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West Ham, Southampton und Co. – der Abstiegscheck der Premier League

14. November 2022 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Premier League ǀ West Ham United und der Southampton FC in Schwierigkeiten? Das ist der Stand im Abstiegskampf der Premier League. Teil drei.

Seit unserem zweiten Teil der Serie zum Abstiegskampf in der Premier League hat sich einiges verändert. Mannschaften, die zu Saisonbeginn hinter ihren Erwartungen zurückblieben, wie beispielsweise Leicester City, haben langsam wieder in die Spur gefunden, andere Mannschaften sind nach starkem Start auf ihr erwartetes Niveau gefallen. Und so finden sich inzwischen vor allem Teams im Abstiegskampf, die man bereits vor der Saison dort vermutet hatte.

West Ham United

Einen Namen, den man im Abstiegskampf ganz und gar nicht erwartetet hatte ist der von West Ham United. Die Hammers qualifizierten sich zuletzt zweimal für Europa, dazu gaben sie im Sommer viel Geld für Neuzugänge aus. Darunter waren auch namhafte wie Thilo Kehrer (26, von PSG), Gianluca Scarmacca (23, von Sassuolo) oder Lucas Paqueta (25, aus Lyon). Doch so ganz funktionieren will es bei den Londonern in dieser Saison noch nicht.



Das liegt an mehreren Faktoren. Zum einen hat man gerade in der Abwehr großes Verletzungspech. Zwischenzeitlich war Kehrer, der ohnehin nur als Reaktion auf die vielen Ausfälle spät im Transferfenster verpflichtet wurde, der einzig fitte Innenverteidiger. Zum anderen fehlte es vor allem Kapitän Declan Rice (23) zu Saisonbeginn sichtlich an Form. Der englische Nationalspieler war extrem schwach unterwegs und dominierte das Mittelfeld nicht wie gewohnt. Das schwächte die komplette Mannschaft.

Zuletzt lief es spielerisch zwar wieder besser, vor allem Paqueta erwies sich hier als echter Glücksgriff. Doch auch weil der Brasilianer seinerseits eine Zeit lang ausfiel, blieben die Ergebnisse zu unkonstant. Somit stehen die Hammers mit 14 Punkten auf Platz 16. So ganz kann man es zwar noch nicht glauben, dass sie bis zum Saisonende in diesen Gefilden bleiben, aufpassen muss West Ham aber in jedem Fall.

Everton FC

Die Toffees sind nach unserem zweiten Bericht zurück auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Wie zu erwarten war, hatte der recht leichte Spielplan viel mit den guten Punktgewinnen zu Saisonbeginn zu tun. Aus den letzten sieben Spielen konnte Everton nur noch eines gewinnen und vier Punkte holen. Und das, obwohl die Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsauftritten inzwischen deutlich geringer geworden ist. Zum Leidwesen der Fans wurden jedoch nicht etwa die Auswärtsspiele besser, sondern inzwischen geht auch zu Hause kaum noch was.

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Taktisch hat sich wenig verändert. Everton steht sehr kompakt und versucht nach Ballgewinnen schnell umzuschalten. Die Konter sind auch weiterhin durchaus gefährlich, doch sind die Spieler vor dem Tor fast durchgehend nicht effektiv genug. Die Toffees liegen bei den expected Goals fünf Tore unter dem Wert, den sie eigentlich hätten erreichen sollen. Vor allem Demarai Gray (26) und Neal Maupay (26) hätten deutlich mehr aus ihren bisherigen Chancen machen müssen.

Und so ist es vor allem der nach wie vor sehr stabilen Defensive geschuldet, dass Everton mit 14 Punkten gerade noch so über dem Strich auf Platz 17 steht. Die Abwehr ist die viertbeste der Liga. Das liegt vor allem an Jordan Pickford (28). Der englische Nationalkeeper ist schon die ganze Saison über in herausragender Form und pariert regelmäßig auch scheinbar unhaltbare Bälle. Entsprechend hat Everton mit 17 Gegentoren bisher unglaubliche acht weniger kassiert, als man laut expected Goals against hätte kassieren sollen. Sollten sich diese Werte irgendwann doch noch einmal annähern, kann es sehr schnell sehr düster für Everton werden.

