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Klopp gegen Guardiola: Der vorerst letzte Tanz

10. März 2024 | Spotlight | BY David Schöngarth

Jürgen Klopp gegen Pep Guardiola: Kaum eine Rivalität hat die moderne Premier League mehr geprägt. Mit dem Ende von Klopps Amtszeit in Sicht, bitten die beiden Kontrahenten am Wochenende zum womöglich vorerst letzten Tanz. Ein würdiger Anlass für einen Rückblick.

Eine Rivalität, die eine Dekade geprägt hat

Vor knapp elf Jahren, am 27. Juli 2013, trafen Jürgen Klopp und Pep Guardiola das erste Mal aufeinander. Im deutschen Supercup 2013 setzten Klopps Dortmunder Guardiola mit 4:2 die erste Niederlage im ersten Spiel an der Seitenlinie des FC Bayern zu. Damals unter anderem mit von der Partie: Daniel van Buyten, Sebastian Kehl, Jakub Blaszczykowski oder Claudio Pizarro. Die Aussicht, dass Klopp und Guardiola das kommende Jahrzehnt des englischen Fußballs prägen würden, schien damals noch weit entfernt.



29 Duelle lieferten sich Klopp und Guardiola seit jenem Sommertag 2013. Achtmal Bayern gegen Dortmund. 21-mal Manchester City gegen Liverpool. Für beide sind das jeweils die meisten Spiele gegen einen anderen Trainer. Zwölfmal ging Klopp als Sieger vom Feld,  elfmal Guardiola. In sechs Spielen wurden die Punkte geteilt. Doch nicht nur quantitativ, auch qualitativ ist die Rivalität zwischen den beiden Trainern eine der Größten, die der Fußball hervorgebracht hat.

Mitreißende Duelle, triumphale K.O.-Spiele, Millimeter-Entscheidungen, atemberaubende Titelrennen, das Kräftemessen zweier unterschiedlicher fußballerischer Philosophien – und dabei stets untermauert von einer respektvollen, aber leidenschaftlichen persönlichen Rivalität. Nicht zu vergessen natürlich die schillernde Titelausbeute der Kontrahenten: Pep Guardiola hat mit Manchester City reihenweise Meisterschaften in der Premier League feiern können und seine Ära im letzten Jahr mit dem Triple veredelt. Jürgen Klopp konnte die schier übermächtige Dominanz der Cityzens zwischenzeitlich brechen und führte seine Reds darüber hinaus schon 2019 zu internationalem Ruhm.

Pep Guardiola gibt Jürgen Klopp die Hand.

In anderen Farben: Pep Guardiola und Jürgen Klopp 2014 in der Allianz Arena. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Guardiola und Klopp haben einander angespornt, zwei der vielleicht besten Mannschaften in der Geschichte des Sports zu formen, und diese im Anschluss über Jahre hinweg stets neu zu erfinden. „A pain in the ass all the time“, so Guardiola einst wörtlich über Jürgen Klopp und seine Reds. Und Klopp, dessen Zukunft noch offen ist und für den das Aufeinandertreffen mit Guardiola am Sonntag das Letzte sein könnte (ein weiteres Duell im FA-Cup ist theoretisch noch möglich), war auf seiner Pressekonferenz am Freitag voll des Lobes für seinen Kontrahenten: „Ich bin gut in dem, was ich mache. Aber er ist der Beste.“

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Holpriger Start in England

Dabei war die Dominanz, die Jürgen Klopp und Pep Guardiola auf den englischen Fußball später ausstrahlen sollten, nicht von Anfang an in Stein gemeißelt. Denn beide übernahmen ihre Mannschaften, den FC Liverpool respektive Manchester City, unter schwierigen Umständen. Allein ein Blick auf die jeweils ersten Startaufstellungen der beiden Trainer an der Seitenlinie ist Zeugnis des transformativen Effekts, den Klopp und Guardiola seitdem ausgeübt haben.

Jürgen Klopp mit Alberto Moreno.

Zu Beginn von Klopps Amtszeit sah der Kader von Liverpool noch ganz anders aus: Hier spricht der Deutsche 2015 mit Alberto Moreno. (Photo by Alex Livesey/Getty Images)

Beide Rivalen hatten zu Beginn durchaus mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Klopp, der im Oktober 2015 auf die Insel wechselte, führte Liverpool in einer hektischen ersten Saison auf Rang Acht. Und Guardiola, der ein knappes Jahr später den Sprung von München nach Manchester wagte und unmittelbar nach seiner Ankunft mit der Aussortierung von City-Legende Joe Hart für Schlagzeilen sorgte, musste sich nach der titellosen ersten Saison im Sommer 2017 ebenfalls Kritik gefallen lassen.

Die Aufeinandertreffen beider Trainer und Mannschaften in dieser ersten gemeinsamen Saison in England reflektierten diesen unvollkommenen, noch nicht ausgereiften Entwicklungsstand ihrer jeweiligen Mannschaften: Das 1:1 zwischen Manchester City und Liverpool vor sieben Jahren im März 2017 war ein zerfahrenes, aber auch unfassbar schnelles und unterhaltsames Spiel. Ein Vorbote der vielen atemberaubenden Duelle auf Augenhöhe, die sich City und Liverpool unter Guardiola und Klopp in den folgenden Jahren liefern sollten.

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Peps Centurions und Klopps europäischer Triumph 

Manchester City dominierte die Saison 2017/18, knackte die 100-Punkte-Marke und krönte sich ungefährdet zum Meister. Die einzige Achillesferse von Peps Centurions: Jürgen Klopp und seine Reds, die City nicht nur eine der zwei Saisonniederlagen hinzufügten, sondern kurze Zeit später auch noch aus der Champions-League schossen, in der Liverpool bekanntlich später tragisch im Finale an Real Madrid scheitern sollte. Doch spätestens im Sommer 2018 war klar: Wenn jemand Manchester City Einhalt bieten kann, dann Liverpool.

Die darauffolgende Saison bestätigte diese These weiter, als sich Klopp und Guardiola den bis hierhin nervenaufreibendsten Zweikampf um die Premier-League-Trophäe lieferten. Bis zum allerletzten Spieltag war das Meisterschaftsrennen offen – und 97 Punkte am Ende für die Reds nicht genug. Im Titelrennen entscheidend: Eine hauchdünne Millimeter-Entscheidung der Torlinientechnik beim 2:1-Sieg von City im Januar 2019.

John Stones rettet auf der Linie gegen Liverpool.

Am Ende waren es Millimeter. John Stones rettet gegen Liverpool auf der Linie. Am Ende der Saison 18/19 wurde City mit einem Punkt Vorsprung Meister. (Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

Angespornt von der verlorenen Meisterschaft gewann Liverpool dafür kurze Zeit später die erste Trophäe unter Klopp, und zwar nicht irgendeine, sondern die Champions League. Centurions hin oder her – der herbeigesehnte internationale Triumph war Guardiola und seinen Cityzens zu dem Zeitpunkt noch verwehrt geblieben.

Klopp erlöst die Reds und Pep erfindet Manchester City neu 

Nach zwei beispiellosen Spielzeiten an der Spitze des englischen Fußballs mit 198 Punkten aus 76 Spielen deutete sich bei Manchester City in der Saison 2019/20 nicht nur Übermüdung, sondern ein ein personeller Umbruch an, weil der Zenit vieler Leistungsträger aus den Jahren zuvor langsam überschritten war.

Liverpool und Klopp hingegen machten nach dem Champions-League-Triumph einfach weiter und sicherten sich – diesmal konkurrenzlos – in einer von Corona überschatteten Saison den Titel. Eine Erlösung für den Verein von der Merseyside, der zu diesem Zeitpunkt seit zwanzig Jahren auf eine Meisterschaft wartete.

Eine Mauer bemalt mit Jordan Henderson, der die Premier-League-Trophäe in die Höhe streckt.

Nach 20 Jahren Sehnsucht gewann Klopp mit Liverpool 2020 wieder die Liga. (Photo by SHAUN BOTTERILL/POOL/AFP via Getty Images)

Guardiola nahm sich währenddessen dem Umbruch bei City an. Natürlich profitierte der Spanier dabei von dem stets üppigen Transferbudget der Skyblues, die sich im Besitz der City Football Group aus den Vereinigten Arabischen Emiraten befinden. Ein Aspekt, der durchaus auch in der Rivalität mit Jürgen Klopp von Bedeutung ist.

Denn obwohl auch die Reds unter Klopp Rekordsummen in neue Spieler investierten (so zum Beispiel im Januar 2018 84 Millionen Euro in Virgil van Dijk), hängt der Rivalität zwischen City und Liverpool beziehungsweise Klopp und Guardiola auch immer ein Nimbus der finanziellen Ungleichheit an. Ein Narrativ von David und Goliath, an dem Jürgen Klopp selbst nicht ganz unschuldig ist. „Kein guter Tag für den Fußball“, kommentierte Klopp, als der Sportgerichtshof CAS die Sperre Citys aus den europäischen Wettbewerben im Sommer 2020 wieder aufhob.

