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„Final Whistle“ – die Premier-League-Kolumne: Peps Lektion und der Caicedo-Bowl

15. August 2023 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Wieso war Pep trotz ManCity-Sieg not amused? Alte Hierarchien, alte Probleme? Zum Start von „Final Whistle – die Kolumne zur Premier League“ liefert Chris McCarthy seine Erkenntnisse vom ersten Spieltag. 

Ganz egal in welcher Sportart – eine neue Saison ist immer mit Ungewissheit und Hoffnung verbunden. Jede Mannschaft startet bei Null. Es ist die Gelegenheit, Expertenprognosen zu trotzen und Hierarchien zu sprengen.



In der Premier League etwa malten sich die Konkurrenten den ganzen Sommer Szenarien aus, wie sie nach drei aufeinanderfolgenden Meisterschaften die Vormachtstellung Manchester Citys beenden würden.

Die Saison war vier Minuten alt, da folgte ein erster Reality Check: 1:0, Erling Haaland. Also business as usual auf der Insel?

Nein, so standesgemäß der 3:0-Auftaktsieg der Cityzens auswärts beim FC Burnley auf dem Papier auch schien, er war nicht restlos überzeugend. Es war eine effiziente, aber insgesamt recht glanzlose, phasenweise sogar behäbige Vorstellung bei einem Aufsteiger. An sich kein Drama im ersten Spiel der Saison.

Für einen perfektionistischen Trainer allerdings schon. Nach dem Schlusspfiff eilte Pep Guardiola (wohl bewusst demonstrativ) zu Haaland. Vor der laufenden Kamera brüllte ihm der Spanier mit weit aufgerissenen Augen von der Seite in die Ohren. Pep wollte mehr. Nein. Er will mehr. Von Haaland, der zwar zwei Tore schoss, aber nur sechs Ballkontakte in der zweiten Halbzeit hatte, und von der gesamten Mannschaft. Jegliche Sättigung, die nach dem Triple-Sieg vielerorts prognostiziert wurde, soll im Keim erstickt werden.

Hochmotivierte Skyblues sind natürlich schlechte Nachrichten für den ärgsten Konkurrenten, den FC Arsenal. Die Gunners boten beim 2:1 über Nottingham Forest im ersten Durchgang zwar eine gute Vorstellung und fuhren drei verdiente Punkte ein. Am Ende aber mussten sie zittern, denn den Killerinstinkt und die makellose Spielkontrolle ManCitys hat das junge Team zumindest nach einem Spieltag der neuen Saison noch immer nicht.

Early days, aber etwas, was Mikel Arteta im Auge behalten sollte.

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Premier League: Newcastle the best of the rest?

Unmittelbar hinter dem Spitzenduo befindet sich in meinem persönlichen Power Ranking der Premier League noch immer Newcastle United. Das Team von Eddie Howe hatte schon letzte Saison die drittausgereifteste Spielanlage und scheint mit der Verpflichtung von Sandro Tonali noch einen weiteren Schritt gemacht zu haben.

Es war beeindruckend, wie die Magpies am Samstag Jedermanns Überraschungsteam für die neue Saison, Aston Villa, mit 5:1 wegfegten. Qualität, Plan und Intensität – Newcastle hat alles, um den vierten Platz der Vorsaison zu zementieren. Ob die Magpies aber auch genug von alledem haben, wenn die zusätzliche Belastung der Champions League einschlägt, bleibt abzuwarten.

Auch Manchester United droht nach erstem Eindruck der Status Quo. Anders als im St. James’s Park würde das im Old Trafford aber als Enttäuschung betrachtet werden. Die Red Devils mühten sich zu einem 1:0-Erfolg über die Wolverhampton Wanderers – ein Gegner, der wenige Tage vor der Saison den Trainer verlor. So frustriert war er über den Kader.

Die Offensive von Erik ten Hag jedenfalls wirkte wie schon im Vorjahr (nur 58 Tore) zu abhängig von Kontern und den Geniestreichen Bruno Fernandes‘. Im letzten Drittel fehlen die Automatismen, die Überraschungsmomente und spielerische Elemente von den Flügeln bzw. von Marcus Rashford. Das muss besser werden, um die hohen Ambitionen zu erfüllen.

