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Viel Lille und kein Neymar: Die Ligue 1 „Elf der Saison“

28. Mai 2021 | Trending | BY Lukas Heigl

Spotlight ǀ Die Ligue 1 ist beendet und nach Saisonschluss ist es traditionell an der Zeit, die Elf der Saison zu nominieren. Wir stellen euch unsere Mannschaft vor, eine Startelf plus neun Ersatzspieler!

  • LOSC Lille dominiert die Elf der Saison
  • Neymar fehlt aufgrund zu weniger Einsätze
  • Kaum Spieler außerhalb der ersten Vier dabei

Tor: Mike Maignan (LOSC Lille)

Mike Maignan (25) spielte eine nahezu fehlerfreie Saison. Nicht zuletzt wegen ihm stellt Lille die mit weitem Abstand beste Defensive der Liga. Maignan hat fast genauso viele Zu-Null-Spiele wie Gegentreffer, 23 Gegentreffer stehen 21 Spielen ohne Gegentor gegenüber. In Sachen Fangquote liegt der Franzose ligaweit auf Platz zwei (79,6%), bei den expected Goals sogar auf Platz eins (4,6 Gegentore weniger als erwartet). Eine weitere Stärke ist das Abfangen von hohen Bällen. Mit 1,91 Metern hat Maignan Gardemaß, und das zeigt er immer wieder.

 

Dies alles könnte durchaus dazu führen, dass Maignan als Nummer Eins der Franzosen zur Europameisterschaft fährt. Seit Sommer 2019 gehört er zum Kreis der Nationalmannschaft. Bisher stand Maignan, der zu AC Milan wechselt, dort nur einmal auf dem Feld. Doch seine Entwicklung der letzten Monate dürfte auch Nationaltrainer Didier Deschamps (52) nicht verborgen geblieben sein.

Linksverteidiger: Caio Henrique (AS Monaco)

Im Februar 2016 mit gerade einmal 18 Jahren von Atletico Madrid verpflichtet, galt Caio Henrique (23) in seinen Jugendjahren als ein Ausnahmetalent auf seiner Position. Der Linksverteidiger kam jedoch nie wirklich in Spanien an, lediglich ein Einsatz in der ersten Mannschaft der Rojiblancos stand nach viereinhalb Jahren zu Buche. Die meiste Zeit verbrachte Henrique per Leihe in seiner Heimat Brasilien. Dort wurde die AS Monaco auf den 1,79 Meter großen Linksfuß aufmerksam und verpflichtete ihn im Sommer 2020 für acht Millionen Euro.

Und was soll man sagen, Henrique übertraf gleich in seiner ersten Saison sämtliche Erwartungen. Defensiv ist der Brasilianer giftig im Zweikampf, gleichzeitig aber auch taktisch gut geschult, sodass er keine wilden Sachen macht, die der eigenen Mannschaft schaden würden. Seine Stärke hat der Brasilianer klar in der Offensive. Fünf Vorlagen sprechen eine deutliche Sprache, ob seiner Offensivstärke wird Henrique auch immer wieder im Mittelfeld eingesetzt.

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Innenverteidigung: Jose Fonte (LOSC Lille)

Jose Fonte (37) ist ein echtes Phänomen. In England fiel der Portugiese nie als übermäßig begabter Innenverteidiger auf. 2018 erklärten die meisten Experten seine Karriere für quasi beendet, als Fonte von West Ham United nach China wechselte. Nur ein halbes Jahr später kam er zurück nach Europa, genauer nach Lille. Hier zeigt Fonte inzwischen im dritten Jahr in Folge herausragende Leistungen.

Das Erstaunliche ist neben den grundsätzlichen Leistungen, dass Fonte diese jedes Jahr neben einem anderen Nebenmann bringt. 2018/19 stand neben ihm Adama Soumaoro (28), 2019/20 Gabriel Magalhaes (23) und in dieser Saison Sven Botman (21). Jeden von ihnen machte der Kapitän mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art besser.

Innenverteidigung: Kiki Kouyate (FC Metz)

Ein Spieler, der in der allgemeinen Wahrnehmung etwas unter dem Radar fliegt, ist Kiki Kouyate (24). Der Malier kam im vergangenen Sommer aus Troyes nach Metz und hat sich seither extrem gut entwickelt. Die Stäken des 1,92 Meter großen Verteidigers liegen ganz klar im verteidigen. Fußballerisch muss Kouyate noch viel lernen, doch wenn es darum geht, das eigene Tor zu verteidigen, macht ihm kaum jemand etwas vor.

Photo: Imago

Starke 4,8 Bälle gewinnt der Innenverteidiger pro Spiel, klärt unglaubliche 5,2 Situationen (Ligaspitze). Ausbaufähig ist wie bereits gesagt sein Spiel mit dem Ball (80% Passquote). Dazu ist Kouyate noch recht anfällig, unnötige Foulspiele zu begehen. Sollte er diese beiden Schwächen abstellen, was ihm absolut zuzutrauen ist, werden wir den 24-Jährigen womöglich bald bei einem größeren Verein sehen.

Rechtsverteidiger: Zeki Celik (LOSC Lille)

Einer der dienstältesten Spieler bei Lille ist Zeki Celik (24). Der Türke kam 2018 nach Nordfrankreich und hat sich inzwischen zu einem der besten Rechtsverteidiger in ganz Europa entwickelt. Celik vereint defensive Stabilität mit Offensivkraft. Vor allem die drei Tore sind für einen Außenverteidiger eine echte Hausnummer.

Auch in der Nationalmannschaft ist Celik inzwischen eine feste Größe und mitverantwortlich dafür, dass die Türkei bei der anstehenden Europameisterschaft von manchen Experten sogar als Geheimfavorit genannt werden. Die größte Schwäche ist, dass der Rechtsverteidiger noch zu oft unnötige Foulspiele begeht. Sollte er hieran noch arbeiten, wird sein Weg in den kommenden Jahren unweigerlich zu einem absoluten Topteam führen.

Defensives Mittelfeld: Aurelien Tchouameni (AS Monaco)

Ein Platz im defensiven Mittelfeld geht ganz klar an Aurelien Tchouameni (21). Der junge Franzose, der 2019 aus Bordeaux ins Fürstentum wechselte, entwickelte sich im Laufe der Saison zu einem der besten Spieler auf seiner Position. Die Entwicklung verlief zeitlich parallel zu der der gesamten Mannschaft, wodurch man durchaus argumentieren kann, dass Tchouameni einer der Hauptgründe für die extrem starke zweite Tabellenhälfte der Monegassen war.

 

Tchouameni führte seine Mannschaft bei den gewonnenen Zweikämpfen und den abgefangenen Pässen pro Spiel an. Dazu absolvierte der Franzose für einen defensiven Mittelfeldspieler starke 1,3 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten, was Platz zwei in dieser Statistik bedeutet. Für einen Platz im Europameisterschaftskader hat es zwar nicht gereicht, doch wenn seine Entwicklung so weitergeht wie zuletzt, wird er über kurz oder lang eine feste Größe in Frankreichs Auswahl werden.

Defensives Mittelfeld: Benjamin Andre (LOSC Lille)

Benjamin Andre (30) ist einer dieser Spieler, die für jede Mannschaft extrem wertvoll sind. Unauffällig, aber wenn man sich die Zahlen ansieht, doch überragend. Andre war nur an einem Tor beteiligt und dennoch hat er den Laden in Lille zusammen gehalten. Er führte die Mannschaft bei den Balleroberungen, den gewonnen Zweikämpfen und den Dribblings pro Spiel an.

Der Franzose war sich auch nicht zu schade dafür, zu foulen, wenn es nötig war. Vor allem aufgrund vieler kluger taktischer Fouls fehlte Andre gleich zweimal gelbgesperrt. Die Sperren waren jedoch auf jeden Fall das geringere Übel, viele seiner zehn gelben Karten verhinderten große Torchancen für die Gegner.

Linksaußen: Kylian Mbappe (PSG)

Kylian Mbappe (22) ist der einzige Spieler von Vizemeister PSG in der Elf der Saison. Der junge Franzose sicherte sich zum dritten Mal in Folge den Titel des Torschützenkönigs. 27 Tore in 31 Spielen ist erneut eine außergewöhnliche Quote und zeigt einmal mehr, dass Mbappe schlicht zu gut für die Liga ist. In den letzten drei Jahren kommt er auf 1,26 Torbeteiligungen pro Spiel.

