U21-EM: Spanien und England dominieren – Die 90PLUS-Elf des Turniers
10. Juli 2023 | U21 EM 2023 | BY Steven Busch
Die mit Spannung erwartete U21-Europameisterschaft in Georgien und Rumänien hat mit England – 1:0-Erfolg im Finale gegen Spanien – ihren verdienten Sieger gefunden. In allen sechs Partien blieben die „Young Lions“ ohne Gegentreffer. Dementsprechend finden sich auch mehrere Akteure aus der Mannschaft von Trainer Lee Carsley in der 90PLUS-Elf des Turniers wieder. Nach dem überraschenden Vorrunden-Aus als Titelverteidiger sind folgerichtig keine Spieler des DFB-Kaders in diesem Ensemble vertreten.
U21-EM: Die Elf des Turniers
Tor:
James Trafford (20 Jahre/ Nation: England/ Verein: Manchester City (zuletzt ausgeliehen an die Bolton Wanderers))
Der englische Torhüter James Trafford schwang sich durch den in der Nachspielzeit parierten Strafstoß zum Helden des Finales der U21-EM auf. Dank dieser heroischen Rettungsaktion hielt der 1,92 m große Schlussmann nicht nur den 1:0-Erfolg der „Young Lions“ fest, sondern gleichzeitig glückte ihm das Kunststück, in allen sechs Partien ohne Gegentreffer zu bleiben. In Summe stehen starke 15 Paraden für den letzte Saison an die Bolton Wanderers ausgeliehenen Ballfänger zu Buche.
Überdies zeichnete sich der 20-Jährige durch beeindruckende Reflexe – exemplarisch die geistesgegenwärtige Reaktion beim Stand von 1:0 im Halbfinale gegen Israel – und eine hohe Konzentrationsfähigkeit aus. Seinem Ruf als Elfmeterkiller wurde Trafford spätestens im Endspiel gerecht. Angesichts dieser Performances wird sich der talentierte Torwart nicht mehr mit der Rolle als U21-Keeper beim Champions-League-Sieger Manchester City zufriedengeben, sondern demnächst für kolportierte 22 Millionen Euro zum Premier-League-Aufsteiger FC Burnley wechseln.
Abwehr:
Victor Gómez (23 Jahre/ Nation: Spanien/ Verein: SC Braga)
In der ersten Partie gegen Rumänien wurde Victor Gómez noch als Joker eingesetzt, fortan war der umtriebige Rechtsverteidiger im Spiel der „Furia Rojita“ jedoch unverzichtbar. Der 23-jährige Spanier überzeugte mit enormer Ballsicherheit und präzisem Passspiel (87 Prozent angekommene Zuspiele). Aufgrund seiner bestechenden Technik kann der 1,69 m große Akteur selbst gefährliche Szenen kreieren. Sinnbildlich dafür stehen die beiden Torvorlagen gegen Rumänien und die Ukraine.
Die maßgenauen Hereingaben von der rechten Seite haben sich während der U21-EM zur echten Waffe entwickelt. Sporting Braga verpflichtete Gómez, nach einer Saison als Leihspieler, zum Schnäppchenpreis von zwei Millionen Euro von Espanyol Barcelona. Sollte der Wirbelwind seine Darbietungen im Verein konstant bestätigen, werden die portugiesischen „Arcebiscos“ (Erzbischöfe) nicht der letzte Klub in der fußballerischen Vita bleiben.
Maksym Taloverov (23 Jahre/ Nation: Ukraine/ Verein: Slavia Prag (zuletzt ausgeliehen an den LASK))
Eine DER Entdeckungen der U21-EM ist der ukrainische Innenverteidiger Maksym Taloverov. Der 1,96 m große Abwehrhüne – durchschnittlich 80 Ballaktionen – brachte sensationelle 93 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler. Des Weiteren sprechen 4,3 Klärungsaktionen pro Partie für den aufopferungsvollen Charakter des 23-jährigen Blondschopfs.
Taloverov verstrickt sich selten in direkte Duelle, sondern agiert als moderner Defensivakteur mit starkem Stellungs- und Aufbauspiel. Zudem kommt der Profi des tschechischen Traditionsklubs Slavia Prag fast gänzlich ohne Fouls aus. Bisweilen ist seine Zweikampfquote noch ausbaufähig (knapp 50 Prozent gewonnen). Vielleicht sieht man den Ukrainer demnächst in der deutschen Fußball-Bundesliga: Werder Bremen und Eintracht Frankfurt wird Interesse attestiert.
