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Aufsteiger, Everton und Co. – Abstiegscheck der Premier League I Teil 1

6. September 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Unser monatliches Format zum Abstiegskampf in der Premier League geht in die zweite Staffel. Auch in dieser Saison werden wir euch regelmäßig über die Geschehnisse im unteren Drittel der besten Liga der Welt auf dem Laufenden halten. Zum Start werden wir euch zunächst die Teams vorstellen, die aller Voraussicht nach am unteren Ende der Tabelle zu verorten sein werden.

Premier League – Die Aufsteiger

Luton Town – Die Cinderella-Story

Ein unglaubliches Märchen war der Aufstieg von Luton Town im letzten Jahr. Der Verein aus der Kleinstadt nördlich von London war vor neun Jahren noch in der fünften Liga. Seither hat man sich sukzessive nach oben gearbeitet. Nicht einmal davon, dass Southampton im November Trainer Nathan Jones (50) weg kaufte, ließ man sich beirren. Rob Edwards (40), seinerseits im September 2022 nach nur elf Spielen bei Watford entlassen, übernahm und führte die Mannschaft auf Platz drei und zum Sieg in den Aufstiegsplayoffs. Dass es in diesem Jahr ein weiteres und wohl noch viel größeres Wunder für den Klassenerhalt brauchen würde, war allen klar.



Das sah man schon daran, mit welchen Mitteln die Hatters auf dem Transfermarkt operierten. Eine Mannschaft, die auf dem Papier maximal Zweitliga-Durchschnitt war, wurde mit nicht einmal 23 Millionen Euro verstärkt. Vor allem konnte man auch kaum Premier-League-Erfahrung dazu holen, die im Kampf gegen den Abstieg durchaus wichtig ist. Der größte Name ist sicherlich der von Ross Barkley (29), der ablösefrei aus Nizza kam. Der Saisonstart lief entsprechend den Erwartungen. Bei Brighton (1:4) und Chelsea (0:3) war man jeweils chancenlos, zu Hause gegen West Ham (1:2) konnte man zumindest halbwegs mithalten. Doch der Anschluss fiel erst in der Nachspielzeit, wirklich Chancen auf einen Punkt hatte man also auch hier nicht.

Das einzige Spiel, in dem Punkte realistisch gewesen wären, nämlich das Heimspiel gegen Burnley, musste verlegt werden. da das Stadion in Luton erst noch erstligatauglich gemacht werden musste. Dieses Stadion könnte auch das einzige Faustpfand für die Hatters im Abstiegskampf sein. Es ist alt und weit weg von den Hochglanz-Arenen der Konkurrenz. Hier könnte Luton dem ein oder anderen Gegner ein Bein stellen. Dass dies am Ende für den Klassenerhalt reicht, ist jedoch – leider – sehr unwahrscheinlich.

Sheffield United – Uninteressierter Besitzer und wenig Plan?

Auch bei den Blades sieht es nicht besonders gut aus. Grund dafür ist vor allem, dass man mit Iliman Ndiaye (23) und Sander Berge (25) zwei der wichtigsten Spieler verloren hat. Ndiaye, letzte Saison mit 25 Torbeteiligungen maßgeblich am Aufstieg beteiligt, ging für 17 Millionen Euro zurück zu seinem Jugendverein Olympique Marseilles, der zentrale Mittelfeldspieler Berge verließ Sheffield nach dreieinhalb Jahren für 14 Millionen in Richtung Mitaufsteiger Burnley. Beide Verkäufe sind vor allem darauf zurückzuführen, dass der Besitzer des Vereins, Abdullah bin Musad bin Abdul Aziz al-Saud (58), ein Saudi-Arabier, nach zehn Jahren als Besitzer nur noch wenig Interesse am Verein zeigt.

Bereits in den letzten Jahren sah man das immer wieder. Aziz al-Saud reicht es, wenn der Verein eine Fahrstuhlmannschaft zwischen Premier League und Championship bleibt und dadurch immer wieder Geld in die Kassen spült. Durch die immer lauter werdenden Unmutsbekundungen seitens der Fans musste Aziz al-Saud schließlich doch noch reagieren und stellte dem Verein ein bisschen Geld zur Verfügung. Und so investierten die Blades immerhin knapp 65 Millionen Euro. Rekordneuzugang war Stürmer Cameron Archer (21), der für stolze 21,5 Millionen von Aston Villa kam. Die Villans haben sich zudem eine Rückkaufoption für das Eigengewächs gesichert.

