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Premier League: Potters Rückkehr in die Kammer des Schreckens

31. Oktober 2022 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Fünf Awards zum 14. Spieltag der Premier League: Ein ungemütliche Rückkehr für Chelsea-Trainer Graham Potter, Leeds stoppt die Blutung und ein ungeahnter Held für Arsenal.

„Die Kammer des Schreckens“ – Award: Graham Potter

Drei Jahre war das AMEX Stadium von Brighton & Hove Albion für Graham Potter eine kuscheliges Zuhause. Hier wurde er geliebt, immerhin brachte er den Seagulls den wohl attraktivsten wie erfolgreichsten Erstligafußball (Platz neun im Vorjahr) der Vereinsgeschichte. Am Samstag allerdings glich der Spielort für Mr. Potter eher der Kammer des Schreckens.



Keine acht Wochen, nachdem er nach nur sechs Spieltagen dem Lockruf des FC Chelsea folgte, kehrte er an seine alte Wirkungsstätte zurück. Für den 47-jährigen Engländer war es kein schönes Wiedersehen. Potter wurde mit einigen Schmähgesängen und Buhrufen empfangen, doch das war nur der Anfang.

Potter musste mit ansehen, wie seine Blues von Brighton regelrecht vorgeführt wurden und zwar zum Großteil mit den Mitteln, die er an der Südküste Englands etablierte: Intensität, hohes Pressing, und fluider wie direkter Ballbesitzfußball. Einziger Unterschied? Anders als an vielen Tagen seiner Amtszeit – sowie den ersten fünf Spielen unter seinem Nachfolger Roberto De Zerbi – agierten die Seagulls endlich auch effizient.

Brighton, um den erneut überragenden Leandro Trossard, führte zur Halbzeit bereist mit 3:0, zwar mit Hilfe zweier Eigentore, allerdings auch in der Höhe verdient. Zu allem Überfluss war dies ein Kunststück, das laut Statistikdienst Opta erst zum dritten Mal in der Premier League und kein Mal in den 120 Spielen unter Potters Leitung gelang. Am Ende gewann Brighton mit 4:1. Es war nach 14 Versuchen der erste Sieg über Chelsea in der Premier League, zugleich der erste Dreier für Zerbi und die erste Pleite für Potter bei seinem neuen Arbeitgeber. All das in seinem alten Wohnzimmer.

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„Blutung gestoppt“ – Award: Leeds United

Erstmals in dieser Saison ging Leeds United auf einem Abstiegsplatz in den Spieltag. Und es war nicht irgendein Spiel, nach vier Niederlagen in Folge mussten die Whites ausgerechnet an die Anfield Road, zum FC Liverpool. Zugegeben, einige dieser Niederlagen sprachen nicht die ganze Geschichte über das Leistungsvermögen der Mannschaft, etwa die unglückliche Pleite gegen den FC Arsenal. Allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass Trainer Jesse Marsch nach dem Last-Minute-Klassenerhalt letzte Saison bereits nach 13 Spieltagen ordentlich unter Druck stand.

Um so beeindruckender war der Auftritt beim FC Liverpool: Leeds spielte mit einer breiten Brust auf, presste die Reds, zwang sie so zu Fehlern und ging schon nach vier Minuten durch Rodrigo in Führung. Auch die Antwort durch Mohamed Salah (14.) konnte die Gäste nicht vom Kurs abbringen. Leeds agierte beim Vizemeister weiterhin unglaublich aggressiv ohne und positiv mit dem Ball und verdiente sich trotz einer überragenden Vorstellung von Keeper Illan Meslier den dramatischen 2:1-Siegtreffer durch Crysencio Summerville in der letzten Minute.

Für den FC Liverpool, der abermals unorganisiert und lethargisch wirkte – über die Gründe haben wir bereits gesprochen – war es die erste Heimniederlage seit März 2021. Für Leeds United die erhoffte Initialzündung? „Es war nötig, um die Blutung zu stoppen“, sagte Marsch bei der BBC. Die Blaupause für die weitere Saison hatte er soeben gesehen: „Letzte Woche gegen Fulham (2:3, d. Red) warteten wir mehr darauf zu verlieren, als dass wir auf den Sieg gedrückt haben. Und ich finde das Beste an diesem Spiel (gegen Liverpool, d.Red.) war, dass man auch nach dem 1:1 eine klare Entschlossenheit gesehen hat.“

Die braucht es nicht nur gegen die Topteams, denen Leeds allesamt eine schwere Zeit bereitet hat, sondern vor allem gegen Seinesgleichen. Ehe Tottenham und Manchester City geärgert werden können, geht es gegen Aufsteiger Bournemouth um überlebenswichtige Punkte.

Premier League: Nach dem Sieg über Liverpool umarmt Leeds-Trainer Jesse Marsch Patrick Bamford.

(Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images)

„No Haaland, no problem“ – Award: Manchester City

Selbst Leicester-Trainer Brendan Rodgers musste es gestehen: „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht ein bisschen freute, als ich gehört habe, dass er nicht spielt“. Die Rede ist natürlich von Erling Haaland, der beim Auswärtstrip Manchester Citys seine rekordverdächtige Torjagd unterbrechen musste.

Doch wem es entgangen sein sollte: Manchester City war schon vor Haalands Ankunft eine feingeölte Punktemaschine, die in der Lage ist, jeden Gegner der Premier League nach Belieben zu dominieren. So auch Leicester, das der amtierende Meister in Sachen Ballbesitz (64 Prozent), Pässe (622:309) und Pässe im Angriffsdrittel (249:50) an die Wand spielte, aber aufgrund der ultradefensiven Ausrichtung der Foxes kaum zu Chancen kam. Sicher, hier wären Haalands schiere Präsenz, geschweige denn seine Vollstreckerqualitäten mehr als nur hilfreich gewesen. Doch glücklicherweise hat Pep Guardiola auch mehrere Spieler im Kader, die ein Spiel im Alleingang entscheiden können.

