaster soll eine bis hierhin gute Saison nicht gänzlich zunichtemachen.

Aber es könnte ein Fingerzeig sein. Ein Fingerzeig, dass Real Madrid an die eigene Zukunft denken muss, solange die Protagonisten des Champions-League-Hattricks noch auf einigermaßen hohem Niveau performen. Mit Vinícius an der Seite von Benzema haben sie das bereits einmal gut hinbekommen. Eduardo Camavinga sollte der nächste sein. Dafür muss Carlo Ancelotti gerade jetzt aus ihm sukzessive eine Alternative, anstatt eines Einwechselspielers machen. Auf der Rechtsverteidigerposition bräuchte es auch noch jemanden, der den am Sonntag enttäuschenden Dani Carvajal herausfordert. Nur so kann Real Madrid sicherstellen, dass sie auch in Zukunft auf Europas Thron sitzen werden.

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FC Barcelona: Xavis zehn Gebote als Grundlage des Erfolgs

Man kann bei weitem nicht sagen, die Fans des FC Barcelona seien nicht leidgeprüft. Jahr für Jahr wurden sie mit teils absurden Ergebnissen aus der Champions League gekegelt. Ihr mit Superstars gespickter Kader enttäuschte. Diese Saison schien anfangs daran anzuknüpfen. Nach dem 0:2 bei Atlético stand Barcelona auf Platz 9.

Schaut man sich den Auftritt im weißen Teil Madrids an, könnte man meinen, zwischen beiden Partien lägen Jahre, nicht wenige Monate. Barcelona spielte nach einem ganz klaren Muster: Hohes Anlaufen, hohes Tempo, Ball und Gegner laufen lassen. „Wir möchten in unserem Team keinen Spieler haben, der nicht mit presst. Pressing ist die Basis unseres Spiels. Das ist nicht verhandelbar“, so Xavi auf der Pressekonferenz.

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Man vertraut ihm und seiner Philosophie komplett und war für den langfristigen Erfolg auch bereit, kurzfristige Rückschläge, wie den Abstieg aus der Champions League, das Aus in der Copa (2:3 n.V. in Bilbao) oder die Clásico-Niederlage im Supercopa-Halbfinale (2:3 n.V.) hinzunehmen. Das allein ist der große Unterschied im Vergleich zu den Vorjahren, als einzig der kurzfristige Erfolg im Vordergrund stand.

Mit der Eingliederung von jungen Spielern wie Pedri, Gavi, Ansu Fati oder Ferran Torres hat Xavi den Katalanen ihre Identität zurückgegeben. Dass es soweit kommt, ist nicht auch zuletzt dem Abgang von Lionel Messi zu verdanken. Jahrelang war in Barcelona von der „Messidependencia“, der Abhängigkeit von Messi die Rede. Wie sollte die Mannschaft aussehen, wenn er irgendwann nicht mehr da ist? Als genau das eintrat, waren die jüngeren Spieler gezwungen, mehr Verantwortung zu übernehmen und eine neue Hierarchie zu bilden.

Grundlage dafür waren auch zehn Regeln, die Xavi bei seiner Ankunft aufgestellt hat:

  • Spieler müssen 90 Minuten vor Trainingsbeginn erscheinen
  • Staff muss 120 Minuten vor Trainingsbeginn erscheinen
  • Spieler dürfen 48 Stunden vor einer Partie nicht später als Mitternacht aufbleiben
  • Rückkehr der Geldstrafen
  • Doppelte Geldstrafen für Wiederholungstäter
  • Spieler müssen am Vereinsgelände zu Mittag essen
  • Spieler müssen immer am Maximum performen
  • Verbot von Hochrisikoaktivitäten
  • Aktivitäten der Spieler außerhalb des Feldes werden überwacht
  • Spieler müssen den Verein in einer positiven Art und Weise repräsentieren

Diese Disziplin merkt man der Mannschaft unter Xavi in jeder Partie an. Sie kämpfen miteinander und füreinander und sie kämpfen und spielen solange, bis sie haben, was sie wollen. Bestes Beispiel ist das schwierige Auswärtsspiel bei Galatasaray (2:1).

Die Partie im Bernabéu könnte auch für Xavi selbst ein Meilenstein in seiner noch jungen Trainerkarriere gewesen sein. Bei seiner Vorstellung vergangenen November stand die Frage im Vordergrund, ob er – trotz großer Meriten auf dem Platz – nicht droht, im katalanischen Chaos verbrannt zu werden. Spätestens dieser Abend dürfte ihn, die Mannschaft und auch den Vorstand um Sportdirektor Mateu Alemany und Präsident Joan Laporta im aktuellen Kurs bestätigt haben. Es scheint, als liege vor den leidgeprüften Barcelona-Fans eine äußerst aufregende Zukunft.

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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