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Das Atlético der Premier League, Peps Asse und was ist mit Liverpool los?

6. Januar 2023 | Trending | BY Chris McCarthy

5 Awards zum 19. Spieltag der Premier League: Wieso das Rot des FC Liverpool verblasst, Pep Guardiolas Asse und wer das Atlético Madrid Englands ist. 

„Wer seid ihr und was habt ihr mit dem FC Liverpool gemacht?“ – Award: FC Liverpool

Was machte den FC Liverpool unter Jürgen Klopp so besonders? In ihrer besten Phase, als die Reds erst die Champions League (2019) und dann den ersten Meistertitel seit 30 Jahren holten (2020), legte wohl kein anderes Team der Welt eine derartige Intensität an den Tag. Liverpool überrannte seine Gegner förmlich, ließ ihnen keine Zeit zum Atmen – ob mit schonungslosem Pressing oder im Zweikampfhalten – und legte dadurch den Grundstein für den Erfolg. Die hervorragende Defensive, das makellose Umschaltspiel, all das baute darauf auf.



Mittlerweile aber ist das satte Rot verblasst. So auch bei der verdienten 1:3-Auswärtsniederlage gegen den FC Brentford, bei der die Intensität nur vom Gegner gezeigt wurde und die Defensive sowie das Angriffsspiel nichts mit dem Liverpool der letzten Jahre gemeinsam hatte. Die vielen Verletzungen sind ein Faktor, ebenso wie das Vakuum im Mittelfeld. Doch das Problem scheint tiefer zu liegen.

Seit 2015 ist Klopp nun im Amt. Über sieben Jahre. Seine Anforderungen und seine Spielweise sind anspruchsvoll. Ist sein Team nach einer so langen Zeit auf diesem irren Niveau mittlerweile ausgelaugt – sowohl körperlich als auch mental? Fakt ist, dass Liverpool laut einer Analyse der Times dramatisch in seinen intensiven Aktionen eingebüßt hat. Dass die Reds die drittmeisten Großchancen der Premier League (51) zugelassen haben, hängt direkt damit zusammen. Denn der defensive Ansatz war schon immer riskant: kommst du einen Schritt zu spät, klafft eine Lücke hinter dir. Wie aber konnte es dazu kommen?

Leistungsträger sind in die Jahre gekommen (James Milner, Jordan Henderson, Roberto Firmino), wirken komplett überspielt (Virgil Van Dijk, Trent Alexander Arnold, Fabinho) und/oder werden aufgrund des kränkelnden Gesamtkonstrukts in schlechte Situationen gebracht. Auch der Angriff, der sich von einer der effizientesten zur ineffizientesten Einheit der Premier League gewandelt hat, ist die fehlende Spritzigkeit nicht zu übersehen.

Klopp und Co. haben zwar versucht, frisches Blut zu injizieren. Doch die erhofften neuen Stützen sind noch nicht auf dem erforderlichen Level (Ibrahima Konaté, Darwin Nunez) zu oft verletzt (Thiago, Luiz Diaz, Diogo Jota) oder nicht geholt worden (zentrales Mittelfeld). Cody Gakpo dürfte zwar die Offensive entlasten, die Grundprobleme wird aber auch er nicht beheben.

Nach 17 Spielen ist Platz vier sieben Punkte entfernt. Das alte Liverpool hätte diesen Rückstand aufholen können, das scheint es aber nicht mehr zu geben. Und bleiben die Einnahmen und das Prestige der Champions League aus, könnte es etwas länger dauern, bis das neue Liverpool wieder zur Elite zurückkehrt.

„Atlético Madrid“ – Award: Newcastle United

Newcastle United hält sich wacker in den Top-Four der Premier League. Auch beim FC Arsenal blieb die Mannschaft von Eddie Howe ungeschlagen (0:0) und baute seine Serie ohne Niederlage erstmals seit 1995 auf ganze 15 Spiele aus. Bisher gab es in dieser Saison erst eine Pleite, ein 1:2 bei Liverpool, und die kam erst in der achten Minute der Nachspielzeit zustande.

Schaut man sich die Partie gegen die Gunners an, stellt man schnell fest, wieso die neureichen Magpies so schwer zu schlagen sind. Denn wenn selbst der Tabellenführer in seinem eigenen Stadion an einem guten Tag nicht gewinnt, dann machst du einiges richtig.

Keine Frage, insbesondere im zweiten Durchgang war Arsenal die bessere Mannschaft. Und wer weiß, ob das spielstarke Team von Mikel Arteta mit einem fitten Gabriel Jesus im Sturm und einem anderen Schiedsrichter (Arteta beschwerte sich über zwei nicht gegebene, allerdings wohl kaum glasklare Elfmeter) als Sieger vom Platz gegangen wäre. Nichtsdestotrotz lässt sich festhalten, dass derzeit wohl kein Team Europas mit Newcastle leichtes Spiel hätte. Wieso? Weil sie eklig sind – im positiven Sinne.