Kevin De Bruyne etwa, seit Jahren einer der besten Spielmacher der Welt. In Abwesenheit Haalands war er am Samstag gefordert. Und er lieferte. Mit einem traumhaften Freistoß. Aus halblinker Position, etwa 20 Meter vor dem Tor, zirkelte der Belgier die Kugel an den linken Innenpfosten zum 1:0. ManCity brachte trotz eines Schreck-Moments – Youri Tielemans traf per Volley die Latte – den Sieg verdient über die Zeit. Ohne Haaland, aber dank eines überwältigen Kollektivs an herausragenden Einzelspielern wie Keeper Ederson, den erneut bärenstarken Manuel Akanji und eben Kevin De Bruyne.

„Ungeahnter Matchwinner“ – Award: Reiss Nelson

Granit Xhaka, Thomas Partey, Gabriel Martinelli, Martin Ödegaard, Gabriel Jesus oder Bukayo Saka. Die beeindruckende Saison des FC Arsenal hat viele Gesichter. Folglich hielten viele Fans der Gunners den Atem an, als mit Saka einer der verheißungsvollsten Akteure mit schmerzverzerrter Miene nach 29 Minuten am Sonntag gegen Nottingham Forest beim Stand von 1:0 vom Platz humpelte.

Und nicht wenige Fans schauten etwas verdutzt, als sich Mikel Arteta entschied, den 21-jährigen Flügelspieler durch Reiss Nelson zu ersetzen. Auch er ist ein junger Engländer (22), dem bei Arsenal einst eine große Zukunft prophezeit wurde. Doch anders als Saka kam Nelson bei den Gunner nie so richtig in Fahrt. Nach seinem Premier-League-Debüt 2018 folgten insgesamt 842 Ligaminuten in vier Jahren sowie Leihen zur TSG Hoffenheim (2018/2019) und Feyenoord Rotterdam (2021/2022). Und auch in dieser Saison schien bei 0 Premier-League-Minuten kein Licht am Ende des Tunnels zu sein. Bis zu diesem Sonntag.

Denn Nelson nutzte seine Chance, avancierte beim 5:0-Heimsieg über Forest zum ungeahnten Matchwinner. Es war Nelson, der nach einer geschickten Finte den Ball zur 2:0-Vorentscheidung in den Winkel drosch, beim 3:0 goldrichtig stand und vollstreckte sowie die Vorlage zum 4:0-Traumtor von Thomas Partey beisteuerte. Nelson wirkte trotz geringer Spielpraxis selbstbewusst, vor allem aber hat er die Reife entwickelt, sein unbestrittenes Talent richtig einzusetzen.

Vier Jahre und acht Monate nach seinem Debüt hat er nicht nur die Chance auf den Durchbruch bei seinem Kindheitsverein, er könnte zugleich ein wichtiger Bestandteil einer Mannschaft werden, die in der Spitze hervorragend besetzt ist aber Fragezeichen in der Tiefe hat.

Premier League: Reiss Nelson feiert seinen zweiten Treffer beim 5:0-Erfolg des FC Arsenal über Nottingham Forest

(Photo by IAN KINGTON/AFP via Getty Images)

„Geaktion“ – Award: David De Gea

Erstmals in dieser Saison beendete Manchester United den Spieltag mit einem positiven Torverhältnis (+1). Zu verdanken hatte das Trainer Erik ten Hag einem 1:0-Zittersieg über West Ham, genauer gesagt aber Torhüter David De Gea, der eine starke Reaktion auf eine schwierige Woche zeigte.

Wenige Tage, nachdem aus den spanischen Medien zu hören war, dass der 31-jährige Torhüter nicht mal Bestandteil des vorläufigen 55-köpfigen Aufgebots der Spanier zur Weltmeisterschaft sei, bot er gegen West Ham eine Meisterleistung. Mit herausragenden Reflexen und Paraden, unter anderem nach einem Kopfball von Kurt Zouma (83.) sowie einem Weitschuss von Declan Rice (90+3), hielt er ManUtd die, am Ende etwas glücklichen, drei Punkte fest. Ein Statement von De Gea, der auch auf Vereinsebene immer wieder mit Formschwankungen zu kämpfen hatte und für Nationaltrainer Luis Enrique offenbar zu viele fußballerische Defizite hat.

„Jeder hat seine eigene Meinung“, sagte ten Hag nach dem Spiel bei der BBC und ergänzte: „Aber für mich steht bei einem Keeper an erster Stelle, dass er das Tor beschützt und sicher stellt, dass du kein Tor kassierst. Er ist überragend, aber mit den Füßen hat er ebenfalls Fähigkeiten.“ Anders in der Nationalmannschaft, scheint De Gea bei Manchester United trotz auslaufenden Vertrags eine Zukunft zu haben. „Wir müssen darüber nachdenken“, sagte ten Hag über eine Vertragsverlängerung. „Aber ich habe bereits mehrfach betont, dass ich glücklich mit ihm bin. Er ist ein großartiger Torhüter, fit, erst 31. Er kann sich noch weiter entwickeln. Er war schon beeindruckend gut für Manchester United und ich glaube er wird das auch in der Zukunft sein.“

(Photo by Alex Pantling/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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