Der Respekt auf sportlicher, und vor allem menschlicher Ebene, ist zwischen den beiden Kontrahenten trotzdem immens. „Wir haben uns in den letzten Jahren gegenseitig auf ein wahnsinniges Niveau gebracht“, so Klopp 2022, nachdem Guardiola Liverpool als härtesten Gegner seiner Karriere bezeichnet hatte.

Back-to-Back-to-Back und Liverpools Auf und Ab 

Die Übersättigung, die City in der Saison 19/20 plagte, ereilte Liverpool ein Jahr später – und Guardiola, der im Winter seinen Vertrag verlängert hatte, führte City zur dritten Meisterschaft binnen vier Jahren. Doch genau wie Guardiola gelang es auch Klopp, den Reds im darauffolgenden Jahr mit einem personellen Umbruch neues Leben einzuhauchen.

In der Saison 21/22, in der Liverpool zwischenzeitlich sogar vom Quadruple träumte, lieferten sich Klopp und Guardiola erneut einen Showdown bis zum allerletzten Spieltag, an dem City dramatisch mit 3:2 gegen Aston Villa die Meisterschaft abermals für sich entschied. Und wie schon 2018 ging Liverpool nach der verlorenen Meisterschaft auch in der Champions League im Finale gegen Real Madrid 2022 leer aus. Dafür gewannen die Reds den League-Cup und FA-Cup. Ein Ende des Duopols war nicht in Sicht.

Pep Guardiola feiert den Premier-League-Gewinn 2022.

2022 leisteten sich Liverpool und City erneut einen Zweikampf bis zum letzten Spieltag. Und wieder feierte Guardiola am Ende die Meisterschaft. (Photo by Michael Regan/Getty Images)

Doch die Saison 22/23 sollte anders werden: Nicht nur, weil die Reds das Niveau aus der Vorsaison nicht halten konnten und auf Rang Fünf abstürzten, sondern auch weil mit dem FC Arsenal ein ernsthafter Herausforderer im Titelkampf aus dem Dornröschenschlaf erwachte und zum ersten Mal seit Jahren der Titel in England nicht mehr zwischen City und Liverpool beziehungsweise Klopp und Pep ausgemacht wurde. Am Ende war es wieder Manchester City, das im Kampf um die Meisterschaft den längeren Atem hatte als Arsenal.

Und es war auch in dieser Saison, dass erstmals Zweifel aufkamen in Jürgen Klopp, ob er nach acht Jahren an der Seitenlinie der Reds noch die Kraft hatte, weiter im Amt zu bleiben.

Das Beste zum Schluss? 

So enttäuschend die vergangene Spielzeit auch war, Jürgen Klopp hat es – auch dank großer Investitionen ins Mittelfeld der Reds im letzten Sommer – wieder einmal geschafft, seine Mannschaft neu zu erfinden. Getreu dem Sprichwort könnte für Klopp, der kürzlich seinen Abschied im Sommer bei Liverpool verkündete, das Beste nun zum Schluss kommen. Die Reds befinden sich nämlich auf Titelkurs und wollen die Ära des deutschen Trainers mit einer zweiten Premier-League-Trophäe krönen.

Im Weg stehen Liverpool und Klopp zu diesem märchenhaften Ende natürlich Manchester City und Pep Guardiola, die während des Auf und Ab der Reds vergangenes Jahr das Triple gewannen und das auch in dieser Saison wieder anpeilen. City steht nur einen Punkt hinter Liverpool. Und direkt dahinter lauern Mikel Artetas Gunners. Es bahnt sich ein Dreikampf an.

Jürgen Klopp umarmt Pep Guardiola.

Der letzte Tanz? Am Sonntag könnte es zum finalen Aufeinandertreffen von Guardiola und Klopp kommen. Beide verbindet tiefer gegenseitiger Respekt. (Photo by Michael Regan/Getty Images)

Insofern kommt dem 30. und vielleicht finalen Aufeinandertreffen von Jürgen Klopp und Pep Guardiola am Sonntag wieder einmal immense sportliche Bedeutung zu. In den vergangenen Jahren haben sich beide Trainer, verbunden durch tiefen gegenseitigen Respekt, zu Höchstleistungen getrieben und somit eine ganze Ära der modernen Premier League geprägt. Es ist davon auszugehen, dass sie das auch am Sonntag ein letztes Mal tun werden und Liverpool gegen Manchester City erneut zu dem Spektakel wird, das wir inzwischen gewohnt sind.

(Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images)

David Schöngarth

Aufgewachsen mit Grafite, Luca Toni und Co. entfachten Gareth Bale und Mauricio Pochettinos Spurs in David eine Leidenschaft für die Premier League. Interessiert sich für alles, was auf der Insel vor sich geht. Seit 2022 bei 90Plus.


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