Chelsea gewinnt den Caicedo-Bowl

Höhere Ambitionen haben auch der FC Liverpool und der FC Chelsea, beide wollen 2024 zurück in die Champions League. Dass hierzu womöglich noch etwas fehlt, genauer gesagt, jemand fehlt, machten beide Mannschaften beim direkten Duell am Sonntagabend deutlich.

Beide vermissen einen „Dyson“, also ein Staubsauger aus dem obersten Regal. Mit so viel Ausdauer und Power, um alles wegzusaugen und die Defensive zu entlasten. So modern, um das Spiel anzukurbeln. All das ist Moises Caicedo von Brighton.

Wie groß der Bedarf bei Liverpool ist, zeigte die Tatsache, dass Jürgen Klopp an der Seite der (überzeugenden) Debütanten Alexis Mac Allister und Dominik Szoboszlai den Angreifer Cody Gakpo beorderte. Ein Hilferuf von Jürgen Klopp an die Vereinsführung?

Und dass die Blues nach Ausgaben von knapp einer Milliarde Euro in einem Jahr unter der Führung von Todd Boehly überhaupt noch auf einen Spieler dieses Kalibers angewiesen sind, um ein Anwärter, nicht auf den Titel sondern auf die Top-Four zu sein, spricht übrigens Bände über den blinden Aktionismus auf dem Transfermarkt. Aber da stehen wir nunmal.

Der Caicedo-Bowl am Sonntag ging übrigens 1:1 aus. Der Gewinner ist aber der FC Chelsea. Denn der 21-Jährige entschied sich nach dem erfolgreichen 120-Millionen-Gebot des FC Liverpool gegen die Reds und für die Blues. Und sogar der Trostpreis geht Klopp flöten – auch Roméo Lavia wechselt nach London.

Jürgen Klopp und Mauricio Pochettino an der Seitenlinie.

(Photo by HENRY NICHOLLS/AFP via Getty Images)

Aufsteiger mit gemischten Resultaten – Tottenhams neue Ära startet

Alte Hierarchien, alte Probleme: Im oberen Tabellendrittel der Premier League hat sich nach einem Spieltag auf den ersten Blick also nicht all zu viel verändert. Doch es gab auch etwas Neues an diesem Eröffnungswochenende.

Da hätten wir die erste Vorstellung der neuen Tottenham Hotspur. Ohne Talisman Harry Kane, aber mit Ange Postecoglou an der Seitenlinie. Beim 2:2 gegen Brentford boten die Spurs phasenweise den flüssigen offensiven Fußball, den der neue Trainer versprach, offenbarten aber auch defensive Schwächen und die Erkenntnis, dass Richarlison nunmal nicht Harry Kane ist (starker Take, Chris). Der Brasilianer verfügt weder über die instinktiven Bewegungen noch die Kaltschnäuzigkeit des Engländers. Seine Bilanz für Tottenham: 28 Premier-League-Spiele, ein Tor. Postecoglou braucht einen neuen Stürmer, damit seine Philosophie Früchte tragen kann.

Kommen wir zu den Neulingen. Der FC Burnley spielte unter Trainer Vincent Kompany auch gegen ManCity mutig und offensiv – einzig die Qualität fehlte. Stand jetzt mache ich mir keine Sorgen um den Klassenerhalt.

Ganz anders sieht es bei Sheffield United und Luton Town aus. Während die Blades (0:1 gegen Crystal Palace) nach einigen Abgängen qualitativ womöglich schlechter aussehen als noch in der zweiten Liga – Neuzugänge sind dringend nötig – waren die Hatters gegen ein weiterhin spielfreudiges Brighton (1:4) zwar engagiert, aber schlichtweg zu fehlerbehaftet und naiv. Ob sich das ändert?

Ein Wort noch zum AFC Bournemouth. Nachdem Interimstrainer Gary O’Neil die Cherries beinahe im Alleingang vor dem Abstieg bewahrte, folgte im Sommer die Entlassung. Undankbar? Womöglich. Allerdings war das Potential dieser Mannschaft mit seiner pragmatischen Herangehensweise limitiert – Abstiegskrampf war vorprogrammiert. Mit dem hoch geschätzten Andoni Iraola setzt der Klub zwar auf Ungewissheit, aber auch auf positiveren und erfrischenden Fußball. Auf eine Perspektive.

Es ist ein mutiger Schritt. Doch wie die neue Saison bringt dieser vollem eins: neue Hoffnung. Ausgang unbekannt.

Chris McCarthy 

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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