Die wohl wichtigsten Neuzugänge sind zwei Mittelfeldspieler Mit Gustavo Hamer (26) konnte man sich für etwas mehr als 17 Millionen einen der besten Spieler der abgelaufenen Championship-Saison aus Coventry sichern. Der Niederländer war als nomineller defensiver Mittelfeldspieler in 44 Spielen an stolzen 21 Toren direkt beteiligt. Neben ihm wird bei Sheffield ein weiteres Jahr James McAtee (20) auflaufen. Der junge Engländer war bereits im letzten Jahr auf Leihbasis im Team, die Leihe von Manchester City konnte um ein Jahr verlängert werden. Die Leihe war auch dringend notwendig, denn in den ersten vier Spielen sah man dem Team die offensive Ideenlosigkeit deutlich an. Und so steht man nach Niederlagen gegen Crystal Palace (0:1), Nottingham Forest (1:2) und Manchester City (1:2) sowie einem Remis gegen Everton (2:2) mit nur einem Punkt bereits tief im Keller.

Burnley FC – Komplett verwandelt dank Kompany

Der Aufsteiger, der sich in diesem Transfersommer sicherlich am besten verstärkt hat, ist der Burnley FC. Nachdem auf beeindruckende Art und Weise mit einem kompletten Stilwechsel unter Vincent Kompany (37) der direkte Wiederaufstieg gelungen war, musste man aber auch einiges tun. Denn der Wiederaufstieg war aufgrund der präkeren finanziellen Lage des Vereins – die neuen Besitzer, die den Verein im Januar 2022 übernommen hatten, lassen den Kredit, den sie für den Kauf aufgenommen haben, vom Verein selbst abbezahlen – überwiegend mit Leihspielern vollbracht worden. Gleich vier Stammspieler waren lediglich geliehen. Der einzige, den die Clarets halten konnten, war Jordan Beyer (23), der aufgrund einer Kaufoption für 15 Millionen Euro fest von Borussia Mönchengladbach verpflichtet wurde.

Vincent Kompany will Burnley mit offensivem Fußball zum Klassenerhalt in der Premier League führen

(Photo by Lewis Storey/Getty Images)

Die übrigen Leihspieler mussten ersetzt werden. Dazu brauchte man weitere Qualität im Kader, da dieser nicht aufgrund seiner Qualität, sondern aufgrund eines perfekt funktionierenden Systems aufgestiegen war. Und so gab Burnley sehr viel des Geldes, das durch den Aufstieg in die Kassen gespühlt wird, für Neuzugänge aus. 13 Spieler kamen für insgesamt 111 Millionen Euro, dazu zwei Leihen. Der sicherlich größte Name ist der von Berge, der von Mitaufsteiger Sheffield United kam. Am Norweger waren vor einigen Jahren noch deutlich größere Teams interessiert, dass er zwei Jahre in der Championship blieb, schadete ihm jedoch deutlich. Und so wechselte Berge nach Nordengland.

Ansonsten holte Burnley in erster Linie Talente wie Keeper James Trafford (20), der bei der U21-Europameisterschaft auf sich aufmerksam machen konnte, für 17 Millionen von Manchester City oder den schweizer Offensivallrounder Zeki Amdouni (22) für 18,6 Millionen vom FC Basel. Dass die neu zusammengebaute, unerfahrene Mannschaft Zeit brauchen und Lehrgeld bezahlen würde, war absehbar. Das in Kombination mit einem extrem schweren Auftaktprogramm – die ersten drei Gegner waren Manchester City (0:3), Aston Villa (1:3) und Tottenham (2:5) – sorgte dafür, dass die Clarets noch ohne Punkt dastehen. Das liegt auch daran, dass ihr Spiel in Luton verschoben werden musste. Da es für Burnley mit unter anderem Manchester United, Newcastle und Chelsea in den nächsten vier Spielen nicht wirklich leichter wird, könnte der Aufsteiger schon früh den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze etwas verlieren. Umso wichtiger ist das erste Spiel nach der Länderspielpause in Nottingham. Hier muss eigentlich schon etwas Zählbares her.

