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Inter vor dem Gipfeltreffen mit Juventus: Alte Grundprinzipien, neue Leichtigkeit

4. Februar 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Am Sonntag findet in der Serie A das Gipfeltreffen zwischen Tabellenführer Inter und dem ersten Verfolger Juventus statt. Beide haben große Ambitionen in dieser Saison, wobei die Bianconeri als der Herausforderer in dieses Spiel gehen. Das liegt vor allem daran, dass Inter einfach bisher eine großartige Spielzeit absolviert. 

2022/23 war eine gute, fast sehr gute Saison von Inter. Die Mannschaft spielte unter Trainer Simone Inzaghi weitgehend auf einem hohen Niveau, holte in der Champions League nicht selten das Optimum aus sich heraus und musste sich nur im Endspiel Manchester City geschlagen geben. Die Suppercoppa sowie die Coppa Italia gewann das Team, doch der Scudetto ging an Napoli. Klar, die Konkurrenz in Italien ist groß, aber ebenso groß ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der Inter um Titel mitspielt und diese gewinnen will. Es folgte eine Reaktion im Sommer.

Inter baut den Kader kostengünstig und clever um

Inter hat im Sommer 2023 trotz einer erfolgreichen Saison einiges verändert, um den Kader auf ein höheres Level zu heben und diesen homogener und breiter aufzustellen. Die Verkäufe von Spielern wie Robin Gosens, Marcelo Brozovic, Valentino Lazaro, Andrea Pinamonti oder André Onana brachten dem Klub am Ende mehr als 120 Millionen Euro an Einnahmen, zudem wurden einige Spieler verliehen, die damit nicht mehr auf der Gehaltsliste standen. Einzig der ablösefreie Abgang von Innenverteidiger Milan Skriniar schmerzte so wirklich, ihn konnte man aber gut ersetzen. 



Und damit kommen wir zur Zugangsseite. Hier hat Inter eine gewisse Kreativität bewiesen. Der teuerste Neuzugang war dabei auch gleich einer der wichtigsten, nämlich Benjamin Pavard. Er fühlt sich als rechter Spieler in der Dreierkette sehr wohl, ist mittlerweile gut angekommen und hat sich akklimatisiert. Er kostete 30 Millionen Euro. Weiterhin wurde Kristjan Asllani fest verpflichtet, Spieler wie Francesco Acerbi, Yann Sommer oder Yann Bisseck kosteten nur wenig Ablöse. Dass Alexis Sanchez, Marcus Thuram, Juan Cuadrado und Davy Klaassen allesamt ablösefrei nach Mailand wechselten, lässt sich schon als Coup bezeichnen. 

Thuram Inter

(Photo by GABRIEL BOUYS/AFP via Getty Images)

Und dann wären da noch Leihgeschäfts, beispielsweise das von Carlos Augusto, der prompt zu einer Alternative auf der linken Seite wurde. Auch Marko Arnautovic, verstärkte den Kader, auch wenn sein Einfluss nicht immens ist. Nur gut 70 Millionen Euro gab Inter aus, um den Kader nach den Vorstellungen des Trainers anzupassen, ihn flexibler zu machen und ihm einige Facetten hinzuzufügen. Schon vor der Saison herrschte die Meinung, dass Inter eine der heißesten Mannschaften in der Serie A sein dürfte. 

Alte Grundprinzipien, neue Leichtigkeit

Am Kader veränderte sich zwar einiges, dennoch sah man zu Saisonbeginn auf dem Platz eine Inter-Mannschaft, die nicht sehr viel anders auftrat als in der Spielzeit zuvor. Die Grundformation blieb identisch, auch 2023/24 spielt die Mannschaft wieder in ihrem gewohnten 3-5-2-System. Dabei verlief die Integration neuer Spieler reibungslos, weil Trainer Simone Inzaghi einen Stil geprägt hat, der schnell von allen Akteuren verinnerlicht werden kann. Zudem stimmte die Basis ja bereits, viele Stützen des Kaders blieben dem Team erhalten, so zum Beispiel das zentrale Mittelfeld um Nicolo Barella. 