 

Ob Mbappe auch kommende Saison noch in Paris spielt, ist noch nicht abschließend geklärt. Zwar betonen die Verantwortlichen immer wieder, dass man ihn nicht abgeben möchte, auf der anderen Seite läuft der Vertrag des Franzosen im Sommer 2022 aus.

Rechtsaußen: Florian Thauvin (Olympique Marseille)

Der einzige Spieler aus Marseille, der es in die Mannschaft geschafft hat, ist Florian Thauvin (28). Der Außenbahnspieler hielt die Mannschaft aus Südfrankreich vor allem in der Hinrunde quasi im Alleingang auf Europa-League-Kurs. Acht Tore und acht Vorlagen sind eine beachtliche Beute. In der Rückrunde bekam er Unterstützung von Arkadiusz Milik (27) und Dimitri Payet (34), über die ganze Saison gesehen war Thauvin jedoch klar der beste Spieler.

Das zeigen auch die Statistiken. Thauvin führt die Mannschaft bei den Abschlüssen und Dribblings an, bei den Key-Pässen lag er hinter Payet auf Platz zwei. Auch verstand er es immer wieder, geschickt Fouls in aussichtsreicher Position zu ziehen (1,5 gezogene Fouls pro Spiel). Im Sommer kehrt der Flügelspieler der heimischen Liga den Rücken und wechselt etwas überraschend nach Mexiko.

Stürmer: Memphis Depay  (Olympique Lyon)

Der einzige Spieler der Liga, der sowohl zweistellig treffen als auch vorlegen konnte, war Memphis Depay (27). Der Niederländer spielte eine herausragende Saison, 20 Treffer und zwölf Vorlagen sprechen eine deutliche Sprache. Der Kapitän ging auch unabhängig seiner Torbeteiligungen immer voran und war ein echter Anführer.

 

 

Wo der Weg Depays, dessen Vertrag ausläuft, ab Sommer hinführt, ist noch nicht klar. Lange galt der FC Barcelona als erste Option für einen ablösefreien Wechsel, seit einigen Tagen mehren sich die Zweifel an einem Wechsel nach Spanien. Es bleibt spannend, wo wir einen der besten Spieler der französischen Liga kommende Saison sehen werden.

Stürmer: Wissam Ben Yedder (30, AS Monaco)

20 Tore, acht Vorlagen. Das ist die starke Bilanz von Wissam Ben Yedder (30). Seine Stärken hat der französische Nationalspieler ganz klar im Strafraum. Neben dem Abschluss hat er jedoch auch das Auge und die Technik, um seine Nebenleute einzusetzen. Das größte Manko war, dass Ben Yedder es nicht schaffte, körperlich fit zu sein. Nur acht Spiele stand er über die volle Distanz auf dem Feld, in den übrigen musste er aufgrund mangelnder Fitness frühzeitig ausgewechselt werden.

Der Nebenmann, der am meisten von Ben Yedder profitierte, war Kevin Volland (28). Der deutsche Nationalspieler hat es ganz knapp nicht in die Elf gepackt, vor allem, weil Ben Yedder als Kapitän noch einmal einen Tick wichtiger für die Monegassen war. Die Leistungen von Volland waren mit 16 Treffern und acht Assists genauso stark.

Die Bank – Yilmaz und Navas knapp nicht in der Startelf

Navas knapp hinter Maignan, Aguilar hinter Celik

Eine sehr gute Saison spielte auch Torhüter Keylor Navas (34) von PSG. Der Costa Ricaner war wohl der konstanteste Spieler des Vizemeisters, in 29 Spielen blieb er 16 mal ohne Gegentreffer, zeigte zudem einige wichtige Paraden und hielt den ein oder anderen Punkt fest.

Über Monacos Rechtsverteidiger Ruben Aguilar (28), der seit 2019 im Fürstentum spielt, lässt sich im Prinzip dasselbe sagen wie über Henrique. Auch die Stärken des Franzosen liegen eher in der Offensive, auch er agierte deshalb regelmäßig im Mittelfeld, auch er ist defensiv stabil. Seine starke Saison sorgte sogar dafür, dass er im November erstmals zur Nationalmannschaft berufen wurde. An der Europameisterschaft wird er – etwas überraschend – nicht teilnehmen, in den nächsten Jahren sollte er jedoch eine Option sein.