Premier League – Die Kellerkinder

Everton FC – Offensiv stärker, dafür defensiv schwächer?

Die Toffees sind im letzten Jahr dem Abstieg gerade noch von der Schippe gesprungen. Erst am letzten Spieltag rettete man sich. Entsprechend stand der Verein im Sommer unter Druck, den Kader zu verbessern und an die Vorstellungen von Trainer Sean Dyche (52) anzupassen, der im Januar 2023 das Ruder übernommen hatte. Das Problem von Everton war allerdings, dass man bei zu hohen Ausgaben in Probleme mit dem englischen Financial Fairplay geraten wäre – das im Gegensatz zu seinem europäischen Pendant durchaus ernstzunehmen ist. Und so war man sehr froh, dass Juventus Turin den Engländern aufgrund einer im Leihvertrag verankerten Kaufpflicht 30 Millionen Euro für Stürmer Moise Kean (23) überweisen musste – ein Spieler, mit dem man ohnehin nicht mehr plante.

Neben dem Italiener verließen aber auch einige wichtige Spieler den Verein. Allen voran ist hier Innenverteidiger Yerry Mina (28) zu nennen. Der Kolumbianer ließ seinen Vertrag auslaufen und wechselte ablösefrei nach Florenz. Am Deadline Tag musste man dann auch noch mit Alex Iwobi (27) den Topscorer der letzten Saison für 25,7 Millionen zu Fulham verkaufen, um die finanzielle Balance einzuhalten. Ansonsten wurde viel Geld mit Nachwuchsspielern eingenommen, Thomas Cannon (20) und Ellis Simms (22) brachten zusammen 16 Millionen. Auf der Zugangsseite hat sich vor allem offensiv etwas getan. Gleich zwei potentielle Stammspieler kamen auf Leihbasis – Arnaut Danjuma (26), den man bereits im Winter leihen wollte, kam vom FC Villarreal und Jack Harrison (26) vom Absteiger aus Leeds.

Fest verpflichtet wurden zwei neue Mittelstürmer – aufgrund der hohen Verletzungsanfälligkeit von Dominic Calvert-Lewin (26) ein Muss. Mit Chermiti (19, für 12,5 Millionen von Sporting) kam ein Talent und mit Beto (25, für 25 Millionen aus Udine) ein gestandener Stürmer. Vor allem an Beto werden die Everton-Fans Freude haben. Der Portugiese hat in den letzten beiden Jahren in der Serie A je zweistellig getroffen und verkörpert genau den Spielertypen, den man beim Arbeiterverein Everton liebt: 1,94 Meter, ein Berg von einem Mann, ist im Strafraum zu Hause. Und die Toffees sind sehr davon abhängig, dass Beto einschlägt. Nach vier Spielen steht man bei einem Punkt, besonders besorgniserregend ist neben der Tatsache, dass die Gegner auf dem Papier eher leicht waren (Fulham, Aston Villa, Wolverhampton, Sheffield) auch, dass Fulham dreimal ohne eigenen Treffer blieb. Das muss sich schleunigst ändern, soll es nicht in die Championship gehen.

AFC Bournemouth – Bringt der neue Stil schnell genug Punkte?

Die Cherries sind das neue Lieblingsteam in der Premier League von Hobby-Scouts und Taktik-Nerds. Grund dafür ist – neben der Tatsache, dass man sich vor allem auf die Verpflichtung spannender Talente fokussiert hat – ein auf den ersten Blick ungewöhnlicher Trainerwechsel im Sommer. Gary O’Neil (40), der die Mannschaft letzte Saison zum überraschenden Klassenerhalt führte, musste gehen. Grund hierfür war, dass ein Trainer verfügbar war, den viele als kommenden Star-Trainer ansehen: Andoni Iraola (41).

Der Spanier trainerte in den letzten drei Jahren Rayo Vallecano, führte die Madrilenen zum Aufstieg und anschließend mit attraktivem Offensivfußball und teils taktischen Meisterleistungen zweimal in Folge auf Platz 12. Nun ist Iraola also in England, und auch hier hat er bereits früh seinen offensiven Stil implementiert. Die Cherries treten deutlich verändert auf im Vergleich zum Pressingsystem von O’Neil. Zwar hat man bisher nur knapp 45% Ballbesitz. Das lag jedoch eher an den Auftaktgegnern: Es ging bereits gegen Liverpool (1:2) und Tottenham (0:2). Gegen West Ham (1:1) hatten die Cherries 63% Ballbesitz.