AFC Bournemouth

Bei den Cherries läuft es weiterhin überraschend gut. Trotz des individuell wohl schwächsten Kaders der Liga steht man auf einem guten 13. Tabellenplatz, der Vorsprung auf die Abstiegsränge beträgt allerdings nur drei Punkte. Daher müssen sie weiter zum Kreis der Abstiegskandidaten gezählt werden. Gary O’Neil (39) hat es jedoch geschafft, eine Taktik zu finden, mit der man trotz der eigenen Limitationen gegen jeden Gegner halbwegs mithalten kann. Seit dem letzten Bericht gab es sieben Punkte, nur einmal verlor man mit mehr als einem Tor Unterschied. Im letzten Spiel gelang ein extrem wichtiger 3:0-Erfolg gegen Everton.

Mit dem Ball will und kann man nicht wirklich etwas anfangen. Entsprechend hat Bournemouth mit 38,1 Prozent den mit Abstand geringsten Ballbesitz in der Premier League. Auch die Passquote von 77,3 Prozent ist alles andere als gut. Folgerichtig sind die Cherries vor allem bei hohen Bällen gefährlich, besonders bei Standards. Fünf ihrer 18 Tore hat man nach ruhenden Bällen geschossen. Nach dem Fulham FC ist das die höchste Quote der Liga.

Kieffer Moore und Kollegen jubeln

(Photo by Marc Atkins/Getty Images)

Das Team ist extrem groß aufgestellt, zumeist stehen fünf Spieler über 1,85 m gleichzeitig auf dem Feld. Besonders das Sturmduo Dominic Solanke (25, 1,86 m) und Kieffer Moore (30, 1,95 m) ist in der Luft extrem schwer zu verteidigen. Dazu kommt, dass die Mannschaft extrem effizient mit ihren Möglichkeiten umgeht. Vor allem Moore und Philip Billing (26) liegen weit über den Erwartungen. Als Mannschaft erzielte Bournemouth fünf Tore mehr als es die Chancen eigentlich hergaben. Sollte sich hier eine Regression zur Mitte einstellen, wird es ganz schwer werden, die Klasse zu halten.

Wolverhampton Wanderers

Über die unter den Erwartungen spielenden Wolves haben wir das letzte Mal ebenfalls bereits gesprochen. Wirklich besser ist es für sie seither nicht geworden. Im Gegenteil, aus den sieben Spielen holte man lediglich vier Punkte und steht inzwischen gar auf Platz 20. Einer der Gründe, warum es bisher keine Kehrtwende gab ist sicherlich auch, dass die Trainersuche länger gedauert hat als zunächst gedacht.

Gleich mehrfach sagten Kandidaten, mit denen sich der Verein öffentlichkeitswirksam beschäftigt hatte, ab. Insgesamt gab das Board, das in zwei klare Lager geteilt zu sein scheint, kein gutes Bild ab. Die eine Hälfte ist den Besitzern, die dem Vernehmen nach finanziell alles andere als gut da stehen und den Verein womöglich zeitnah verkaufen müssen, und dem mit diesen verbundenen Berater Jorge Mendes (56) immer noch nahe. Die andere Hälfte will die Abhängigkeit, in die man sich die letzten Jahre über begeben hatte, lösen.

Zwischenzeitlich hieß es, da derart viele Trainer abgesagt hatten, dass Interimstrainer Steve Davis (57) bis zum Saisonende weitermachen dürfe. Dies wurde sogar offiziell vom Verein so verkündet. Davis ist U18-Trainer und steht vor allem bei dem Teil der Verantwortlichen, die sich von den chinesischen Besitzern FOSU und Mendes abwenden wollen, hoch im Kurs. Nun kommt es allerdings doch anders.

Julen Lopetegui (56), ehemaliger spanischer Nationaltrainer und Trainer von Real Madrid, der bereits beim Einstieg 2018 der Wunschkandidat von FOSU war, wird in der WM-Pause die Verantwortung übernehmen. Und das, nachdem er im Oktober bereits einmal medienwirksam abgelehnt hatte. Dass derartige interne Machtkämpfe nicht spurlos an einem ohnehin verunsicherten Team vorbei gehen, dürfte klar sein. Für die Wolves bleibt nun nur zu hoffen, dass durch die Einstellung Lopeteguis hinter den Kulissen etwas Ruhe einkehrt und sich die Mannschaft auf das Wesentliche, nämlich den Kampf gegen den Abstieg konzentrieren kann.