Während die Magpies durchaus über starke spielerische Anlagen verfügen, stechen gerade gegen Top-Teams die hervorragende Organisation, die Aggressivität, Intensität, Physis, und eine ordentliche Portion „Atlético Madrid“ ins Auge. Die Männer in Schwarzweiß beackern jeden Gegner unermüdlich, zerstören den Spielrhythmus durch Nickeligkeiten, Provokationen und Zweikämpfe am Rande der Legalität und ziehen das 90+x Minuten durch. Machen sie so weiter – das ist keine Kritik – und entwickeln ihr Spiel so weiter wie bisher, dürfte ein Platz in der Champions League sicher sein.

„Asse im Ärmel“ – Award: Pep Guardiola

Der 1:0-Auswärtssieg über den FC Chelsea am Donnerstag war ein hartes Stück Arbeit für Manchester City. Gerade in Halbzeit eins tat sich der Meister schwer. Und das obwohl die Blues unter Trainer Graham Potter weiterhin ihre spielerische Identität suchen und zudem mit einer Flut an Verletzungen zu kämpfen haben. Wie so oft aber hatte Pep Guardiola noch ein paar Asse im Ärmel.

Der Trainer stellte nach der Pause auf Viererkette um und brachte nach einer Stunde Jack Grealish sowie Riyad Mahrez. Und eben jenes Jokerduo kombinierte keine vier Minuten später den 1:0-Führungstreffer heraus. Grealish hatte links zu viel Platz, spielte flach an den zweiten Pfosten, wo Mahrez nur noch den Fuß hinhalten mussten.

Das Zustandekommen des Sieges, der den Rückstand auf Tabellenführer Arsenal auf fünf Punkte verkürzt, war sinnbildlich für den Vorteil, den die Cityzens im Titelrennen haben: Während Arsenal ohne den verletzten Gabriel Jesus strauchelte, spielerisches Übergewicht in ein Tor umzumünzen, konnte Guardiola mal eben Spieler im Wert von knapp 200 Millionen Euro von der Bank bringen.

„Mr. Zuverlässig“ – Award: Harry Kane

In einer Phase, in der Tottenham auf und abseits des Platzes keine Konstanz findet, ist es schön etwas zu haben, auf das man sich verlassen kann. Bei den Spurs, die auf dem Rasen seit Anfang Oktober keine zwei Siege in Folge feiern konnten, und wo Antonio Conte durch pikante Aussagen hinsichtlich der Kaderqualität und seiner Zukunft für Unruhe sorgt, ist das zweifelsohne Harry Kane.

Auch gegen Crystal Palace tat der 29-Jährige das, was er am besten kann: Tore schießen. Sein Doppelschlag nach der Pause brachte sein Team nicht nur auf die Siegerstraße, sondern führte im Endeffekt dazu, dass das Resultat (4:0) weitaus deutlicher ausfiel, als das Spiel vermuten ließ. Doch das sind nunmal die Vorteile eines Weltklassestürmers, der nun seit Jahren auf dem gleichen Top-Niveau agiert. Für Kane waren es im 300. Premier-League-Spiel seine Treffer 197 und 198.

Am wichtigsten wird es den Spurs jedoch sein, dass der Abstand auf die Top-Four weiterhin nur zwei Punkte beträgt und eine Woche vor dem North London Derby gegen Arsenal etwas Ruhe eingekehrt ist.

„Die Spitze des Eisbergs“ – Award: Frank Lampard

Am Samstag herrschte beim FC Everton noch Hoffnung, dass das 1:1 bei Manchester City ein Befreiungsschlag gewesen sein könnte. Keine vier Tage später hallten Buhrufe durch den Goodison Park. So desolat präsentierten sich die Toffees bei der 1:4-Heimpleite gegen Brighton & Hove Albion. Das Team von Frank Lampard implodierte regelrecht, kassierte zwischen Minute 51 und 57 das 0:2, 0:3 und 0:4. Von Gegenwehr keine Spur.

Es ist logisch, dass viele frustrierte Fans den Rausschmiss von Trainer Frank Lampard fordern. Wie schon bei Derby County (übereffizient), Chelsea, wo seine Anfangszeit nach Transfersperre rückwirkend von einer jungen und unbekümmerten Mannschaft profitierte, lässt der ehemalige Mittelfeldspieler einen Plan vermissen. Offensiv ist alles zu berechenbar, eine klare Spielweise ist nicht zu erkennen. Und nun zeigt auch noch die Defensive – bislang ein Hoffnungsschimmer – Auflösungserscheinungen. Doch der Trainer ist beim FC Everton nur die Spitze des Eisbergs.

„Entlasst den Vorstand“ forderten viele Zuschauer am Dienstag, womit wir der Sache schon näher kommen. Denn unter Besitzer Farhad Moshiri und Vorstand Bill Kenwright eilt der Klub von Fehlentscheidung zu Fehlentscheidung. Sechs Trainer wurden in den letzten sieben Jahren eingestellt, über 500 Millionen Euro für Spieler ausgegeben – viele davon verheißungsvoll. Doch ohne eine übergeordnete Strategie ist das wertlos. Nachdem sich Everton im Vorjahr gerade noch rettete und im Sommer knapp 80 Millionen Euro investierte, ist ein Abstiegsplatz nach 18 Spieltagen nur logisch.

(Photo by Ryan Pierse/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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