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Neben dem neuen Trainer kamen auch einige neue Spieler. Insgesamt gab Bournemouth stolze 127 Millionen Euro aus. Die Spieler, die dem Team im Laufe der Saison wohl am meisten helfen werden, fehlten bisher allerdings verletzt: Tyler Adams (24), ehemals in Leipzig unterwegs, kam für 27 Millionen aus Leeds. Der US-Amerikaner soll Jefferson Lerma (28) vor der Abwehr ersetzen, der Kolumbianer wechselte ablösefrei zu Crystal Palace. Neben Adams dürfte sich auf langfristige Sicht Alex Scott (19) etablieren. Der junge Engländer war letzte Saison einer der besten Spieler der Championship und kam für 23 Millionen aus Bristol. Adams wird nach der Länderspielpause zurück erwartet, Scott erst Ende Oktober.

Wolverhampton Wanderers – Ein zu großer Aderlass?

Ein Verein, der in den letzten Jahren immer weiter nach unten gerutscht ist, ist in Wolverhampton zu Hause. Die Wolves waren nach ihrem Aufstieg 2018 eines der heißesten Teams der Liga, belegten zweimal in Folge Platz 7 und erreichten das Halbfinale der Europa League. Doch dann kam der 29.11.2020, jener unglücksseelige Tag. Die Wanderers spielten bei Arsenal, die Gunners hatten eine Ecke. David Luiz (36) und Raul Jimenez (32) stiegen hoch, die Köpfe trafen sich, der Mexikaner blieb liegen. Jimenez, in den zwei Jahren zuvor einer der besten Stürmer der Liga und in 110 Spielen für die Wolves an 66 Treffern direkt beteiligt und damit der Hauptgrund für die starken Ergebnisse, hatte sich den Schädel gebrochen.

Er fiel den Rest der Saison aus und kam nie wieder ganz zurück. Nach nur noch 15 weiteren Torbeteiligungen in 56 Spielen verließ der Stürmer die Wolves im Sommer Richtung Fulham. Mit dem Abstieg von Raul begann auch der Abstieg der Wolves, was sein ehemaliger Teamkollege Conor Coady (30) unlängst in einem Podcast bestätigte. Nach zwei Mittelfeldplätzen musste man in der letzten Saison bereits lange um den Klassenerhalt bangen. Und nun wurde die Mannschaft qualitativ noch weiter ausgehöhlt. Grund hierfür ist neben Sorgen um das FFP vor allem, dass die chinesische Besitzergruppe FOSU keinerlei Interesse mehr am Verein zeigt und diesen zusammen mit Star-Berater Jorge Mendes (57) vor allem zur Geldwäsche nutzt. Mit Joao Moutinho (36) und Ruben Neves (25) verließen langjährige Säulen das Team, auch der Abgang von Matheus Nunes (25) schmerzt.

Sasa Kalajdzic jubelt für die Wolverhampton Wanderers

(Photo by Lewis Storey/Getty Images)

Zu allem Überfluss trat kurz vor Saisonbeginn Trainer Julen Lopetegui (57) zurück. Dem Spanier war bei seiner Verpflichtung im Herbst 2022 von FOSU versprochen worden, man wolle den Verein wieder ins internationalen Geschäft führen und würde dafür investieren. Das geschah jedoch nicht. Und so übernahm am 9. August O’Neil, der zuvor bei Bournemouth entlassen worden war. Dessen Ansätze eines aggressiven Pressing sehen zwar ordentlich aus, allerdings fehlt dem Kader schlicht die individuelle Qualität, um darauß wirklich Kapital zu schlagen. Und so steht man mit lediglich drei Punkten weit unten in der Tabelle. Die Hoffnungen liegen offensiv nun vor allem auf Sasa Kalajdzic (26). Der ehemalige Stuttgarter fiel die komplette letzte Saison mit einem Kreuzbandriss aus und ist nun wieder zurück.

(Photo by George Wood/Getty Images)

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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