Lille noch dreimal, Lyon noch zweimal vertreten

Sven Botman (21) agierte in seiner ersten Saison bei Lille sehr stark. Der Niederländer ergänzte sich mit Fonte und Maignan mehr als gut. Als Linksfuß mit starkem Spielaufbau dürfte Botman nicht allzu lange in Lille verweilen, vor allem den Tottenham Hotspur wird großes Interesse nachgesagt, womöglich verlässt er Lille bereits diesen Sommer.

Ebenfalls eine extrem starke Debütsaison in Lille spielte Burak Yilmaz (35). Der Türke verließ erstmals die Heimat und schlug voll ein. 16 Treffer und fünf Vorlagen sind mehr als beachtlich. Vor allem im Endspurt der Saison war Yilmaz überragend. An den Spieltagen 34 bis 36 erzielte er fünf Treffer, im vorentscheidenden Spiel gegen Lyon (3:2) führte er Lille nahezu im Alleingang zum Sieg (zwei Tore, eine Vorlage).

Seine zweite Saison in Lille spielte Reinildo Mandava (27). Der Linksverteidiger kam 2019 aus Portugal und komplettierte die überragende Defensive der Doggen. Der Mosambiker hat seine Stärken in der Verteidigung, keine einzige Torbeteiligung ist kein Zufall. Dennoch gehört er mit in die Aufzählung, zu stark war die Abwehrleistung, um hier nicht genannt zu werden.

Für Bruno Guimaraes (23) war es die erste echte Saison in Europa. Der Brasilianer kam im Januar 2020 aus der Heimat nach Lyon, nach nur drei Ligaspielen machte ihm Corona das Durchstarten unmöglich. Das hat er diese Saison nachgeholt. Im defensiven Mittelfeld ist Guimaraes gesetzt, übernimmt vor allem defensive Aufgaben, gegen Ende der Saison traute er sich auch offensiv mehr zu.

 

Ein weiterer Spieler, den Lyon im Januar 2020 holte, war Karl Toko Ekambi (28). Der Kameruner kam per Leihe mit Kaufoption aus Villarreal, die Option wurde im Sommer gezogen. Vor allem Mitte der Saison blühte der Linksaußen auf. Von Spieltag sieben bis Spieltag 17 traf Toko Ekambi neunmal und legte fünf Treffer auf. Insgesamt kam er auf starke 14 Treffer und sieben Vorlagen.

Delort stellvertretend für Montpelliers Sturmduo

Das Sturmduo von Montpellier HSC, Andy Delort (29) und Gaetan Laborde (27), überraschte in dieser Saison sämtliche Experten. Die Angreifer kamen auf 24 Torbeteiligungen und waren dermaßen gut drauf, dass sich eigentlich beide einen Platz in dieser Mannschaft verdient hätten. Die Verteilung war sehr ähnlich: Delort kam auf 15 Tore und neun Vorlagen, Laborde auf 16 Treffer und acht Assists. Die Wahl fiel auf Delort, da er für seine Torbeteiligungen deutlich weniger Spiele brauchte (30 zu 38). Es wird spannend zu beobachten sein, ob die Beiden diese Leistungen auch in der kommenden Saison abrufen können.

Honerable Mentions:

Drei Spieler, die aufgrund von Verletzungen zu wenige Einsätze in dieser Saison hatten und deshalb keinen Platz in der Mannschaft gefunden haben, sind Neymar (29), Marco Verratti (28) und Aleksandr Golovin (24).

Neymar fiel immer wieder aufgrund kleinerer Verletzungen aus und absolvierte schlussendlich nur 18 Spiele. Golovin verpasste weite Teile der Hinrunde aufgrund einer Oberschenkelverletzung, der Russe nahm an 21 Spielen teil. Die Leistungen der beiden waren in dieser Zeit überragend, Neymar sammelte 15 Torbeteiligungen (neun Treffer, sechs Vorlagen), Golovin 14 (fünf Tore, neun Assists). Verratti hatte genauso wie Neymar viele kleinere Blessuren. Wenn der Italiener dabei war, war er jedoch nahezu jedes Mal der beste Spieler auf dem Platz. Er führte die Mannschaft bei den Ballgewinnen und Dribblings an. Dazu spielte Verratti für einen defensiven Mittelfeldspieler starke 1,1 Key-Pässe pro Spiel.

Photo: Imago

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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