Auch wenn die Grundprinzipien, das heißt ein möglichst geordnetes Aufbauspiel, das bevorzugt flach ausgelöst wird, diverse Tempowechsel im Spiel und viel Bewegung in der Offensive gleich blieben, so wurde das Spiel dennoch im Nuancenbereich verändert. Da wäre beispielsweise Neuzugang Thuram, der natürlich ein anderer Typ ist als Romelu Lukaku oder Edin Dzeko, die in den letzten Jahren mit Lautaro Martinez wirbelten. Auch Thuram ist eine Erscheinung, aber ein ganz anderer Spielertyp.

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Er macht die Bälle nicht fest und legt sie dann ab, ist kein klassischer Strafraumstürmer wie es ein Lukaku war. Er und Lautaro arbeiten im Wechselspiel, einer geht steil, der andere kippt ab. Dadurch öffnen sie einander Räume, machen das Offensivspiel variabler. Lautaro steht bei 23 Scorerpunkten, Thuram bei 18, hat alleine schon zehn Vorlagen auf dem Konto. Das sind extrem gute Zahlen zu diesem Zeitpunkt der Saison. 

Zudem gelingt es Pavard mit seinen Flachpässen und seinem perspektivischen Andribbeln oft, die Spieleröffnung zu optimieren. Zudem hält er dem rechten Wingback durch sein gerne auch mal progressives Verteidigen den Rücken frei, sorgt für frühe Ballgewinne. Es wurde an einzelnen Stellschrauben gedreht, unter Druck befreit sich die Mannschaft besser, direkter und häufiger, die Mechanismen in der Offensive funktionieren immer besser und das gesamte Spiel ist begleitet von einer Leichtigkeit mit dem Ball, insbesondere bei einer Führung. 

Inzaghi vor Vollendung seines Werkes

Als Simone Inzaghi im Sommer 2021 das Amt als Cheftrainer bei Inter übernahm, herrschte eine gewisse Skepsis. Ja klar, das 3-5-2 ließ er schon bei Lazio spielen, stabilisierte dort auch den ganzen Klub, aber Inter war und ist noch einmal eine andere Hausnummer, ein größerer Klub mit mehr Potenzial zur Unruhe, sollte es nicht laufen. Doch mit seiner ruhigen Art, seinem charmanten Auftreten, aber im Endeffekt eben auch mit der Entwicklung der Mannschaft auf dem Platz überzeugte er die Kritiker schnell. Der Trainer hat ein Gespür dafür, was eine Mannschaft braucht, hat gegen einige Topteams auch international gute Spiele absolviert und die Entwicklungskurve sukzessive ansteigen lassen.

Inzaghi Inter

(Photo by Gabriele Maltinti/Getty Images)

Es scheint also als hätten sich Trainer und Team gesucht und gefunden. Inzaghi hat ein Gespür dafür, welche Charaktere innerhalb eines Kaders auf dem Platz zusammenpassen und wie man die Spieler ihren Stärken gemäß einsetzen kann. Auch deswegen funktioniert Henrikh Mkhitaryan Woche für Woche, obwohl er bei seiner vorherigen Station nicht konstant spielte und mittlerweile auch ein höheres Fußballalter erreicht hat. Und genau das ist der Grund, warum auch ein Hakan Calhanoglu von einer viel tieferen Position im Mittelfeld aus sehr gute Leistungen zeigt, diszipliniert agiert.

Die Fortschritte lassen sich auch in Zahlen belegen. Die Supercoppa hat Inter schon wieder gewonnen, in der Coppa Italia schied das Team zwar aus, aber gegen einen guten Gegner aus Bologna. Die Liga führt Inter an, hat vor dem Spitzenspiel gegen Juventus einen Punkt Vorsprung und noch ein Spiel in der Hinterhand. Auch das Achtelfinale in der Champions League wurde erreicht, hier treffen die Nerazzurri nun auf Atlético Madrid. Inzaghis Ziel, in dieser Saison das bisher beste Inter unter seiner Führung zu formen, nimmt Konturen an. Und ein Sieg gegen Juventus könnte den Titelkampf schon vorentscheiden. Denn eines ist klar: Viele Angebote wird der aktuelle Tabellenführer nicht mehr machen. 

(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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