Taylor Harwood-Bellis (21 Jahre/ Nation: England/ Verein: Manchester City (zuletzt ausgeliehen an den FC Burnley))
Englands Kapitän Taylor Harwood-Bellis hat in den letzten Jahren einen echten Leih-Marathon hinter sich gebracht (Blackburn Rovers, RSC Anderlecht, Stoke City, FC Burnley), da er (bislang) keinen Platz im Starensemble der „Cityzens“ unter Pep Guardiola findet. Sofern der katalanische Chefcoach jedoch die Darbietungen des 21-jährigen Innenverteidigers bei der U21-EM beäugt hat, wird in näherer Zukunft kein Weg mehr an ihm vorbeiführen.
Harwood-Bellis brachte neun von zehn Zuspielen an den Mann. 86 (!) Prozent der Boden-Zweikämpfe gewann das Kraftpaket aus Stockport. Im Viertelfinale gegen Portugal (1:0) avancierte er zum Turm in der Abwehrschlacht. Mitunter haben die Defensiv-Sequenzen des 1,88 m großen City-Eigengewächses jedoch noch einen unorthodoxen Charakter.
Juan Miranda (23 Jahre/ Nation: Spanien/ Verein: Betis Sevilla)
Der Ex-Schalker Juan Miranda – als Barca-Leihgabe in der Saison 2019/20 für die Königsblauen aktiv – konnte bei der U21-EM als Linksverteidiger zwei Tore verbuchen. Mit seinem 2:1-Treffer aus der Distanz, in der Verlängerung des Viertelfinales gegen die Schweiz, wurde der 23-Jährige zum spanischen Matchwinner. Daneben sorgte der 1,85 m große Profi des La-Liga-Klubs Betis Sevilla mit seinem großen Offensivdrang respektive Aktionsradius für Gefahr.
75,8 Ballaktionen pro Spiel sind für Miranda notiert. Genau wie sein Pendant auf der rechten Seite – Victor Gómez – brachte er während der Endrunde in Rumänien und Georgien starke 87 Prozent der Pässe an den Mann. Gelegentlich agiert der Spanier noch zu ungestüm in der Zweikampfführung.
Mehr News und Storys aus der Welt des Fußballs gibt es hier…
Mittelfeld:
Alejandro Baena (21 Jahre/ Nation: Spanien/ Verein: FC Villarreal)
Ein Tor per Direktabnahme beim 3:0 gegen Rumänien erzielte Alejandro Baena während der U21-Endrunde in Rumänien und Georgien. Generell probiert der Spanier sein Offensiv-Glück häufig per Distanzschuss. Überdies ist der 21-jährige Akteur des FC Villarreal – für den sich der FC Barcelona stark interessieren soll – für seine giftige Spielweise (fünf direkte Zweikämpfe pro Begegnung), geprägt von vielen Nickligkeiten, bekannt.
Spätestens nach der unschönen Geschichte – inklusive blauem Auge – mit Reals Fede Valverde hat Baena den Ruf als „Bad Boy“ auf der iberischen Halbinsel inne. Wenn sich der zentrale Mittelfeldspieler jedoch auf seinen unzweifelhaften sportlichen Fähigkeiten konzentriert, dann wird er, wie bei „Furia Rojita“, zum echten Leader.
Artem Bondarenko (22 Jahre/ Nation: Ukraine/ Verein: Shakhtar Donetsk)
Im ukrainischen Überraschungsteam war Kapitän Artem Bondarenko der unumstrittene Virtuose im offensiven Mittelfeld. Eine Vorlage (gegen Kroatien) sowie zwei eigene Treffer in den Duellen mit Frankreich und Spanien stehen für den 22-Jährigen zu Buche. Insbesondere das Tor gegen die „Équipe Tricolore“ – gefühlvoller Lupfer nach fantastischem Dribbling – gehörte ohne Frage zu den schönsten Szenen der U21-EM.
Im Durchschnitt hatte Bondarenko 77,5 Ballaktionen und war häufig nur durch Fouls zu stoppen. Grundsätzlich scheute der 1,82 m große Athlet, im Vereinsleben für Shakhtar Donetsk aktiv, keinen Zweikampf (5,5 pro Partie), von denen der körperlich robuste Ukrainer erstaunlich viele erfolgreich bestritt.
Morgan Gibbs-White (23 Jahre/ Nation: England/ Verein: Nottingham Forest)
Obwohl Morgan Gibbs-White beim 1:0-Finalerfolg gegen Spanien spät mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen wurde, führt kein Weg an der Berufung des Spielgestalters in diese Auflistung vorbei. Zu prägend war der Profi von Nottingham Forest (Vertrag bis 2027) im Gefüge der „Young Lions“. Der omnipräsente Virtuose mit der Rückennummer 7 zieht gerne von der Außenbahn nach Innen oder versucht sich im Dribbling.
In der Melange mit den präferierten riskanten Zuspielen resultiert daraus für den 1,78 m großen Shootingstar eine recht niedrige Passquote (78 Prozent) sowie zahlreiche Ballverluste (14,4 pro Partie). Jedoch überwiegen bei Gibbs-White die positiven Faktoren. Im Durchschnitt 2,6 Key-Pässe sind ein herausragender Wert. Drei Assists sowie ein eigener Treffer können als valides Argument für die Importanz des talentierten Engländers dienen.
Rayan Cherki (19 Jahre/ Nation: Frankreich/ Verein: Olympique Lyon)
Das OL-Eigengewächs Rayan Cherki gilt branchenintern bereits seit vielen Jahren als DAS Zukunftsversprechen des französischen Fußballs. Dass der begnadete Flügeldribbler, trotz namhafter Interessenten aus dem In- und Ausland, aber immer noch in Lyon spielt (Vertrag bis 2025), belegt den aktuellen Status des Rohdiamanten. Bei der U21-EM verzauberte der 19-Jährige die BeobachterInnen jedoch mit seiner außergewöhnlichen Qualität.
Zunächst als Edeljoker ins Turnier gestartet, wurde der nonchalante Techniker schnell zum unverzichtbaren „Les Bleus“-Leistungsträger. Von seinen 20 Dribblings gewann der Franzose starke 75 Prozent und war überdies oftmals nur mit Fouls zu stoppen. Häufig suchte Cherki den eigenen Abschluss, belegt durch 2,8 Schüsse pro Partie. Zwei Tore – eins nach fantastischer Körpertäuschung im Viertelfinale gegen die Ukraine – waren dem Youngster während der Endrunde vergönnt.
Sergio Gómez (22 Jahre/ Nation: Spanien/ Verein: Manchester City)
Als frisch gebackener Champions-League-Sieger mit Manchester City durfte Sergio Gómez bei der U21-EM seine hohe Qualität präsentieren. Im Vergleich zum Verein wurde der Ex-BVB-Profi im Kreise der „Furia Rojita“ deutlich offensiver eingesetzt. Der 22-jährige Spanier – derzeit beim Premier-League-Aufsteiger FC Burnley im Gespräch – untermauerte seinen Ruf als exzellenter Standardschütze bereits im ersten Spiel gegen Rumänien, als er per Freistoß zum 3:0-Endstand traf.
Es sollten je zwei weitere Treffer (Schweiz, Ukraine) und Assists (Rumänien, Kroatien) folgen. Mit fünf Scorerpunkten gehört der technisch herausragende Gómez – der in Sachen Effizienz deutlich zugelegt hat – zu den Top-Spielern der Endrunde. Des Weiteren sind 2,2 Key-Pässe pro Partie für die linke Außenposition ein statistisch überzeugender Wert.
Angriff:
Abel Ruiz (23 Jahre/ Nation: Spanien/ Verein: SC Braga)
Im Finale gegen England wurde Abel Ruiz durch seinen verschossenen Elfmeter in letzter Minute zum tragischen Helden. Nichtsdestotrotz darf sich der Mittelstürmer des SC Braga mit dem Titel des (geteilten) Torschützenkönigs der U21-EM schmücken. Während dem 23-Jährigen im Verein die Effizienz bisweilen abgeht, trifft er im Trikot der „Furia Rojita“ fast nach Belieben. Drei Tore gegen Kroatien und die Ukraine (je einmal in der Vorrunde sowie im Halbfinale) und zwei Vorlagen gegen die Schweiz und Ukraine belegen seine Klasse.
Zudem darf sich Ruiz seit dem 24. Juni 2023 als Rekordhalter bezeichnen: Sein Treffer nach 20 Sekunden gegen Kroatien war zugleich das schnellste Tor in der Historie der U21-Europameisterschaft. Damit löste der 1,82 m große Angreifer den DFB-Kicker Florian Wirtz ab. Der Spanier nimmt sich außerhalb der gefährlichen Sequenzen zumeist schöpferische Pausen, ist im entscheidenden Moment jedoch eiskalt zur Stelle beziehungsweise hat den Blick für den besser postierten Mitspieler.
Die 90PLUS-Elf des Turniers im Überblick:
Trafford – Victor Gómez, Taloverov, Harwood-Bellis, Miranda – Baena, Bondarenko, Gibbs-White – Cherki, Ruiz, Sergio Gómez
(Photo by VANO SHLAMOV/AFP via Getty Images)
Steven Busch
Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.