Abstiegscheck der Premier League Teil 3: FFP bedroht Everton, Luton & Sheffield im Aufwind?
15. November 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl
Auch in dieser Saison wollen wir euch regelmäßig über die Geschehnisse im Abstiegskampf der Premier League auf dem Laufenden halten. Bereits jetzt wirkt es so, als würden nur vier, maximal fünf Mannschaften um den Klassenerhalt kämpfen müssen – auch eventuell doch noch unerwartet Everton.
Everton FC – FFP als Damoklesschwert
Den Auftaktmacht eine Mannschaft, die sportlich eigentlich kaum noch etwas mit dem Abstiegskampf zu tun hat. Die Toffees sammelten in den letzten Wochen fleißig Punkte. Seit der letzten Länderspielpause gab es in vier extrem schweren Partien (Liverpool, West Ham, Brighton und Crystal Palace) starke sieben Punkte. Dadurch haben die Toffees bereits 14 Punkte auf dem Konto und acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Auf dem Feld könnte es also kaum besser laufen für das Team von Trainer Sean Dyche (52). Doch der Verein hat Probleme außerhalb des Platzes, die im Extremfall dazu führen könnten, dass Everton einen Punktabzug von bis zu zwölf Punkten kassiert. Sollte dies so sein, rutscht man ganz schnell wieder mitten rein in den Abstiegskampf.
Grund hierfür sind Ermittlungen der FA aufgrund möglicher Verstöße gegen das englische Financial Fairplay. Im Gegensatz zu seinem europäischen Pendant wird das englische FFP auch durchaus angewandt, zuletzt kassierten vor allem Vereine aus der zweiten und dritten Liga immer wieder empfindliche Strafen. Everton ist aufgrund deutlich zu hoher Ausgaben in den letzten Jahren ins Fadenkreuz der Ermittler geraten.
Seit der Übernahme 2016 von (Noch-)Besitzer Farhad Moshiri (68), der den Verein aktuell an das Konsortium 777 Partners verkaufen will, wurde bis 2021 ein Transferminus von 276 Millionen Euro angehäuft und die Gehaltskosten immer mehr in die Höhe getrieben. Am Ende gab man über 90% des Umsatzes für Gehälter aus, was ein viel zu hoher Wert ist. Die Transferausgaben wurden alle fast ausschließlich durch Moshiri selbst finanziert, was nicht erlaubt ist. Eine Strafe ist also wahrscheinlich, ob es zum Punktabzug kommen wird, muss man sehen.
AFC Bournemouth – Wichtiger Sieg gegen dezimiertes Newcastle
Die Cherries sind deutlich tiefer im Abstiegskampf als zunächst gedacht. Individuell hat der Kader inzwischen einige Spieler, die eher „Tabellenmittelfeld“ als Anspruch haben sollten. Doch die Umstellung hin zu einem attraktiveren Spielstil dauert eben seine Zeit. Und so hat Bournemouth bisher nur neun Punkte auf dem Konto. Ganz wichtig war dabei der Sieg am vergangenen Wochenende gegen Newcastle (2:0). Das auf den ersten Blick seltsame Ergebnis relativiert sich dabei ein bisschen dadurch, dass bei Newcastle sechs Stammspieler und weitere vier Rotationsspieler fehlten. Bournemouth dürfte es egal sein, wie die Punkte zustande kommen, ist im Abstiegskampf nur bedingt relevant.
Grund für die immer noch sehr wackligen Auftritte ist neben der Umstellung der Spielweise, dass der vor der Saison als klarer Schlüsselspieler ausgemachte Tyler Adams (24) nach wie vor fehlt. Der US-Amerikaner wird aufgrund einer Oberschenkelverletzung auch noch länger ausfallen. Ursprünglich war geplant, dass er Anfang Oktober zurück hätte sein sollen, doch es gab einen Rückschlag im Heilungsprozess. Adams wird wohl erst im März auf dem Platz stehen. Bei einem Spieler seiner Qualität und ohne echtem Backup im Kader natürlich extrem tragisch für die Bournemouth. Dass aktuell auch noch Torhüter und Kapitän Neto (34) ausfällt, hilft Trainer Andoni Iraola (41) natürlich auch nicht gerade.
Luton Town – Bringen zwei ablösefreie Spieler die nötige Erfahrung?
