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Premier League: Darwins „Evolution“ und was wir daraus lernen sollten

28. August 2023 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Mit Darwin Nunez wurde ein Spieler, der von vielen schon als Flop abgestempelt wurde, zum Mann des dritten Spieltags der Premier League. In seiner Kolumne „Final Whistle“ erklärt Chris McCarthy, was wir daraus lernen können. 

Warum lieben es viele Fußballfans, vorschnell zu urteilen? Ist es die Missgunst für einen Menschen, der das Glück hat, mit seinem Hobby Millionen zu verdienen? Ist es die Häme für einen rivalisierenden Verein, dass eine teure Investition keine Früchte trägt?



Jedenfalls erleben wir dieses Phänomen in der Premier League jeden Sommer, jeden Winter nach der Transferperiode. Ein Spieler wechselt für viel Geld zu einem neuen Klub. Wie die Geier lauern die Kritiker auf den ersten Fehlpass, die erste unglückliche Situation – je höher die Ablösesumme, desto geringer die Toleranzgrenze. Und dann passiert es: „Flop, überteuert, Fehleinkauf“. Und das sind nur die harmlosen Kommentare in den sozialen Medien.

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Premier League: Die Evolution des Darwin

Darwin Nunez musste letzte Saison einige davon lesen. Für 80 Millionen Euro war er im August 2022 von SL Benfica zum FC Liverpool gewechselt. Nach wenigen Spielen in der Premier League war er vielerorts angezählt, nach der Saison ganz abgestempelt. Zu überhastet und unglücklich seine Aktionen im letzten Drittel, zu verheerend seine Abschlussschwäche (nur 9 Tore aus 14,28 expected Goals).

Von Geduld, laut Duden „Ausdauer im ruhigen, beherrschten, nachsichtigen Ertragen oder Abwarten“, war bei seinen Kritikern keine Spur. Dabei waren die Anzeichen da. Die Laufwege, die rohe Physis und Dynamik, sowie die Gabe durch diese Qualitäten im Strafraum Chaos zu stiften. Es fehlte nur der Feinschliff.

Diesen Sonntag kam alles zusammen. Die Evolution des Darwin. Als der 24-Jährige bei Newcastle United nach 77 Minuten eingewechselt wurde, hatten seine Reds ein Tor und einen Mann weniger. Sie wirkten geschlagen. 15 Minuten später hatte er das Spiel gedreht. Mit zwei anspruchsvollen, satten wie präzisen Abschlüssen ins lange Eck aus halbrechter Position. Darwins Urknall? Das bleibt abzuwarten.

Jedenfalls macht das Beispiel des Uruguayers deutlich, dass Profis auch nur Menschen sind. Auch sie brauchen Zeit, sich anzupassen. An ein neues Land, eine neue Kultur, aber auch einen Verein, Mitspieler, Trainer und ein System.

Auch Kai Havertz braucht Geduld

Es sind Umstände, mit denen auch Kai Havertz seit seiner Ankunft in der Premier League zu kämpfen hatte und ehrlich gesagt noch immer hat. Beim ersten Punktverlust des FC Arsenal am Samstag, einem 2:2 gegen den FC Fulham, wirkte er in der Offensive wie ein Fremdkörper. Unsicher und unglücklich. Und da er 75 Millionen Euro kostete, wurde das in den Medien natürlich besonders unter die Lupe genommen. Anders als die Umstände.

Zugegeben, im Gegensatz zu Nunez spielt der deutsche Nationalspieler bereits seit September 2020 auf der Insel. Kontinuität hat er bei zwei Klubs, fünf Trainern und 62 verschiedenen Mitspielern in diesem Zeitraum allerdings kaum erfahren. Das ist Gift für einen Kreativgeist wie Havertz, der dann glänzt, wenn er Laufwege, Automatismen und Rollen im Schlaf kennt. So wie in Leverkusen. So wie in der kurzen Phase der Konstanz unter Thomas Tuchel bei Chelsea.

Auch beim FC Arsenal wird es etwas Zeit erfordern, bis ein Zahnrad ins andere Greift. Denn Mikel Arteta möchte schwerer auszurechnen und anders als im Vorjahr mit verschiedenen Zahnrädern erfolgreich sein. Schon jetzt hat er 19 Spieler eingesetzt. Das geht nicht ohne Wachstumsprobleme. Für die Gunners, die noch nicht auf dem Level der Vorsaison sind, und für Havertz.

Ähnlich wie bei Nunez sind die Anzeichen jedenfalls schon sichtbar. Der 24-Jährige hat den Fleiß – kein Arsenal-Spieler gewann in den ersten beiden Spielen mehr Zweikämpfe oder lief mehr Kilometer. Er hat das Talent – Ballbehandlung und Raumverständnis sind aus dem obersten Regal. Havertz bringt alles mit, um der offensiven Acht, die zuletzt Granit Xhaka bekleidete, mehr Dynamik und Torgefahr zu verleihen.

Nur etwas Geduld.

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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