Southampton FC

Die Saints sind das nächste Team, das inzwischen einen neuen Trainer hat. Wie bereits im letzten Teil angesprochen, hatte Ralph Hasenhüttl (55) kein gutes Standing mehr im Team. Durch die ausbleibenden Ergebnisse wurde der Österreicher schließlich eine Woche vor der Pause nach über vier Jahren Amtszeit entlassen. Sein Nachfolger ist schlussendlich Nathan Jones (49) geworden. Der Waliser war zuvor bei Luton Town in der Championship sehr erfolgreich tätig.

Unser ausführliches Porträt zu Jones findet ihr hier!

Ein Umschwung nach der WM-Pause ist auch dringend nötig. Seit dem letzten Bericht hat Southampton nur fünf Punkte holen können und rutschte bis auf Platz 19 ab. Der Grund war auch ein sehr harter Spielplan in dieser Zeit, es ging unter anderem gegen Manchester City, den Arsenal FC, Newcastle United und den Liverpool FC. In den sieben Spielen nach der Pause geht es gegen mindestens vier direkte Konkurrenten, dort müssen Punkte geholt werden.

Spannend wird zu sehen sein, wie die Saints dies angehen wollen. Jones ist wie auch Hasenhüttl ein Verfechter des Pressing-Fußballs. Mit wenig Ballbesitz (43,3 Prozent, Platz 20 von 24) und sehr geringer Passquote (66,6 Prozent, Platz 24) setzte er in Luton vor allem auf ein vertikales, riskantes Spiel. Dies sollte dem Kader also zugute kommen, die Spielidee kennt man in Southampton aus den letzten Jahren. Der Versuch von Hasenhüttl, in diesem Jahr eine größere spielerische Komponente zu implementieren, scheiterte nämlich kolossal. Gewinnt Jones die Kabine für sich und verbreitet wieder Spaß am Spiel, könnte die Trainerentscheidung also die Goldrichtige sein und Southampton vor dem Abstieg bewahren.

Nottingham Forest

Die Reds sind einer der Gewinner der letzten Wochen. Nachdem es Mitte Oktober stark danach aussah, als würde Trainer Steve Cooper (42) zeitnah seinen Job verlieren, steht man inzwischen wieder sehr ordentlich da. In den letzten fünf Spielen konnte man acht Punkte holen, darunter Liverpool besiegen (1:0) und in Brighton einen Punkt holen (0:0). Besonders die Defensive steht inzwischen wie ein Bollwerk, nimmt man den Ausrutscher gegen Arsenal (0:5) heraus. In den letzten sechs Spielen kassierte Nottingham nur vier Gegentore.

Grund hierfür ist die Umstellung vom 3-4-1-2 aus der Aufstiegssaison hin zu einem 4-3-3. Durch den zusätzlichen Mann im zentralen Mittelfeld nimmt man viel Druck von der eigenen Verteidigung, man fängt viele Angriffe bereits vor der gefährlichen Zone ab. Dazu kommt, dass die Außenverteidiger nun tiefer stehen und weniger Lücken hinter sich offen lassen. Insgesamt lassen sich deutliche Parallelen zu Bournemouth erkennen, die nach dem Trainerwechsel nach vier Spieltagen ebenfalls von einem 3-4-1-2 auf ein 4-3-3 umgestellt hatten und bei denen dies zur gleichen defensiven Stabilität führte.

Freuler und Kouyate jubeln

(Photo by LINDSEY PARNABY/AFP via Getty Images)

Ein weiterer wichtiger Baustein im Erfolg der letzten Wochen ist, dass sich der im Sommer wild zusammengestellte Kader in den letzten Wochen immer besser kennen lernte und inzwischen einige Automatismen eingeübt sind. Besonders im zentralen Mittelfeld sind die spät im Transfersommer zum Team gestoßenen Remo Freuler (30) und Cheikhou Kouyate (32) inzwischen wichtige Säulen. Nach der WM-Pause wird zudem der als Abwehrchef verpflichtete Moussa Niakhate (26) von seiner langwierigen Oberschenkelverletzung zurück sein. Kann der Senegalese gut in die Mannschaft reintegriert werden, könnte es für Forest bald aus der Abstiegszone heraus gehen.

(Photo by Julian Finney/Getty Images)

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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