Die Hatters sammeln weiterhin mehr Punkte als vor der Saison erwartet. Das auf dem Papier mit weitem Abstand günstigste Team holte seit der letzten Länderspielpause trotz eines schweren Spielplans immerhin zwei Punkte (2:2 in Nottingham und 1:1 gegen Liverpool). Vor allem das Remis gegen Liverpool war beeindruckend, sah man den qualitativen Unterschied zwischen den Mannschaften über weite Strecken der Partie kaum. Dass man die Führung am Ende nicht über die Zeit bringen konnte, war durchaus bitter. Vor allem wenn man bedenkt, dass Luton trotz für ihre Verhältnisse stärkeren Spiele noch immer drei Punkte hinter dem rettenden Ufer steht.
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Positiv auswirken könnte sich für den Verein, dass man neben Ross Barkley (29), im Oktober nun noch einen zweiten erfahrenen Spieler dazu holen konnte: Andros Townsend Senior (32). Der Engländer, vor allem aus seiner Zeit bei Crystal Palace bekannt und ehemaliger englischer Nationalspieler, war nach zwei Jahren bei Everton zuletzt vereinslos. Der offensiv vielseitige Spieler könnte ein wichtiger Baustein sein, sollte Luton den vor der Saison nicht für möglich gehaltenen Klassenerhalt doch schaffen.
Burnley FC – Neuzugänge schlagen nicht ein
Ein Verein, für den es aktuell überhaupt nicht läuft, ist Burnley. Die Clarets haben wettbewerbsübergreifend ihre letzten sechs Spiele verloren – und das mit einer Tordifferenz von 3:17. Entsprechend ist man inzwischen auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht. Die Mannschaft wirkt weder individuell noch mannschaftstaktisch auf die Premier League vorbereitet. Auch Trainer Vincent Kompany (37) scheint mehr und mehr ratlos zu sein. Von seiner offensiven Spielidee aus der Championship ist inzwischen nichts mehr übrig.
Besonders bedenklich war das 0:3 im EFL Cup gegen Everton. Das liegt vor allem daran, dass von den Neuzugängen noch niemand überzeugen konnte. Eine Tatsache, die für einen Aufsteiger, der vor allem dank Talenten aufgestiegen ist und nun über 100 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben hat, tödlich ist.
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Zwei Spieler, die besonders enttäuschen sind James Trafford (21) und Sander Berge (25). Berge war als Königstransfer vorgesehen, der Norweger sollte im Mittelfeld die Fäden ziehen und die Defensive mit der Offensive verbinden. Doch er zeigt bisher, warum ihn zwei Jahre lang kein Premier-League-Team von Sheffield United loseisen wollte. Berge spielt solide, aber lange nicht so gut, wie es nötig wäre.
Keeper Trafford gilt als das größte englische Torwart-Talent auf seiner Position und wurde im Sommer ohne Gegentor U21-Europameister. Dass die Premier League nochmal ein ganz anderes Niveau ist, zeigte sich allerdings früh. Weder ist er spielerisch gut genug, noch im klassischen Torwartspiel. Trafford muss sich schnell steigern, sonst muss Kompany bald über einen Torwartwechsel zurück zu Aufstiegskeeper Arijanet Muric (25) nachdenken.
Sheffield United – Endlich kommen auch die Punkte
Den seit Saisonbeginn fast durchgehend stabilen Leistungen konnte Sheffield United zuletzt endlich auch Punkte folgen lassen. Nachdem die Mannschaft von Paul Heckingbottom (46) in den ersten zehn Spielen fast immer gut mitspielte, aber nur ein Remis und keinen einzigen Sieg erreichen konnte, gab es in den beiden letzten Spielen starke vier Punkte. Und das, obwohl die Gegner keine leichten waren. Die in dieser Saison überraschend starken Wolves schlug man dank eines Last-Minute-Elfmeters von Oliver Norwood (32) in der zehnten Minute der Nachspielzeit mit 2:1, eine Woche später gab es ein ebenso unerwartetes 1:1 in Brighton zu bejubeln.
Trotzdem sind die Blades nach wie vor recht abgeschlagen am Tabellenende, der Rückstand beträgt aktuell vier Punkte. Für den Verein werden die ersten beiden Partien nach der Länderspielpause extrem wichtig sein, schließlich geht es gegen Burnley und Bournemouth. Kann man hier – dann wohl mit wieder genesenen wichtigen Stammspielern Anel Ahmedhovic (24) und Oliver McBurnie (27) – weiter Punkte sammeln, könnte der Anschluss an die Nichtabstiegsplätze schnell hergestellt sein. Aine Aussage, die man vor der Saison aufgrund eines eigentlich schlechten Transfersommers so kaum für möglich gehalten hatte.
(Photo by Nathan Stirk/Getty Images)
Lukas Heigl
Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert